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1.3 Moderne Klassifikation und Nosologie in DSM-IV, DSM-5 und ICD-10 und ICD-11

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Das Asperger-Syndrom wurde 1992 in die Klassifikation psychischer Störungen der World Health Organisation (ICD-10) und 1994 in das DSM-IV der American Psychiatric Association aufgenommen. Beide fassen das Asperger-Syndrom gemeinsam mit anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen zusammen (WHO 1991).

Der Begriff Entwicklungsstörung ist über folgende drei Kriterien definiert:

1. Der Beginn der Symptomatik liegt ausnahmslos im Kleinkindalter oder der Kindheit.

2. Es ist eine Einschränkung oder Verzögerung in der Entwicklung von Funktionen zu beobachten, die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems verbunden sind.

3. Man beobachtet einen stetigen Verlauf, d.h. die für viele andere psychische Störungen typischen Remissionen, Fluktuationen oder Rezidive sind nicht zu beobachten.

Neben den umschriebenen (z.B. Artikulationsstörung, expressive Sprachstörung, erworbene Aphasie, Lese- Rechtschreibstörung etc.) und den kombinierten Entwicklungsstörungen sind im Kapitel F8 des ICD-10 die verschiedenen autistischen Syndrome als tief greifende Entwicklungsstörungen aufgelistet. Dabei werden tiefgreifende Entwicklungsstörungen durch folgende spezifische Symptomatik von den anderen Entwicklungsstörungen abgegrenzt (WHO 1991, S. 264):

Bei tief greifenden Entwicklungsstörungen, handelt es sich um eine „Gruppe von Störungen, die durch qualitative Beeinträchtigungen in gegenseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern sowie durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten charakterisiert [...] [ist]. Diese qualitativen Abweichungen sind in allen Situationen ein grundlegendes Funktionsmerkmal der betroffenen Personen, variieren jedoch im Ausprägungsgrad. In den meisten Fällen besteht von frühester Kindheit an eine auffällige Entwicklung. Mit nur wenigen Ausnahmen sind die Störungen seit den ersten fünf Lebensjahren manifest. Meist besteht eine gewisse allgemeine kognitive Beeinträchtigung, die Störungen sind jedoch durch das Verhalten definiert, das nicht dem Intelligenzalter des Individuums entspricht (sei dieses nun altersentsprechend oder nicht). Er herrscht eine gewisse Uneinigkeit über die Unterteilung der Gesamtgruppe ‚Tiefgreifende Entwicklungsstörung‘“.

Es erscheint wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Zusammenfassung der klinischen Bilder in einem Kapitel auch nach Auffassung der Autoren des ICD-10 nicht bedeutet, dass diese eine einheitliche Ursächlichkeit der entsprechenden Symptome und Syndrome beinhaltet. Ganz im Gegenteil weisen sie ganz explizit darauf hin, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen und zum Teil erkannten Ursachen für umschriebene und tiefgreifende Entwicklungsstörungen.

Im Kapitel 84 des ICD-10 werden dann sechs Formen der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen aufgelistet und beschrieben, von denen drei (frühkindlicher Autismus F84.0, atypischer Autismus F84.1, Asperger-Syndrom F84.5) bei der Differenzialdiagnose hochfunktional-autistischer Syndrome von besonderer Bedeutung sind. Entsprechende Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Bei den übrigen drei Formen tiefgreifender Entwicklungsstörungen handelt es sich um das Rett-Syndrom, die desintegrative Störung des Kindesalters und die hyperkinetische Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien. Letztere spielt insbesondere im Kontext hochfunktional-autistischer Syndrome keine wesentliche Rolle. Dennoch sind der Vollständigkeit halber die klinischen Charakteristika dieser drei klinischen Bilder in Tabelle 2 kurz zusammengefasst.

Tab. 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von frühkindlichem Autismus, atypischem Autismus und Asperger-Syndrom

frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom) atypischer Autismus Asperger-Syndrom
Erstmanifestationsalter < 3 Jahre > 3 Jahre > 3 Jahre
Geschlechtsverhältnis (m:w) 3:1 3:1 8:1
Kernsymptome qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation repetitive, stereotype und zwangsartige Verhaltensweisen Sprach​entwicklungs​verzögerung kein symbolisches Spiel häufig beeinträchtigte aber stabile kognitive Funktionen unvollständige Symptomatik häufig geistige Behinderung qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation repetitive, stereotype und zwangsartige Verhaltensweisen und Interessen

Tab. 2 Kurzcharakterisierung anderer tiefgreifender Entwicklungsstörungen, die mit autistischen Syndromen einhergehen

ICD-10 NameKurzbeschreibungAnmerkung
Rett-Syndrom F84.2auf wahrscheinlich weitgehend unauffällige frühe Entwicklung folgt meist zwischen 7 und 24 Monaten eine autistische Entwicklung (autistische Regression) und ein Verlust erworbener Fähigkeiten im Gebrauch von Händen und Sprache, Handstereotypien, häufig Rumpfataxie, Apraxie, epileptische Anfälle; gelegentlich gewisse Erholung neurokognitiver Funktionen im VerlaufX-chromosomal-dominante Erkrankung, Mutation des MECP2-Gens auf dem X-Chromosom, tritt nur bei Mädchen auf
Andere desintegrative Störung des Kindesalters F84.3 (synonym: Heller Syndrom, kindliche Demenz)gesicherte normale Entwicklung bis ins 3. Lebensjahr, dann Verlust erworbener neurokognitiver und motorischer Fähigkeit, Entwicklung affektiver Symptome (Angst, Agitiertheit) und eines autistischen Syndroms im Sinne einer autistischen Regressiongelegentlich klare neurologische Ursachen wie Enzephalitis, Enzephalopathie erkennbar, meist bleibt die konkrete Ursache unklar
Hyperkinetische Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien F84.4Kombination aus mittelgradiger bis schwerer Intelligenzminderung, entwicklungsbezogen unangemessen schwere Hyperaktivität und motorische Stereotypienschlecht definierte Störung, unklarer nosologischer Status
Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter

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