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DIE TANZSPRACHE DER HONIGBIENE

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Die in den 1940er Jahren von Karl von Frisch und Martin Lindauer entdeckte Tanzsprache der Honigbiene – vielleicht das differenzierteste unter den bislang dargestellten tierischen Kommunikationssystemen – vermag bei der Informationsübermittlung hingegen Erstaunliches zu leisten. Mit ihrer Hilfe kann eine Sammlerin ihren Stockgenossinnen nicht nur das Vorhandensein einer lohnenden Futterquelle, sondern auch deren Entfernung und Himmelsrichtung präzise mitteilen.

Liegt das entdeckte Nahrungsvorkommen weniger als 80 m vom Stock entfernt, so führt die Biene den sog. Rundtanz auf (Abb. 35 links). Sie trippelt dabei in kleinen Kreisen links und rechts auf der Wabe herum, wobei andere Sammlerinnen mit den Fühlern ihren Hinterleib berühren und ihren Bewegungen folgen. Dieser je nach Ergiebigkeit der Futterquelle wenige Sekunden oder bis zu einer Minute dauernde Tanz veranlasst die alarmierten Bienen, im näheren Umkreis nach dem gemeldeten Nahrungsvorkommen zu suchen. Dabei dienen ihnen der der Kundschafterin anhaftende Blütengeruch sowie Nektar-Geschmacksproben, die diese an die anderen Bienen verteilt, als Anhaltspunkte.

Liegt die Futterquelle in größerer Entfernung, so führt die Entdeckerin den komplizierteren Schwänzeltanz auf (Abb. unten rechts). Die Bewegungsfigur ähnelt dabei einer Acht, wobei die Sammlerin auf der geraden Strecke zwischen den beiden Schleifen heftig mit dem Hinterleib „schwänzelt“, d.h. hin- und herwackelt. Die Länge des Weges bis zu der entdeckten Nahrungsquelle teilt sie ihren Stockgenossinnen durch das Tempo ihres Tanzes mit, das sich bei zunehmender Distanz und Flugdauer immer mehr verlangsamt. Karl von Frischs Bienen tanzten die Achterfigur bei einem 100 m entfernten Ziel beispielsweise in einer Viertelminute zehnmal, bei einem 5 km entfernten Ziel dagegen nur zweimal. Darüber hinaus spielt auch noch ein charakteristischer Schnarrlaut, den die tanzende Biene durch rasche Vibrationen mit ihren Flügeln erzeugt, eine wichtige Rolle bei der Übermittlung der Information.

Die exakte Richtung der Nahrungsquelle teilt die Entdeckerin ihren Artgenossinnen durch die Ausrichtung ihrer Tanzbewegungen mit. Führt sie diese unter freiem Himmel auf dem horizontalen Anflugbrett des Bienenstocks auf, so weist die Bewegungsrichtung bei dem geradlinigen Teil des Schwänzeltanzes direkt auf das Ziel. Tanzt die Sammlerin dagegen, wie es zumeist der Fall ist, im dunklen Inneren des Stocks auf den senkrechten Waben, so gibt sie die Richtung bezogen auf den Sonnenstand an. Eine geradlinig-senkrechte Schwänzelbewegung nach oben signalisiert, dass die Nahrungsquelle direkt in Richtung zur Sonne liegt, während eine senkrecht nach unten gerichtete Tanzachse darauf hinweist, dass das Ziel mit der Sonne im Rücken anzufliegen ist. Auch Abweichungen von der Sonnenrichtung vermag die Tänzerin durch eine entsprechende Neigung der Tanzachse winkelgenau anzugeben.


Rundtanz (links) und Schwänzeltanz (rechts) der Honigbiene.

Die Weitergabe detaillierter Informationen mit Hilfe eines symbolischen Codes, die früher oft als Monopol des Menschen angesehen wurde, ist hier in einem solchen Maß verwirklicht, dass die wissenschaftliche Welt von Frischs Entdeckung seinerzeit mit ungläubigem Erstaunen zur Kenntnis nahm. Der den Bienentänzen zugrunde liegende Code ist freilich angeboren und daher auch nicht veränderbar, und er scheint sich aus rein physiologischen Erregungszuständen und rhythmischen Bewegungen nach dem Flug entwickelt zu haben, die auch bei anderen Insekten zu beobachten sind und die ursprünglich keinerlei Mitteilungsfunktion hatten. Dennoch mag auch ein gewisses bewusstes Element bei der daraus entstandenen Kommunikationsform eine Rolle spielen – das lässt jedenfalls die Beobachtung vermuten, dass die Bienen in einem leeren Stock kaum tanzen und dass die Heftigkeit und Dauer ihrer Bewegungsfolgen wie auch die Reaktionen ihrer Stockgenossinnen von der Ergiebigkeit der Futterquelle und vom Nahrungsbedarf der Gemeinschaft abhängen.

Wer sprach das erste Wort?

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