Читать книгу Gefährliche Verwandtschaft - Karin Feuerstein-Praßer - Страница 36

Intrigen gegen Anne Boleyn

Оглавление

Allmählich sollte sich zeigen, dass Anne Boleyn etwas Entscheidendes übersehen hatte. Gewiegt in der trügerischen Sicherheit, mit Heinrich VIII. einen starken Beschützer zu haben, hatte es die Königin versäumt, loyale Höflinge um sich zu scharen, gleichsam eine „Lobby“ zu bilden. Das sollte sich nun bitter rächen, denn je schwächer Annes Position wurde, weil sie keinen Sohn geboren hatte, desto stärker begannen sich ihre zahlreichen Feinde zu formieren, allen voran die alten Parteigänger Katharinas von Aragon. Der Druck auf die Königin wuchs, und als Anfang 1536 eine weitere Schwangerschaft unglücklich endete, wandte sich auch Heinrich enttäuscht von ihr ab. Wieder musste er sich fragen: Strafte ihn Gott, indem er ihm keinen Sohn schenkte? Vielleicht war diese Ehe ja doch ein Fehler gewesen. Doch wie sollte er sich daraus befreien?

Am 8. Januar 1536 starb Katharina von Aragon an den Folgen einer Krebserkrankung. Unter anderen Umständen wäre Heinrich VIII. nun Witwer gewesen und hätte nach einer angemessenen Trauerzeit tun und lassen können, was er wollte. So aber blieb er an Anne Boleyn gebunden, obwohl er sie schon längst nicht mehr begehrte. Inzwischen nämlich hatte sich der Sechsundvierzigjährige in die Hofdame Jane Seymour (1509 – 1537) verliebt, die sich nach zeitgenössischem Urteil „durch Zurückhaltung und Keuschheit“ auszeichnete. Eigentlich war die ernsthafte und wenig geistreiche Jane ganz und gar nicht Heinrichs „Typ“, doch wie es scheint, übte die Familie Seymour, die am Hof sehr einflussreiche Positionen innehatte, nicht unerheblichen Einfluss auf den König aus. In Janes Adern floss königliches Blut, immerhin konnte sie ihren Stammbaum bis auf Eduard III. zurückführen, und sie erfüllte alle an eine Frau ihrer Klasse gestellten Erwartungen. Anne Boleyn hingegen war eine faszinierende Außenseiterin. Oder besser gesagt, sie war es die längste Zeit gewesen.

Kam er selbst auf die Idee, oder war sie ihm vom Seymour-Clan eingeflüstert worden? Auf jeden Fall fing Heinrich plötzlich an, Anne zu beschuldigen, sie habe ihn seinerzeit verhext, um von ihm geheiratet zu werden, er sei „verführt durch Wahrsagerei und Zauberformeln zu dieser zweiten Ehe gezwungen“ worden.

Während sich Anne Boleyn noch von den Folgen ihrer letzten Fehlgeburt erholte, begannen ihre Feinde am Hof, ein Komplott gegen sie zu schmieden und allerlei Informationen zusammenzutragen, die geeignet waren, auch diese Königin loszuwerden. Im Frühjahr 1536 kochte es mächtig in der Gerüchteküche des englischen Königshofs. War Königin Anne tatsächlich eine Ehebrecherin, wie gemunkelt wurde? Namen mutmaßlicher Liebhaber wurden genannt. Und wie es hieß, soll sie sogar mit ihrem eigenen Bruder ins Bett gegangen sein! Das war Inzest! Personen aus Annes engstem Umfeld wurden verhört, und angeblich reichten die gesammelten Informationen aus, um tatsächlich eine Hochverratsklage gegen Anne Boleyn anzustrengen. Die (fingierten) Beschuldigungen wogen schwer: Ehebruch in fünf Fällen, Inzest mit ihrem Bruder sowie die Beteiligung an einer Verschwörung gegen den König.

Anne war völlig arg- und ahnungslos, als sie wenig später verhaftet und in den Londoner Tower gebracht wurde. Konfrontiert mit den Anschuldigungen, stritt sie alles ab und beschwor ihre Unschuld. Doch wie hätte sie beweisen können, dass man sie zu Unrecht angeklagt hatte? Am 15. Mai 1536 sprach das Gericht das Todesurteil. Zwei Tage später wurden Annes angebliche Liebhaber hingerichtet, die Königin selbst ging am 19. Mai ihren letzten Weg zum Schafott. Heinrich VIII. hatte einmal mehr erreicht, was er wollte. Trotzdem plagte ihn wohl das schlechte Gewissen, denn er hatte eigens einen erfahrenen Henker aus Calais kommen lassen, der über ein scharfes Richtschwert verfügte. Ansonsten war es in England noch immer üblich, die Verurteilten mit der Axt zu enthaupten. Und so war Anne Boleyn zumindest ein schneller Tod vergönnt.

Gefährliche Verwandtschaft

Подняться наверх