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1.4.2 Autismus-Spektrum-Störungen nach ICD-11

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Ab Januar 2022 wird international die aktuell noch gültige ICD-10 durch die ICD-11 abgelöst werden. Dabei ergeben sich auch für das Fachgebiet der Psychiatrie einige Neuerungen (First et al. 2021). Im Hinblick auf das Autismus-Thema folgt die ICD-11 dabei weitgehend den Grundentscheidungen des DSM-5. Wie dort werden die großen Störungsbilder der Autismus-Spektrum-Störungen, der ADHS, der Tic-Störungen und Intelligenzminderungen aus verschiedenen Kapiteln der ICD-10 nun zum ersten Kapitel der Störungen der „neurodevelopmental disorders“ zusammengefasst. Auch hier werden die Unterscheidungen des ICD-10 in frühkindlichen Autismus, atypischen Autismus und des Asperger-Syndroms zugunsten des dimensionaleren Begriffs der Autismus-Spektrum-Störungen fallengelassen. Bei der konkreten Ausformulierung der diagnostischen Algorithmen ist die ICD-11 aber weniger streng als das DSM-5. So werden bei letzterem etwa für die Erfüllung des A-Kriteriums alle der folgenden Symptome A.1–3 gefordert (s. Tab. 3), während die ICD-11 weniger scharf operationalisiert in Form der diagnostischen Vorschrift „Manifestationen können folgende Symptome beinhalten“ („manifestations may include the following“), wobei eine Liste mit verschiedenen Symptomen folgt (vgl. First et al. 2021).

Tab. 5 Kriterien der „social communication disorder“ modifiziert nach DSM-5 (APA 2013, 2015)

A. Andauernde Schwierigkeiten im sozialen Gebrauch verbaler und nonverbaler Kommunikation, die sich in allen folgenden Merkmalen zeigen:
1. Defizite im Gebrauch von Kommunikation für soziale Zwecke, beispielsweise beim Grüßen oder beim Austauschen von Informationen in einer dem sozialen Kontext angemessenen Weise.
2. Beeinträchtigung der Fähigkeit, den Kommunikationsstil an den Kontext oder die Bedürfnisse des Zuhörers anzupassen, beispielsweise in unterschiedlicher Weise im Klassenzimmer oder auf dem Spielplatz zu sprechen, anders mit einem Kind als mit einem Erwachsenen zu reden oder die Anwendung übermäßig formaler Sprache zu vermeiden.
3. Schwierigkeiten, Regeln für Konversationen und beim Erzählen zu beachten, beispielsweise den Gesprächspartner bei Unterhaltungen auch zu Wort kommen zu lassen, bei Missverständnissen eine andere Formulierung zu wählen oder verbale und nonverbale Signale zur Regulation von Interaktionen einzusetzen.
4. Schwierigkeiten im Verständnis von nichtexpliziten Botschaften (z.B. Schlussfolgerungen zu ziehen) und von nicht wörtlicher oder mehrdeutiger Sprache (z.B. bei Redewendungen, Humor, Metaphern, mehrdeutigen Begriffen, deren Bedeutung vom Kontext abhängt).
B. Diese Schwierigkeiten führen zu funktionellen Beeinträchtigungen in der effektiven Kommunikation, bei der sozialen Teilhabe, in sozialen Beziehungen, in der schulischen oder beruflichen Leistungsfähigkeit (einzeln oder in jeglicher Kombination).
C. Der Beginn der Störung liegt in der frühen Entwicklungsphase (Schwierigkeiten können sich aber erst voll manifestieren, wenn die Anforderungen an die soziale Kommunikation die begrenzten Fähigkeiten überschreiten).
D. Die Symptome können nicht auf einen anderen medizinischen oder neurologischen Krankheitsfaktor oder auf zu gering ausgeprägte Fähigkeiten in der Wortbildung und der Grammatik zurückgeführt werden. Sie können nicht besser durch eine Autismus-Spektrum-Störung, eine intellektuelle Beeinträchtigung (Intellektuelle Entwicklungsstörung), eine allgemeine Entwicklungsverzögerung oder eine andere psychische Störung erklärt werden.

Beim B-Kriterium dominieren bei der Auflistung beispielhafter Symptome im DSM-5 solche, die bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen und gleichzeitiger intellektueller Beeinträchtigung häufig gesehen werden (z.B. stereotypier, repetitiver Gebrauch von Objekten, exzessives Beriechen oder Berühren von Objekten, Echolalie), während im ICD-11 auch Symptome aufgelistet werden, die bei autistischen Menschen ohne geistige Behinderung häufig beobachtet werden (First et al. 2021). Während DSM-5 wieder mindestens zwei Symptome aus einer Liste von sieben Beispielen für eine Diagnose verlangt, stellt die ICD-11 eine Liste von sieben Auffälligkeiten nur als Beispiele vor.

Die Kategorie der sozialen (pragmatischen) Kommunikationsstörung wird auch im ICD-11 unter dem Titel der „developmental language disorder plus social (pragmatic) communication disorder“ aufgegriffen. An dieser Stelle sei aber betont, dass zum Zeitpunkt der 3. Auflage dieses Buches noch keine ausführlichen Kommentare und Originaltexte zur ICD-11 vorliegen, sondern nur Sekundärliteratur (First et al. 2021) bzw. die im Internet zugängliche grobe Definitions- und Klassifikationsstuktur (WHO 2021).

Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter

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