Читать книгу Lauter Schall - Jürgen Hellbrück - Страница 6

Ohren zu und durch?

Оглавление

„Ohren zu und durch“ war der Titel eines Essays im Magazin der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2009 (RAETHER, 2009). Wir haben dieser Überschrift ein Fragezeichen hinzugefügt. Der Autor widmete seinen Artikel einem kleinen, einfachen Hilfsmittel, das seit über hundert Jahren auf dem Markt ist und seitdem zum Synonym für Gehörschutz avancierte: „Ohropax“ – eine kleine, mit Wachs getränkte Kugel aus Baumwollwatte. In den Gehörgang eingeschoben, verspricht sie „Frieden für das Ohr“.

Frieden für das Ohr? Befinden wir uns im Krieg mit unserer akustischen Umwelt? Bürgerprotestbewegungen an den Lärmbrennpunkten der Republik, an Flughäfen und Schienentrassen, viele hitzige Diskussionen und auch manch erbitterter Streit zwischen Nachbarn könnten durchaus den Anschein erwecken. Lärm greift uns an, belästigt uns, ärgert uns, macht uns aggressiv. Manchmal auch depressiv, wenn uns die Lage aussichtslos erscheint, wir nicht wissen, was wir gegen Lärm tun sollen und uns hilflos und verzweifelt fühlen. Verzwickt wird die Lage dadurch, dass wir nicht nur unter Lärm leiden, sondern ihn auch verursachen. Aber Letzteres ist uns nur selten bewusst. Lärm, so denken wir, machen die anderen. Wir, die anderen und der Lärm – Lärm wird von Menschen gemacht und richtet sich gegen Menschen. Lärm ist daher auch immer ein sozialer Konflikt.

Dieses Buch ist kein Lehrbuch und auch kein Nachschlagewerk. Es ist ein Sachbuch, das wissenschaftlich fundiert in das Phänomen des Lärms einführt, in seine kulturgeschichtliche Bedeutung, seine akustischen, psychologischen und gesellschaftlichen Grundlagen, und in die vielfältigen Wirkungen des Lärms auf Körper, Geist und Psyche, letztlich auch auf unsere Gesundheit. Lärm ist ein breites Thema, das viele wissenschaftliche Disziplinen berührt. Dieses Buch umfasst viele Aspekte des Lärms, beileibe nicht alle, aber die unserer Meinung nach wichtigsten. Es informiert und problematisiert, und manchmal erzählt es auch nur Geschichten aus der Geschichte des Hörens und des Lärms. Nicht zuletzt möchte das Buch aber auch einen Eindruck vermitteln, wie sich die Wissenschaften um die Erforschung der Lärmwirkungen und wie Umwelt- und Verwaltungsbehörden sich um deren Vermeidung und Kontrolle bemühen.

Wir würden uns freuen, wenn dieses Buch Eingang in Universitäten, Umweltbehörden und arbeitsmedizinische Einrichtungen findet und von Studierenden und Fachleuten aus Akustik, Ingenieurwissenschaften, Medizin, Psychologie und Soziologie gelesen würde. Dieses Buch ist aber auch – und nicht zuletzt – für diejenigen geschrieben, die vom Lärm betroffen sind, und das sind wir letztlich alle. Lärm ist die alltägliche Erfahrung eines jeden von uns, allen vertraut, aber bei näherer Betrachtung überaus vielschichtig. Lärm hat viele Gesichter. Wir laden Sie ein, sie kennenzulernen. Sie benötigen dazu kein großes Vorwissen, alles, was zum Verständnis nötig ist, wird erläutert. Die einzelnen Kapitel können auch für sich gelesen werden, gegebenenfalls mit Hilfe von Verweisen (▸ ) auf das Glossar oder Hinweisen (→) auf erklärende Textstellen in anderen Kapiteln. Dass es vereinzelt auch zu Wiederholungen in den verschiedenen Kapiteln kommen kann, mögen manche, die mit der Sache schon etwas vertraut sind, als unnötig und redundant kritisieren, diejenigen, die sich dem Thema jedoch erstmals nähern, dürften dies jedoch dankbar annehmen.

„Ohren zu und durch“ sollte nicht die Devise unserer Leserinnen und Leser sein. Bedeutete es doch eine Kapitulation vor den Angriffen des Lärms. Auch die kleinen Wachskugeln, so nützlich sie gelegentlich sein mögen, sind keine Dauerlösung. Das Problem verstehen zu lernen und sich Wissen anzueignen, garantiert zwar keine Lösung des Lärmproblems, ist aber eine solide Grundlage dafür.

Zum Schluss: Wir, die wir beide aus dem Fach Psychologie kommen, sind bei anderen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich ebenfalls um Lösungen des Lärmproblems bemühen, nur Zaungäste. Der Blick über die Zäune in die Gärten der Nachbarn ist jedoch für alle notwendig, die an einem interdisziplinären Thema arbeiten. Dieser Blick ist lehrreich, ungemein bereichernd und nötigt so manche Bewunderung ab für die Leistungen der „Nachbarn“. Daher sei zu guter Letzt den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen gedankt, mit denen wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder über Lärm, seine Wirkungen und seine Bekämpfung diskutieren durften. Wir haben viel von Euch gelernt und geben das, was wir gelernt haben, in diesem Buch (hoffentlich richtig) weiter. Bei jenen, die uns geholfen haben, Fehler in dem Buch zu vermeiden und den Text lesbarer zu gestalten, möchten wir uns besonders bedanken.

Auch bei Stud. M.Sc. Psych. Ricarda Schleupner (Eichstätt), die uns bei Korrekturlesen, Manuskriptgestaltung und der mühevollen Erstellung der Register half, bedanken wir uns. Dem Verlag und seiner Lektorin, Frau Diop, schulden wir Dank für Unterstützung und Geduld.

Jürgen Hellbrück (Eichstätt) und Rainer Guski (Bochum)

Juli, 2018

Lauter Schall

Подняться наверх