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ICH 1

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Ich will nichts Falsches sagen. Ich habe mein drittes Bier vor mir stehen und will auf keinen Fall was Falsches sagen. Die Jukebox wiederholt Eye of the Tiger zum achten Mal an diesem Abend, der Dartautomat dudelt seine Melodie, das Licht ist gedimmt. Ich starre auf die Theke. Die Worte in meinem Kopf sind poliert wie Flußkiesel, die vom Wasser glattgerieben wurden. Keine Kanten, keine Ecken. Ich sortiere sie immer wieder neu und suche nach der richtigen Ordnung. Die Worte müssen mir ins Blut übergehen. Ich muß ein Teil des Flusses sein.

Der Mann links von mir murmelt, daß nichts mehr so ist, wie es einmal war, seitdem keiner mehr rauchen darf, wann er will, wo er will, und sind wir denn hier in der DDR oder was? Er wiederholt sich wie einer von diesen mechanischen Papageien, die auf dem Volksfest die Besucher anlocken sollen. Die Leute ignorieren ihn, der Barkeeper wischt über die Theke, ich sehe auf.

Sie sind zu zweit an einem der Tische. Sie sitzen im Halbdunkel und reden, wie Männer gerne reden – mit beiden Händen ums Glas, ohne sich anzusehen, versunken im Bierschaum oder in der Maserung des Tisches und manchmal auch im Raum, als wäre da ein unsichtbarer Zuhörer. Einer der Männer fängt meinen Blick auf, ich nicke ihm zu und hebe mein Glas. Er nickt zurück, läßt sein Glas aber stehen.

Der Anfang ist gemacht.

Ich zahle und gehe.

Zu Hause stelle ich mich unter die Dusche und warte, daß die Kälte weicht. Das Bad ist eine Nebellandschaft, meine Haut steht in Flammen, die Fingerspitzen sind aufgequollen. Nach zehn Minuten gebe ich auf. Die Kälte sitzt so tief in meinen Knochen, daß ich frierend aus der Dusche steige. Nichts hilft.

Die nächsten Stunden verbringe ich im Internet, bis meine Beine unruhig sind und ich saure Übelkeit auf der Zunge schmecken kann. Ich will die Augen nicht verschließen. Ich will sehen, was es zu sehen gibt. Nach sechzehn Downloads kann ich nicht mehr. Es ist keine gute Zeit für mich. Ich balanciere auf einem schmalen Grat entlang, dabei weiß ich es besser. Es gibt Regeln. Wir sollten immer jemanden an unserer Seite haben, der uns vor dem Absturz bewahrt. Immer. Meine Frau fehlt mir. Sie ist bitter, sie ist wütend. Ich kann mich nicht gut erklären. Sie nennt mich krank, sie nennt mich pervers und hat mir mit der Polizei gedroht. Ich konnte sie nur ansehen. Ich bin nicht der, der ich sein wollte. Ich wurde zu dem, der ich bin, weil der Wind sich gedreht hat, weil ein Stern verlöscht ist oder irgendwo in Afrika ein Blatt vom Baum fiel. Ich weiß, es wird nicht ewig so weitergehen. Ich arbeite daran.

Meine größte Sorge ist im Moment, daß man mich so kurz vor meinem Ziel ausfindig machen könnte. Auch wenn alle sagen, daß das Usenet sicher ist, gibt es keine Garantien. Nichts im Internet ist sicher. Vielleicht bin ich paranoid, vielleicht reichen die neu installierten Programme völlig aus. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, es ist das Risiko wert. Jeden Tag aufs Neue.

Das Notebook fährt mit einem Seufzer herunter, ich klappe es zu und gehe schlafen.

Still

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