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|125|Der Turmbau zu Babel

Christina Kalloch

Die biblische Erzählung Gen 11,1–9Gen 11,10096>9 begegnet noch im sprichwörtlichen „babylonischen Sprachengewirr“, das für die Vielfalt der Sprachen und deren Sprecher steht, die einander nicht verstehen. Manchem steht auch das Bild von P. Brueghel d.Ä. (1563) vor Augen, das eine betriebsame Großbaustelle zeigt, auf der unübersehbar ein schiefer Turm heranwächst. Es hat in zahllosen Babel-Türmen eine eigene Wirkungsgeschichte entfaltet.

Struktur, Motive und Intentionen

Gen 11,1–9 ist erzählerischer Abschluss der sogenannten nicht-priesterlichen Urgeschichte und schildert das Geschehen in vier Szenen: Der Exposition (1f.) folgt die Selbstaufforderung Babylons, eine Stadt und einen bis in den Himmel ragenden Turm zu bauen, mit dem Ziel, sich einen Namen zu machen und sich nicht zu zerstreuen (3–4). Die folgenden Verse beschreiben die Reaktion Gottes, die schließlich zur Vereitelung des Vorhabens führt (5–8). Die Erzählung endet mit der Namensdeutung der Stadt Babel (9). Die Anordnung der Verse zeigt eine bewusste nachträgliche Verbindung beider Motive, so dass die Zerstreuung der Menschen über die Erde als Folge der Sprachverwirrung erscheint. Liest man die Turmbaugeschichte als Ätiologie, so gibt sie Antwort auf die Frage, warum etwas – Sprachenvielfalt und Zerstreuung der Menschen – so ist, wie es vorgefunden wird. Diese ätiologische Lesart legt sich aufgrund der Stellung des Textes als Schlusserzählung der biblischen Urgeschichte nahe und hat sich auch in dessen Auslegungsgeschichte niedergeschlagen.[1] Aus dieser Perspektive gestalten sich die Erzählungen vom Anfang als eine Geschichte menschlicher Verfehlungen sowie göttlichen Strafens und zugleich gnädigen Bewahrens.[2] Über die mythologisch-urgeschichtliche Zeitlosigkeit führt jedoch die Lokalisierung des Geschehens in Babylon hinaus, welche den Bezug zu geschichtlichen Erfahrungen Israels mit den mesopotamischen Großreichen herstellt, die zur Machtausübung Sprache und Kultur uniformierten. In dieser Hinsicht kann Gen 11,1–9 auch als Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen dieser Zeit und als Klärung des Standorts und des Selbstverständnisses Israels innerhalb der Völkerwelt gedeutet werden.[3]

|126|Theologische Grundzüge und religionspädagogische Herausforderungen

Auch wenn die Geschichte Gottes mit den Menschen in Gen 11,1–9 mit Entfremdung endet, steht nicht die menschliche Sünde der Hybris im Mittelpunkt. Kritisiert wird der mangelnde Wille, sich über die Erde auszubreiten, was als Verweigerung des Befehls Gottes aus Gen 1,28Gen 1,28 zu deuten ist, und auch das Ansinnen, sich „einen Namen machen zu wollen“, erfährt innerbiblische Kritik. Denn in Gen 12,2Gen 12,2 ist es Jahwe, der Abraham einen großen Namen verheißt, und im babylonischen Exil beginnt Jahwe, seinem Volk inmitten aller Völker einen Namen zu machen (Zef 3,19f.).[4] Beide führenden Motive lassen sich vor diesem Hintergrund als Auflehnung der Menschen gegenüber Gott und als Missachtung ihrer Grenzen als seine Geschöpfe interpretieren.[5] Diese Beweggründe werden aber zumindest nachvollziehbar, wenn „Zerstreuung“ und „sich einen Namen machen“ für berechtigte Sorge vor Untergang bzw. Erhalt von Identität stehen.[6] Eine weitere Dimension der Erzählung liegt in ihrem befreienden Potenzial, wenn sie in der Konfrontation mit Fremdherrschaft und Unterdrückung als Ermutigung erfahren wird, auf einen Gott zu vertrauen, der Machtkonzentration und Monopolisierung nicht will. Nicht zuletzt sollte der Text auch von Gen 12 her gelesen werden. In den Verheißungen an Abraham zeigt sich der Heilswille Gottes, der sich einem einzelnen Menschen offenbart und mit der Zusage verbunden ist – über die Grenzen des Bundesvolkes hinaus –, Heil zu stiften für alle Völker (Gen 12,1–3Gen 12,10096>3). Wenn urzeitliche Erzählungen auf die Endzeit verweisen, impliziert die Erzählung vom Turmbau, dass am Ende der Zeit durch Gott auch die Trennung der Völker und ihre mangelnde Fähigkeit zur Verständigung behoben sein werden. In Apg 2Apg 2 wird dies bereits antizipiert, wenn im Bekenntnis zum selben Gott schon in dieser Welt die Gemeinsamkeit gefunden wird, „die Sprache nicht mehr als Trennung erleben lässt“.[7]

Zugänge

Die Erzählung bietet aufgrund ihrer Komplexität und symbolischen Dichte vielfältige Erschließungsmöglichkeiten. Zentrale Zugänge eröffnen sich in einer ästhetisch-symbolhermeneutischen Aneignung des Textes, die in besonderer Weise auf das Gottes- und Menschenbild fokussiert.

Das Bild vom Menschen

Die Turmbauerzählung führt Menschen vor Augen, die sich „einmauern“, „hoch hinaus wollen“ und sogar versuchen, den „Himmel zu stürmen“. Liegt |127|in diesem Handeln letztlich auch die Bedrohung der Menschen, die Grenzen überschreiten und ihr Heil in Allwissenheit und Allmachtstreben suchen?[8] Inwieweit sich diese Sichtweise durch die Kritik einer „fehllaufenden Kulturentwicklung“[9]Gen 11,10096>9 aktualisieren lässt, kann an den Babel-Türmen, die Menschen heute in die Welt setzen, diskutiert werden.[10] Die Geschichte schildert zudem Menschen, die sich nicht verstehen. Die negative Erfahrung, nicht mehr dieselbe Sprache zu sprechen, lässt sich jedoch auch kontrastieren mit der Erfahrung von Sprachenvielfalt als Symbol kultureller Verschiedenheit, die nicht zum Hinderungsgrund von Verständigung werden muss. Von hier zieht sich der Bogen zum Pfingstereignis, von dem in Apg 2,8Apg 2,8 erzählt wird, dass jeder die Botschaft der Apostel in seiner Muttersprache hörte.

Das Bild von Gott

Das anthropomorph gestaltete Gottesbild in Gen 11,1–9 irritiert. So charakterisiert der Text Jahwe als einen Gott, der vom Streben seiner Geschöpfe überrascht wird und sich gar in seiner Göttlichkeit bedroht sieht.[11] Sein Verhalten ähnelt damit dem der kritisierten Großkönige.[12] Auch für das Motiv des vorbeugenden Handelns Gottes, das Schlimmeres für die Menschen verhindern will, lassen sich keine überzeugenden Anhaltspunkte finden. So schließt die Urgeschichte mit dem Eindruck, dass nicht nur die Menschen, sondern auch Gott und die Menschheit getrennte Wege gehen. In diesem Zusammenhang kann erörtert werden, ob das dunkle Gottesbild nicht am Ende die Theodizee-Frage aufwirft: Wie kommt es angesichts Gottes guter Schöpfung zu Verwerfungen, Scheitern und der Erfahrung von Gottesferne? Dass Gott dennoch in Treue zu seiner Schöpfung steht, erschließt sich im Kontext der folgenden Abraham-Geschichte und der des Volkes Israel, die Gott – allen Erfahrungen scheinbar zum Trotz – als den die Menschen Begleitenden und zum Heil Führenden verheißen.

|128|Leseempfehlungen

Baumgart, Norbert Clemens, Art. Turmbauerzählung (2006). In: www.wibilex.de; Zugriff am 01.10.2012.

Peter, Dietmar, Der Turmbau zu Babel. Unterrichtsideen zu den Themen „Befreiung“ und „Verstehen“ im Religionsunterricht der Sekundarstufe I. www.rpi-loccum.de/sek1_peter.html; Zugriff am 01.10.2012.

Schüle, Andreas, Die Urgeschichte (Gen 1–11). ZBK.AT 1/1. Zürich 2009.

Themenheft „Turmbau zu Babel“. KatBl 127 (2002).

Themenheft „Türme: Näher zu Gott?“. Grundschule Religion 51 (2015).

Westermann, Claus, Genesis. 1–11. BKAT 1/1. Neukirchen-Vluyn 31983.

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