Читать книгу Still - Zoran Drvenkar - Страница 22

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Da ist das Ticken der Standuhr, da ist die Lüftung des Backofens, die von der Küche aus bis in das Wohnzimmer herüberatmet, in dem mir Achim mit schräggelegtem Kopf gegenübersteht. Ich habe ihm alles erzählt, er hat mich kein einziges Mal unterbrochen. Natürlich kennt er die Details nicht.

Was für eine Arbeit es war, ihre Namen herauszufinden. Wieviele Polizeiakten ich kaufen und lesen mußte, wieviele Monate ich damit verbracht habe, sie zu beobachten. Meine ganzen Ersparnisse gab ich dafür her, alles über diese Männer herauszufinden.

Achim gibt sich einen Ruck, reicht mir sein Glas und wartet, daß ich trinke. Die Eiswürfel sind von der Wärme seiner Hand geschmolzen, der Wodka ist lauwarm. Es schmeckt, als würde ich einen Teil von ihm trinken. Schweiß. Blut. Speichel. Mein Hals ist wund, die Beine zittern, ich leere das Glas.

– Das ist über ein Jahr her, sagt er, Wieso hast du so lange gewartet, bevor du uns aufgesucht hast?

– Respekt, lüge ich, Und natürlich Angst, daß ihr nichts mit mir zu tun haben wollt.

– Respekt ist gut, sagt er, Angst gehört dazu. Gib mir dein Handy.

Ich gebe ihm mein Handy. Er klickt sich durch das Menü, öffnet mein Adreßbuch und lacht, als er den Eintrag GOTT sieht. Er findet, was er gesucht hat, stellt die Verbindung her und schaltet das Handy auf Freisprechen. Wir hören es klingeln. Ein Anrufbeantworter springt an.

– Hier ist Pero. Tut mir leid, ich kann nicht rangehen. Versucht es später.

Achim nickt, als würde er über diese Worte nachdenken, dann gibt er mir das Handy zurück und rät mir, die Nummer zu löschen. Ich lösche die Nummer sofort und sage, was ich schon die ganze Zeit über sagen will.

– Ich bin froh, daß ich euch gefunden habe.

– Das solltest du auch sein.

Achim geht in die Küche, füllt die Gläser nach und schaut in den Backofen. Als wir am Tisch sitzen, sind wir gut angetrunken. Das Fleisch ist zart, die Kartoffeln perfekt, das Sauerkraut erinnert an feingesponnene Fäden. Achim tut mir eine zweite Portion auf.

– Kein böses Blut?

Ich schüttele den Kopf, der Schweiß unter meinen Achseln ist getrocknet, der Magen schmerzt noch, kein böses Blut. Ich frage ihn, ob die anderen wissen, warum wir uns heute getroffen haben. Achim grinst und wackelt mit den Augenbrauen. Es ist Antwort genug. Es würde mich auch nicht wundern, wenn sie längst mit Pero gesprochen hätten. Sie gehen keine Risiken ein, ich gehe keine Risiken ein, wir passen gut zusammen.

Ein Jahr Vorbereitungszeit ist nicht viel, wenn man ein anderer Mensch werden will. Ich brauchte nicht nur einen neuen Wohnort, ich brauchte eine neue Geschichte, einen neuen Namen, ein neues Leben. Die Zeit des Lügens begann. Die Papiere bekam ich recht schnell – Personalausweis, Führerschein, Urkunden – auch die Einträge im Internet waren kein Problem, mein neues Image stand in einer Woche. Die größte Schwierigkeit war meine Arbeit. Ich konnte meiner Schule nicht erzählen, ich wäre jetzt Mika Stellar. Ein Wechsel war nötig, also habe ich meine Stelle in Steglitz aufgegeben. Die neue Schule liegt in Köpenick, sie ist klein, privat, und niemand zweifelt die Existenz von Mika Stellar an. Meine Identität wird jeder Nachforschung standhalten. Ich bin mir sicher, Achim hat mich längst unter die Lupe genommen und weiß, wo ich wohne. Ich bin jetzt ein Teil ihres Lebens. Es gibt keine Geheimnisse.

Nach dem Essen schaltet Achim einen von diesen Gasheizstrahler an, und wir setzen uns auf die Terrasse, trinken Cognac und schauen auf den verschneiten Garten. Achim raucht Zigarre, seine rechte Gesichtshälfte liegt im Schatten. Er wirkt wie ein zufriedener Arbeiter, der den Feierabend genießt. Jeden Moment wird er mir erzählen, wie sie zusammenkamen. Ich weiß, daß er mit zum Urgestein gehört. Eine Gruppe von Männern fand sich. Das ist der Anfang.

– Nichts ist so, wie du denkst, sagt Achim.

Ich denke nicht, ich höre nur zu, er wartet, daß ich frage, also frage ich, was das heißt.

– Das heißt, es geht nicht einfach um Sex, antwortet er.

Ich atme tief ein, irgendwas stimmt nicht, und ich weiß nicht, was es ist. Achim dreht die Asche von der Zigarre am Rand des Aschenbechers ab. Es fühlt sich an wie eine Falle. Was für eine Reaktion erwartet er?

Es geht nicht einfach um Sex.

Wie soll ich darauf nur reagieren?

– Nicht? sage ich schwach.

Er lächelt, mein verwirrter Gesichtsausdruck amüsiert ihn. Er betrachtet mich, als wäre ich sechzehn Jahre alt und hätte nur eines im Sinn.

– Sex hat damit wenig zu tun, Mika.

– Um was geht es dann?

Seine Antwort ist knapp und präzise und könnte aus meinem Repertoire stammen – ein Wort wie ein Flußkiesel, der vom Wasser glattgerieben wurde. Keine Kanten, keine Ecken.

– Unschuld, sagt er, Es geht um Unschuld.

Still

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