Читать книгу Still - Zoran Drvenkar - Страница 8

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Der Mittwochabend beginnt mit einem Kurzschluß. Draußen tobt ein Sturm, die Scheiben sind vereist. Plötzlich ist es finstere Nacht im Pub. Die Gespräche verstummen, irgendwo klirren Gläser aneinander, dann ist nur noch der Verkehr auf der Rheinstraße deutlich zu hören. Ein Bus rumpelt vorbei und gibt ein Schnaufen von sich. Jemand ruft, ob denn die Welt untergegangen sei oder was. Sie lachen und verlangen nach Freibier. Feuerzeuge werden in die Luft gehalten, einer stimmt Freiheit von Westernhagen an, und alle singen mit. Mittendrin geht das Licht wieder an. Der Gesang verstummt, keiner sagt was, die Gäste runzeln die Stirn und sehen sich um, dann brechen sie in lauten Jubel aus, als hätten sie einen Bombenangriff überlebt. Die Jukebox erwacht wieder zum Leben und nach einer Minute ist es so, als wäre nichts geschehen.

Vor mir steht eine Schale mit Erdnüssen und ein Wodka Lemon. Das Glas schwitzt auf die Tischplatte. Es ist Mitte Februar und die Heizungen laufen auf Hochtouren. Hagen sitzt mir gegenüber und weigert sich, seine Wollmütze abzunehmen. Seine Locken schauen unter den Rändern hervor, und er erinnert mich an einen Fischer, der eben sein Schiff verlassen hat. Achim und Edmont sind mir so nahe, daß sich unsere Schultern berühren. Achim sitzt links von mir, er hat bisher kein Wort gesagt. Sein kahler Kopf glänzt, als hätte er ihn eben erst rasiert. Rechts von mir rieche ich Edmonts Kleidung. Sein Hemd ist aus Hirschleder, und ich muß es anfassen, weil er meint, sowas Weiches hätte ich bestimmt noch nie berührt.

– Wie Babyhaut, erklärt er mir.

Edmont ist einer von diesen Kumpels, die einen immer anstoßen. Derb, laut und nah. Er klackt mit seinem Glas gegen Achims Glas.

– Ohne dich wäre ich nicht hier.

– Laß mal stecken, sagt Achim und grinst plötzlich.

Achim und Edmont sind Mitte der 80er Jahre direkt nach dem Abitur von Bonn nach Berlin gezogen, um dem Wehrdienst zu entgehen. Sie sind seit ihrer Kindheit beste Freunde und sagen, sie haben die Flucht gemeinsam geplant. Bonn hat sie seitdem nicht wiedergesehen. Achim schloß sein Studium als Elektroingenieur ab, zwei Jahre später leitete er seine eigene Firma und verlegte sich Anfang der 90er auf die Installation von Satellitenschüsseln. Edmont dagegen hat zehn Jahre lang Oldtimer aufgemotzt, jetzt betreibt er mit seiner Frau eine Fahrschule in Frohnau. Lemke & Lenkrad. Er fährt das ganze Jahr über Motorrad und trägt einen offenen Helm. Dementsprechend ist sein Gesicht windgegerbt, und die Männer nennen ihn spaßeshalber Leatherface. Edmont hat ein winziges Hörgerät, ohne das er auf dem rechten Ohr taub wäre. »Irgendeine Kinderkrankheit«, hat er mir erklärt, aber ich weiß es besser. Als er sieben war, schlug ihn sein Stiefvater krankenhausreif. Edmont spricht nie über seine Kindheit. Er spricht viel über seine Urlaube. Die letzten drei Wochen war er mit seiner Frau in Tunesien. Sie verreisen zweimal im Jahr. Es muß immer exotisch sein, denn exotisch ist anders und spannend. Jetzt ist er braungebrannt und froh, wieder in Deutschland zu sein. Er sorgt für die Balance in der Gruppe, er wäre gerne der Anführer, der Anführer ist noch nicht da.

– Irgendwas von Franco gehört? fragt Hagen.

Achim und Edmont schütteln den Kopf.

– Ich ruf ihn mal an.

Hagen fischt sein Handy heraus. Achim legt ihm die Hand auf den Arm.

– Franco kommt schon.

– Aber---

– Alter, laß es sein, okay?

Achim grinst, seine Zähne sind unglaublich weiß, Hagen steckt das Handy weg, sein Gesicht ist rot angelaufen, er nimmt die Wollmütze ab und fährt sich durch die Haare. Es ist an der Zeit, daß ich neugierig bin.

– Wer ist Franco?

Edmont lacht, und wenn Edmont lacht, ist am Tisch alles wieder gut. Hagen ist der schüchterne Witzbold, Achim der Brüter und Franco ihr Anführer. Edmont hat sich wieder gefangen, er wischt sich eine Träne aus dem Auge und legt dann die Hände zusammen, als würde er ein Gebet in den Himmel schicken. Mit tiefernster Stimme sagt er:

– Du fragst, wer Franco ist? Ich sage dir, wer Franco ist. Franco ist Gott.

Achim spuckt vor Lachen sein Bier über den Tisch. Hagen schmeißt Edmont ein paar Erdnüsse an den Kopf. Edmont grinst. Ich schaue überrascht.

– Gott! spielt Hagen das Echo und weitet dabei seine blauen Engelsaugen, Jeder muß einen Gott haben, unser Gott ist Franco, verstehst du?

Ich verstehe. Wir lachen zusammen.

Still

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