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Gott im Religionsunterricht

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Das biblische Zeugnis von Gott und die menschliche und natürlich auch bei Kindern vorhandene Frage nach Gott sind zu unterscheiden. Ob man bei allen Menschen die Frage nach Gott voraussetzen kann, muss hier nicht entschieden werden. Ich bin allerdings skeptisch, ob man bei einer zunehmend säkularer werdenden Gesellschaft vorhandene Lebenssehnsüchte und Fragen nach dem Sinn des Lebens mit der Frage nach Gott identifizieren kann – es könnte auch eine Vereinnahmung von gerade nicht nach Gott fragenden Menschen sein. Der Religionsunterricht als solcher ist aber ein Setting, in dem das Thema „Gott“ unausweichlich ist – und das weiß jeder und jede.

Je nach theologischer Position kann nun vermutet werden, dass allein von der vorhandenen menschlichen Frage auszugehen ist, weil sonst kein Existenzbezug vorhanden sei – oder allein von der allen Menschen gegenüberstehenden fremden uns nur durch Offenbarung zuteilwerdenden Wahrheit. Deutlich wird jedenfalls, dass ein wesentliches Unterrichtsziel darin bestehen muss, die biblischen Aussagen über Gott gerade als fremde und nicht zu vereinnahmende Texte zu hören. Sie erzählen uns Geschichten und die eine Geschichte Gottes mit der Welt und fordern uns heraus, in ein Gespräch mit der biblischen Überlieferung einzutreten.

In der Primarstufe werden es vornehmlich biblische Geschichten sein, wie es die Lehrpläne der verschiedenen Bundesländer empfehlen. Dabei ist es wichtig, sie auch als Geschichten von Gott zu verstehen. Denn die Geschichten der Erzväter oder um Mose herum sind nicht allein beeindruckende und Mut machende Geschichten, in denen menschliche Tugenden und Schwächen zu sehen sind. In der Konkretheit der Erzählungen ist sogar ein „Überschuss“[11] des ATs zu sehen. Aber es sind in dieser Konkretheit immer auch Geschichten von Gott. Wenn man sie als solche wahrnimmt und d.h. sie auch als Teil der einen Bibel liest, kann es nicht darum gehen, dieses Reden von Gott auf einen Begriff zu bringen oder möglicherweise sogar eine Moral zu entdecken. SuS werden wie bei jeder guten Erzählung Identifikationsvorstellungen entwickeln. Wenn es im Unterricht gelingt, dass Kinder eine Geschichte als Geschichte von Gott wahrnehmen und |117|dann ihre ureigenen und auch ihre reflexiv entwickelten Fragen an den in der Geschichte bekannten Gott artikulieren, dann wird die Frage nach Gott und d.h. die konkrete Frage nach dem und an den dreieinen Gott immer konkreter und das heißt: immer verwobener mit dem Leben der SuS.

Auch in der Sek I ist „Gott“ immer wieder Thema. Aus Sicht der Bibel kann es immer nur darum gehen, dass dieses spezifische Zeugnis von Gott seine unverwechselbare Stimme einbringen kann. Wenn im Unterricht vor allem religionswissenschaftlich vorgegangen wird, dann geschieht schnell eine Perspektivenverschiebung: Dann geht es nicht mehr darum, was die Bibel von Gott sagt, sondern wie dieser Glaube möglicherweise entstanden ist. Religionsunterricht darf aber nicht dazu verkommen, allein eine angeblich neutrale religionswissenschaftliche Haltung zu vermitteln. Eine Theologie der Religionen, in der über allen vorhandenen Religionen der eine Gott stehe, verkennt das Zeugnis der Bibel (und vereinnahmt gleichzeitig die anderen Religionen und auch den christlichen Glauben). Es ist deshalb immer anzuraten, die biblischen Stimmen als Herausforderung zu hören – und damit immer auch als Infragestellung der immer wieder vorhandenen und von allen (!) mitgebrachten Gottesbilder.

In der Sek II gibt es Oberstufenkurse, die sich allein dem Thema „Gott“ widmen. Die mir vorhandenen neuesten von P. Kliemann/A. Reinert[12] und B. Husmann/M. Hülsmann[13] zeigen beide einen großen Reichtum an Texten und Vorstellungen und helfen den Unterrichtenden, mit gutem Material und hilfreichen Hintergrundinformationen den Unterricht differenziert und reich gestalten zu können. Es fällt aber auf, dass Husmann/Hülsmann deutlich stärker die biblischen Gottesaussagen konzeptionell ins Gespräch bringen oder anders gesagt: Bei Husmann/Hülsmann ist der Ausgangspunkt das biblische Zeugnis, das dann ins Gespräch mit der Gegenwart gebracht wird, bei Kliemann/Reinert, die deutlich mehr Material liefern, sind es grundlegende Aspekte der Gottesthematik, in die dann biblische Stimmen einbezogen werden.

Im Religionsunterricht treffen das vielstimmige biblische Zeugnis von Gott und die Situation der Schüler mit ihren gegenwartsbezogenen Fragen aufeinander. Das macht den Unterricht so herausfordernd, weil es ja um beides geht: Um die Fragen der Schüler nach Gott und um die Frage Gottes an den Menschen.

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