Читать книгу Still - Zoran Drvenkar - Страница 14

ICH 1

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Liebe ist, wenn du die bedeutenden Momente deines Lebens mit einem Messer aus deiner Erinnerung schneidest, mit Benzin übergießt und anzündest. Liebe ist, wenn du dich am nächsten Morgen an jede Einzelheit erinnerst und nichts bedauerst. Liebe ist auch, wenn ein Schatten über dein Leben fällt und die Finsternis mit sich bringt und du weiterhin daran glaubst, daß es eines Tages wieder hell wird. Nenn den Schatten Hass, nenn ihn Vernichtung, nenn ihn das Ende der Welt. Hass ist Wut auf Liebe, Hass ist Wut auf diese widerstandsfähigen Details, die sich in deiner Erinnerung entzünden wie eiternde Wunden. Hass ist aber auch das, was dir bleibt, wenn dir alles andere genommen wurde. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe es getan. Ich habe die Liebe angezündet und seziert. Ich habe mich von den Schatten umschließen lassen und lebe in der Finsternis. Nur die Narben sind mir geblieben, und die Narben sind überall.

Ich wünschte, ich wäre jemand, der vergißt, der vergibt. Ich bin ein Mann in einem Pub mit anderen Männern an einem Tisch. Einer von ihnen. Nacht für Nacht. Das Fensterglas ist getönt, deswegen herrscht hier immer ein Gefühl von Abenddämmerung. Wer in dieser Kneipe sitzt, will den Tag vergessen, aber so einfach ist das nicht. Denn da ist noch die Nacht. Und die Nacht findet kein Ende.

Wir sitzen am Tisch, ich habe mein Geständnis abgelegt, und die Männer haben meine Verzweiflung gesehen. Sie wissen jetzt, mit wem sie es zu tun haben. Meine Erleichterung ist rein körperlich, der Verstand ist vorsichtig und will es noch nicht wahrhaben. Ich rede ihm gut zu. All die Monate der Vorbereitung. Geschafft, es ist geschafft. Ich weiß, daß ich nach Schweiß stinke. Panik und Furcht. Ich weiß es. Aber es stört nicht, denn es ist geschafft.

Sie schicken mich weg. Sie sagen, der Abend wäre für mich gelaufen, ich solle mich entspannen und eine Dusche nehmen.

Sie sagen: Alles ist gut, Mika.

Sie sagen: Mach dir keinen Kopf, Mika, wir reden morgen.

Sie sagen: Schlaf dich aus.

Ich nicke zu ihren Worten und nehme meine Panik und meinen Gestank und gehe nach Hause. Mein Herz lacht bei jedem Schritt, mein Herz lacht so laut, daß es im Körper hallt, als hätte mir Gott eine gescheuert. Ich vibriere. Es ist geschafft.

Gegen halb zwei schließe ich die Haustür auf und höre die Stimmen aus der Küche.

– Aber er vermißt dich.

– Kleines, ich vermisse ihn doch auch, aber wir halten es nicht mehr miteinander aus. Du weißt, es geht ihm nicht gut.

– Papa geht es gut.

– Nein, ihm geht es nicht gut. Schau dich doch mal um, wie es hier aussieht. Dein Vater ist nicht mehr wirklich dein Vater.

– Sag sowas nicht. Es wird ihm bald besser gehen.

– Ich wünschte, es wäre so.

Die Stimme meiner Tochter wird schrill:

– Mama, bitte, sag sowas nicht!

– Es tut mir leid.

– Liebst du ihn denn gar nicht mehr?

Schweigen. Die Antwort kommt zögerlich.

– Du weißt, daß ich ihn liebe. Ich werde ihn immer lieben.

– Warum hilfst du ihm dann nicht?

– Ich habe es doch versucht, Kleines.

Für einen Moment überlege ich zu gehen. Ich fürchte mich vor einer Konfrontation. Dann schließe ich lautlos die Haustür hinter mir und streife die Schuhe ab. Die Sehnsucht ist zu groß. Ich mache zwei Schritte durch den Flur. Ich will sie sehen, ich will sie berühren und mit ihnen reden. Und bleibe stehen. Die Feigheit ist größer. Ich kann die Küche nicht betreten, denn ich gehöre nicht mehr dazu. Also lehne ich mich gegen die Wand und rutsche an ihr herunter, Arme um die Knie, Knie an der Brust. So lausche ich weiter. Meine Frau lügt nicht, sie hat es versucht. Meine Tochter sagt:

– Er hinterläßt mir diese Nachrichten. Er gibt nicht auf. Schau, hier, lies das. Was soll ich ihm darauf antworten? Wenn er dann nach Hause kommt, zerknüllt er sie. Der Papierkorb ist voll damit.

Ich stelle mir vor, wie meine Frau die letzte Nachricht auf dem Tisch betrachtet und traurig den Kopf schüttelt. Als sie spricht, klingt ihre Stimme nüchtern.

– Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen, Kleines.

– Mama, ich will bei Papa bleiben.

– Ich weiß.

– Du solltest auch bleiben.

– Das geht nicht.

Ich sitze da und habe die Wand im Rücken und kann mich nicht rühren. Ich will, aber ich kann nicht. Und dann sagt meine Tochter die vernichtenden Worte. Sie sagt sie immer zum Schluß, als würde sie die Worte in Blockbuchstaben unter den Abspann unseres gemeinsamen Lebens setzen.

– Mama, das Haus ist so leer ohne dich.

Ich beginne, lautlos zu heulen.

Still

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