Читать книгу Still - Zoran Drvenkar - Страница 15

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Vielleicht war es die Erschöpfung des Tages oder die Erleichterung, ihre Stimmen gehört zu haben – ich erwache Stunden später auf dem Boden. Mein Rücken schmerzt, aus der Küche kommt kein Laut mehr, nichts rührt sich im Haus. Sie haben mich schlafen lassen, und ich bin ihnen dankbar dafür. Wann habe ich das letzte Mal so lange durchgeschlafen?

Ich schaue auf die Uhr. Mein innerer Wecker funktioniert präzise.

Es ist sieben Uhr früh.

Die Arbeit ruft.

Ich betrete die Küche, rücke einen Stuhl gerade und nehme den Zettel vom Tisch. Ich überfliege meine eigenen Worte, als würde sich dahinter eine geheime Botschaft an mich selbst verstecken, ehe ich den Zettel zerknülle und in den Papierkorb werfe. Für eine Weile lehne ich am Spülbecken und lasse das Wasser laufen. Ich trinke zwei Gläser und schlucke eine Vitamintablette. Das kalte Wasser breitet sich angenehm in meinem Magen aus. Die Worte meiner Frau wandern durch meinen Kopf:

»Du weißt, daß ich ihn liebe. Ich werde ihn immer lieben.«

Die Worte meiner Tochter folgen wie ein sanftes Echo:

»Ich will bei Papa bleiben.«

Als unsere Tochter fünf Jahre alt war, wollte sie wissen, warum Erwachsene manchmal das eine sagen, wenn sie das andere meinen. Ihr war aufgefallen, daß wir uns und andere offen anlogen. Sie verstand nicht, warum wir das taten. Sie kam nicht darauf, daß wir die Gefühle des Anderen schonen wollten. Ich weiß noch genau, was meine Frau ihr geantwortet hat. Sie sagte: »Wir wissen es nicht besser.« Sie sagte es so überzeugend, daß selbst ich ihr glaubte. Wir wissen es nicht besser. Wir wollen ehrlich sein, wir können es aber nicht, weil wir es nicht besser wissen. Auch das war nur eine weitere Lüge, die unser kleines Mädchen schützen sollte. Denn wir wissen es besser. Wir wollen den Anderen nur nicht unentwegt mit der Wahrheit verletzen. Deswegen ertragen wir die kleinen Stiche und Hiebe. Mit oberflächlichen Wunden kann man leben. Für eine Weile zumindest. Aber jede noch so unbedeutende Wunde blutet, und so fließt jeden Tag das Leben aus uns heraus, während das Herz schlägt und schlägt und wir dabei reden, essen, lieben oder in der Sonne liegen und tun, was auch immer wir tun, weil wir es nicht besser wissen. Jahr für Jahr verläßt uns die Kraft ein wenig mehr, weil selbst die kleinste Lüge Schaden anrichtet. Ich weiß, wovon ich rede. Ich blute ohne Pause.

Still

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