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Erwählung und Bund

Georg Plasger

Erwählung Israels

„Der Gedanke der Erwählung Israels kann als ein Leitmotiv der hebräischen Bibel angesehen werden, das sich durch alle Teile des ATs hindurchzieht, vom Pentateuch bis zu den letzten Propheten. Diese Erwählung geht auf die Väter, insbesondere auf Abraham und Jakob zurück“.[1] Mit diesem grundlegenden und steilen Satz beginnt Schalom Ben-Chorin seine Abhandlung und macht damit sofort auf eine theologisch wie politisch brisante Sache aufmerksam. Denn theologisch ist deutlich, dass das AT durchgehend von der einseitigen Erwählung Israels durch Gott ausgeht und dass diese Erwählung keinen Grund in einer bemerkenswerten Qualität Israels hat, sondern allein auf Grund göttlicher Initiative existiert. Das Bewusstsein dieser Erwählung prägt das Judentum und eben auch den Staat Israel bis heute. Letzteres trägt nicht wenig auch zu politischen Konflikten und zu einer kompromisslosen Haltung mancher Juden bei z.B. im Blick auf die Palästinenserfrage, jedenfalls dann, wenn man die Auserwählung auch auf das Land bezieht. Leicht kann in der Wahrnehmung dieser Situation die Erwählung eher als theologisches Problem wahrgenommen werden.

Was aber heißt eigentlich „Erwählung“? Ist es lediglich eine besondere Auszeichnung, die jemanden von Anderen abhebt? „Sinn und Ziel der Erwählung kulminieren in dem kategorischen Imperativ Israels: ‚Ihr sollt mir sein ein |129|priesterliches Reich und heilig Volk‘ (Ex 19,6Ex 19,6)“.[2] Damit ist deutlich, dass die Erwählung Israels eine Verpflichtung darstellt, dem Willen Gottes entsprechend zu leben – die zehn Gebote sind Ausdruck dieser besonderen Beziehung Gottes zu seinem Volk. Sie beginnen im ersten Gebot mit dem Hinweis, dass Gott selbst Israel aus Ägypten befreit hat und Israel deshalb dazu aufgefordert wird, der Befreiung entsprechend zu leben. Nicht Israel wählt Gott, sondern Gott wählt Israel.

Die Erwählung der Kirche und der Christen

Ist die Rede von der Auserwählung denn nur eine alttestamentliche Erkenntnis und nur gültig für das Volk Israel? Nein, denn auch im NT vollzieht sich die gleiche Struktur: Jesus erwählt seine Jünger (und man hat nicht den Eindruck, sie hätten wirklich eine Wahl gehabt, ohne dass von einem Zwang die Rede wäre). Im 1. Korintherbrief formuliert Paulus: „Schaut doch auf eure Berufung, liebe Brüder und Schwestern: Da sind in den Augen der Welt nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme. Im Gegenteil: Das Törichte dieser Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen, und das Schwache dieser Welt hat Gott erwählt, um das Starke zu beschämen, und das Geringe dieser Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts gilt, um zunichte zu machen, was etwas gilt, damit kein Mensch sich rühme vor Gott“ (1 Kor 1,26–291 Kor 1,26–29; Zürcher Bibel). Die Kirche wird im NT zunächst Leib Christi, später dann immer deutlicher „Ekklesia“ genannt (griech. ekklēsia bedeutet „die Herausgerufene“). Die Kirche macht sich nicht selber zu dem, was sie ist. Die Erwählung ist nun kein Gedanke, der sich allein auf die Gemeinschaft bezieht, denn auch der Glaube ist keine freie Wahl des Menschen, sondern Folge des göttlichen Erwählens. Aus dieser grundlegenden biblischen Erkenntnis hat die Reformation den problematischen Gedanken der doppelten Prädestination entwickelt (am stärksten bei Calvin; aber der Gedanke findet sich auch bei Luther): Die einen erwählt Gott, die anderen verwirft er. Diese Vorstellung aber macht aus Gott einen Willkürgott – so argumentiert die Bibel nicht. Gott erwählt – zum Leben in der Gemeinschaft mit ihm. Und das heißt sowohl für die Kirche als auch für die einzelnen Glaubenden: Sie sind von Gott erwählt, um in ihrem Leben der Erwählung Gottes zu entsprechen.

Der ungleiche und ewig gültige Bund zwischen Gott und den Menschen

Im AT (vor allem im deuteronomistischen Geschichtswerk) wird diese Erwählung nicht selten mit dem Begriff des Bundes (hebr. berῑt) ausgedrückt. Gott schließt mit Noach (Gen 6,18Gen 6,18; 9,8–17Gen 9,8–17), Abraham (Gen 15,18Gen 15,18), am Sinai (Ex 19,5.Ex 19,524) und mit David (2 Sam 7,142 Sam 7,14) einen Bund. „Bund“ drückt vor allem zweierlei |130|aus: Die Bundesverpflichtung Israels und die Treue Gottes. Beide Vertragspartner haben sich an den zwischen beiden geschlossenen Bund zu halten. Im Buch Hosea wird deutlich, dass die Besonderheit dieses Bundes darin besteht, dass Gott den Bund hält, auch wenn Israel ihn bricht – der Bund ist die Selbstverpflichtung Gottes zur Treue gegenüber Israel. Auch im NT ist der Begriff des Bundes (griech. diathēke), vor allem bei Paulus und im Hebräerbrief, theologisch relevant. Der im Sühnetod Jesu Christi zu erkennende „Neue Bund“ überbietet den „Alten Bund“ mit Israel: Ewige Gottesgemeinschaft ist den Christen verheißen (so im Gal und im Hebr). Das Abendmahl wird „der neue Bund in meinem Blut“ (Lk 22,20Lk 22,20) genannt und ist die Feier der Gottesgemeinschaft schon hier auf Erden. Aber was ist dann mit dem Volk des „Alten Bundes“? Paulus ringt, v.a. in Röm 9–11Röm 9–11, um diese Frage: Ist der „Neue Bund“ als Ablösung des „Alten Bundes“ zu verstehen – und ist dann das nicht an Jesus Christus glaubende Israel verworfen? Grundlegend ist für Paulus, dass Gott seine Verheißung nicht aufgibt – Israel bleibt also Gottes erwähltes Volk. Und auch wenn Paulus zwei Bundesschlüsse einander gegenüberstellt, so handelt es sich doch um den einen Bund Gottes – und am Ende werden letztlich die Menschen trotz ihres Ungehorsams gerettet werden: „Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen“ (Röm 11,32Röm 11,32).

Erwählung – ein Thema für den Religionsunterricht?

Die biblischen Grundaussagen der Erwählung und des Bundes sind keine eigenständigen Themen in den Lehrplänen. Gleichwohl schwingen sie an vielen Stellen mit: Schon wenn es in der Grundschule um Noach, Abraham und Mose geht, später zur Frage der besonderen Rolle Israels und auch bei der Wahrnehmung des gegenwärtigen Israel-Palästina-Konfliktes oder wenn thematisiert wird, wie denn Glaube entsteht und wie Gottes „Zuspruch und Anspruch“ (Barmer Theologische Erklärung, These 2) miteinander zusammenhängen. Wenn – am ehesten wohl in der Oberstufe – das Thema Hirnforschung und der dort bestrittene freie Wille des Menschen zur Diskussion steht. Und nicht zuletzt steht immer wieder die Schüler beschäftigende Grundfrage nach der menschlichen Verantwortung im Vordergrund – schließlich fragt schon der Heidelberger Katechismus: „Macht aber diese Lehre [nämlich die von der geschenkten Rechtfertigung] die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos“?[3] Angesichts der biblisch zentralen Rede von der einseitigen Erwählung müssen diese Fragen kommen – und hoffentlich bleibt auch hier die Bibel ein sperriges Gegenüber, das zur Reibung einlädt.

|131|Leseempfehlungen

Ben-Chorin, Schalom, Die Erwählung Israels. Ein theologisch-politischer Traktat. München/Zürich 1993.

Grünwaldt, Klaus, Gott und sein Volk. Die Theologie der Bibel. Darmstadt 2006.

Koch, Christoph, Vertrag, Treueid und Bund. Studien zur Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Deuteronomium und zur Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament. BZAW 383. Berlin 2008.

Krahe, Susanne, Die Letzten werden die Ersten sein. Das Umkehrungsprinzip in der Bibel. Würzburg 1997.

Religionsunterricht in Israels Gegenwart. Kriterien und Reflexionen, hg. vom Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn und von der Gymnasialpädagogischen Materialstelle Erlangen (www.rpz-heilsbronn.de/fileadmin/user_upload/daten/ service/ru_in_israels_gegenwart.pdf; Zugriff am 16.10.2012).

Wilk, Florian/Wagner, J. Ross (Hg., unter Mitarbeit von Frank Schleritt), Between Gospel and Election. Explorations in the Interpretation of Romans 9–11. WUNT 257. Tübingen 2010.

Willems, Lydia, Die Berufung des Levi und das Mahl mit den Sündern. Werkstatt RU 6. Trier 1998.

Zeindler, Matthias, Erwählung – Gottes Weg in der Welt. Zürich 1998.

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