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Zum Dekalog im biblischen Kontext

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Die beiden alttestamentlichen Überlieferungen des Dekalogs unterscheiden sich in ihren Kontexten, in Details des Wortlautes und in einigen theologischen Pointen – etwa in der Begründung des Sabbatgebots aus Schöpfung (Ex 20,11) oder Exodus (Dtn 5,15Dtn 5,15).[4] Anzahl und Reihenfolge der Gebote sind innerbiblisch gleich.

In Ex 20 ist der Dekalog in einen Erzählzusammenhang eingebettet: Nach dem eigentlichen Auszug aus Ägypten treffen die Israeliten in Ex 19,1 am Berg Sinai ein. Bei allem, was dort geschieht, wird Mose als der einzige Zeuge von Gottes Theophanie und einzig autorisierter Mittler der Worte Gottes beschrieben. Ex 20,2–17 ist – ebenso wie das sog. Bundesbuch (Ex 20,22–23,33Ex 20,220096>23,33) – in diese Erzählung eingefügt, ohne dass sein Text dicht mit dem Kontext verwoben wäre. Der Dekalog wird demnach mündlich mitgeteilt; erst Ex 24,4 und erneut 34,28Ex 34,28 ist von einer Niederschrift auf steinernen Tafeln durch Mose – nach Ex 31,18 und 32,15 f.Ex 32,15f. durch Gott selbst – die Rede.

Dtn 5 ist demgegenüber weniger erzählend angelegt. Demnach befinden sich die Israeliten bereits im Land östlich des Jordans. Hier wiederholt Mose, was Gott ihnen durch ihn bereits am Horeb (= Sinai) gesagt und auf zwei steinerne Tafeln geschrieben hatte (V. 5Dtn 5,5 und V. 22Dtn 5,22). In Dtn 6–9Dtn 60096>9 folgen weitere Weisungen; Dtn 10,1–5Dtn 10,10096>5 berichtet, dass Mose auf Geheiß Gottes erneut steinerne Tafeln |133|anfertigt, auf die Gott genau „die Worte [schreibt], die schon auf den ersten [Tafeln] waren“.

Ungeachtet der unterschiedlichen Kontexte ist es für beide Dekalog-Fassungen charakteristisch, dass Mose es ist, der sie mitteilt, dass aber zugleich Gott selbst sie mit einer Selbstvorstellung, Erinnerung und Anrede eröffnet. Im Dekalog wendet sich Gott persönlich („Ich bin JHWH“) an die Israeliten („Dich“); er weist sich aus als der, der sie zuvor aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat (Ex 20,2Ex 20,2; Dtn 5,6Dtn 5,6). Mit dieser Präambel sind entscheidende Vorzeichen gesetzt. Erstens: Die Zehn Worte sind keine allgemeine Weisung für alle Welt, sondern haben ihren originären Platz in der Zwiesprache zwischen Gott und „ganz Israel“ (Dtn 5,1Dtn 5,1), de facto also ursprünglich wohl den männlichen, kultfähigen Israeliten. Zweitens: Indem Gott sich als der vorstellt, den man nicht sehen kann (und von dem man sich kein Bild machen soll), erweist er sich als frei und souverän; als solcher befreit er auch die Israeliten und stiftet einen „Bund“ (Ex 19,5Ex 19,5) – der Gott des Dekalogs ist demnach kein Herrscher, der eine irdische Hierarchie legitimiert und stabilisiert, er ist ein freier Befreier. Drittens: Bevor Gott Weisungen gibt, hat er den Israeliten bereits Gutes getan: Er hat sie befreit. Es handelt sich also um Regeln, die helfen sollen mit geschenkter Freiheit umzugehen – der Dekalog ist nicht „die Summe […] einer alttestamentlichen […] Ethik“.[5] Viertens: So unverwechselbar und persönlich Gott sich vorstellt, so wichtig ist ihm, dass Israel ihn fortan nicht verwechselt – weder mit anderen Göttern noch mit Bildnissen – und dass Israel sich nicht willentlich von ihm abwendet – weder durch Verehrung anderer Götter noch durch missbräuchliche Inanspruchnahme seines Namens. Fünftens: Gott ist ein bestimmter Gott, aber er verlangt im Dekalog keine bestimmte Form des Gottesdienstes. Vielmehr finden sich lediglich (die) vier (soeben genannten) Kultverbote und dann sechs im menschlichen Zusammenleben zu bewährende Ge- und Verbote, die jeder einzelne (!) Israelit befolgen sollte. Der Dekalog ist kein Kult-, aber auch kein Sozialgesetz, sondern „ein Minimalkatalog der Grenzen, deren Überschreitung die bestehende Beziehung [zu Gott] aufheben würde“.[6]

Im Vergleich zu anderen altorientalischen Gesetzestexten sind es nicht die ethischen Gebote, sondern das Monolatrie-Gebot, das Idolatrie-Verbot sowie die Gebote der Namens- und Sabbatheiligung, die als „differentia specifica“ des Dekalogs gelten können.[7]

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