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Motorräder aus Zschopau

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Familiengespanne: die Zweitakter mit Seitenwagen

Mit großen Plänen ins Aus

„Ich hätte mir auch zugetraut, die Trabant-Werke zu sanieren!“ Diesen Satz sagte Petr-Karel Korous zur Wochenzeitung Die Zeit, nachzulesen in der Ausgabe vom 14. Januar 1994. Das Blatt scheint ihm die Aussage abgenommen zu haben. Der Geschäftsführende Gesellschafter bei MZ sorgte für Schlagzeilen, nicht immer nur zum Wohle des Zschopauer Motorradwerks. Zwölf Jahre lang galt der gebürtige Tscheche als Lichtgestalt und Hoffnungsträger. Inzwischen ist er Geschichte. MZ trennte sich 2004 von ihm. Im November 2008 herrscht bei MZ Endzeitstimmung. Die Pförtnerloge ist leer, die Schranke steht offen, kein Mensch ist zu sehen. Hinter der Glasfront des ehemaligen Engineering-Gebäudes stehen Motorräder. Das Gebäude ist abgeschlossen. MZ Engineering gibt es nicht mehr. Die Engineering-Mitarbeiter erhielten am 15. Dezember 2006 die Kündigung. Ende August 2008 ist die Motorradproduktion eingestellt worden. Zum Jahresende werden die malaysischen Besitzer das Werk schließen. Oder verkaufen. Wenn sich ein Käufer findet … Der kommt tatsächlich, in letzter Minute, ist aber am Ende doch nicht der Retter.

1907 hatte der Däne Jörgen Skafte Rasmussen im Erzgebirge eine stillgelegte Tuchfabrik erworben. 1922 präsentierten seine Zschopauer Motorenwerke das erste Motorrad. Mit dem Einstieg Rasmussens in die Pkw-Produktion ist der Name DKW geboren. Er übernahm Audi, ließ dort seine Motoren einbauen. Rasmussen sicherte sich exklusiv das Recht, bei seinen Zweitakt-Motorrädern die kraftstoffsparende Umkehrspülung mit Flachkolben einzubauen. Diese Technik wird nach dem Zweiten Weltkrieg in alle Zweitakt-Motoren aus ostdeutscher Produktion übernommen.

Wegen der expansiven Geschäftspolitik war die Finanzlage des Konzerns angespannt, ausgerechnet in der Wirtschaftskrise Ende der 20er-Jahre. Die sächsische Regierung und die Banken retteten DKW, Audi, Horch und Wanderer. Sie mussten sich zu einem Konzern zusammenschließen. Der Name: Auto Union. Das Markenzeichen: vier Ringe – heute das weltweit bekannte Markenzeichen des Ingolstädter Audi-Konzerns.

Das Zschopauer Motorradwerk hatte den Zweiten Weltkrieg ohne Schäden überstanden. Die russische Besatzungsmacht demontierte sämtliche Maschinen und ließ sie als Reparation in die Sowjetunion abtransportieren. Eine Sprengung der Werksgebäude konnte gerade noch verhindert werden. Als die Fertigung der RT 125 anlief, verursachten im Westen die Währungsunion und Embargo-Maßnahmen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung. Nahezu alle Zulieferer waren im Westen ansässig. Den Zschopauern gelang es, aus der Not eine Tugend zu machen. Die BK 350 wird als Zweitakt-Boxer zu einem der legendärsten Motorräder Ostdeutschlands. Nachdem ihre Produktion ausläuft, bleibt es über Jahrzehnte bei den Einzylinder-Zweitakt-Motoren. Die sind durchaus attraktiv und werden auch im Ausland verkauft. Vor allem in Großbritannien entsteht eine eingefleischte MZ-Gemeinde. In Westdeutschland prägt Neckermann das Image der MZ-Motorräder. Als der Motorradprofi Hein Gericke den Import übernimmt, haben die MZ-Bikes ihren Ruf als Billigmotorräder weg.

Die Wende erwischte MZ eiskalt. Der Binnenmarkt brach für Zweitakter zusammen. Die Zschopauer hätten schon Viertakter und Motorräder mit mehreren Zylindern bauen wollen. Aber sie durften es nicht. Neue Konzepte lagen zwar in den Schubladen, auf dem Prüfstand lief ein Viertakt-Motor. Auf dem Umweg eines neuen Polizeimotorrades hätten die Zschopauer die Maschine auf den Zivilmarkt lancieren wollen. Den Plan erledigte die Wende. Die Treuhandanstalt (THA) beschloss am 18. Dezember 1991 die Liquidierung von MZ.


MZ gehörte zum Kombinat für Zweiradtechnik in Suhl.


Das alte MZ-Werk im Dischautal: Nur noch das Transparent erinnert an frühere Zeiten (Aufnahmezeitpunkt: November 2008). Das Gebäude wird alternativen Zwecken zugeführt.

Wenn es danach eine Sternstunde für das Werk gegeben hat, dann ist es die Betriebsversammlung drei Tage später. Ohne Andre Hunger und Kurt Biedenkopf wäre an diesem Abend alles vorbei gewesen. Der Betriebsratsvorsitzende und Personalchef gewann den Ministerpräsidenten für die Idee, das Schließen des Werkes um ein halbes Jahr hinauszuschieben, damit die Belegschaft beweisen könne, dass es MZ auch in der Marktwirtschaft schafft. Kurz vor Fristablauf akzeptierte die THA ein Betriebskonzept.

Am 1. Juli 1992 musste die neue Motorrad- und Zweiradwerk GmbH (MuZ) gegründet werden. Korous-Vorgänger Wolfgang Sauerbrey hatte die MZ-Namensrechte in die Türkei veräußert. 1995 interessierte sich der malaysische Konzern Hong Leong Industries Berhad für MZ. Die Kontakte hatte Korous geknüpft. Die Verhandlungen zogen sich hin, bis MZ das Geld ausging. MZ musste die ostdeutsche Variante des Konkursverfahrens beantragen. Danach gelang plötzlich der Vertragsabschluss mit Hong Leong.


Die MZ 1000 auf dem Dach des Werksgebäudes

Die nächsten Jahre lassen sich erfolgversprechend an, aber sie bringen keinen Gewinn. Neue Modelle kommen auf den Markt, doch die Verkaufszahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Dann beginnt das Organisationsdrama um die MZ 1000. Mit ihr hatte Korous den Einstieg in den GP-Sport geplant, woraus dann aber nichts wird. Korous geht. Sein Nachfolger, Dr. Christoph Baumgärtner, im Werk hoch geschätzt, bleibt nur ein Jahr. Er habe zu sehr auf die Produktqualität geachtet und sei zu wenig Manager gewesen, lassen die Malaysier durchblicken. 2005 verlegte Hong Leong die Produktion der 125er nach Malaysia. 2006 endete mit Entlassungen und dem Aus der 125er-Produktion.

1989 arbeiteten 3.200 Mitarbeiter bei MZ, im Oktober 2008 sind es noch 34, zum Jahresende 2008 zehn. Welche Ziele Hong Leong verfolgte, lässt sich auch in der Rückschau nicht eindeutig erkennen. Im März 2009 machen Schlagzeilen die Runde: „Kult-Motorradhersteller MZ ist gerettet“ (Welt Kompakt, 25. März 2009). Die ehemaligen Motorradrennfahrer Ralf Waldmann, Martin Wimmer und dessen Ehefrau Dr. Martina Häger hatten MZ gekauft. Sie gründen die neue Firma Motorenwerke Zschopau.

Hoffnungen auf eine MZ mit 1.000 cm3 lässt Geschäftsführer Martin Wimmer nicht aufkommen: „… letztlich war die 1000er … für einen kleinen Hersteller wie MZ zu groß, sie war auch ein Schritt in die falsche Richtung“ (Motorradfahrer 8/2009). Wie der Motorradfahrer weiter berichtet, wollen Wimmer und Waldmann die Produktion mit 125er-Modellen im Herbst 2009 wieder anfahren. An Motoren mit 250 cm3 werde gearbeitet.


Ende 2008: verwaistes Werksgelände in Hohndorf

Doch aus all dem wird nichts. „Derzeit führen die neuen MZ-Chefs Gespräche mit Banken und dem Land Sachsen, um Kredite bzw. Bürgschaften für den Produktionsanlauf zu organisieren“, schrieb der Motorradfahrer. Banken vergeben allerdings nur dann Anschubkredite, wenn sie vor dem Kauf eines Produktionsobjektes vom Investor in seine Pläne einbezogen werden. Das war aus Kreisen zu erfahren, die mit dem Kreditwesen vertraut sind. Andernfalls wären Kreditinstitute erpressbar: Jeder könnte Geld verlangen, allein mit einem der Argumente, sonst würden Arbeitsplätze vernichtet, es könnten keine geschaffen oder gesichert werden. Sollten Waldmann & Co. diese darlehenstechnische Feinheit in ihrem Idealismus übersehen haben?

Im Sommer 2009 hat der Autor versucht, darauf eine Antwort für das „Typenbuch DDR-Motorräder und Mopeds“ zu finden. Trotz wiederholter Anfragen und einer grundsätzlichen Zusage war durch MZ nie ein Termin bestätigt worden. Inzwischen ist eine Antwort nur noch theoretischer Natur.

Das Werk verlegt sich auf den Bau von Elektrorollern. Erst Ende 2011 erhält MZ eine Landesbürgschaft. 2012 will das Werk 1.200 Straßen- und Geländemotorräder der Typen 125 und 122 herstellen. Dazu kommt es nicht mehr.

Im September 2012 meldet Wimmer für MZ Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit an. Ein Darlehen sei kurzfristig geplatzt, weil das Unternehmen einige Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt habe, zitiert MDR.de den Geschäftsführer Wimmer. Im Verlauf des Jahres 2013 bemüht sich die MuZ Vertriebs GmbH die Ersatzteilversorgung für die zuletzt gebauten MZ-Typen zu sichern.

1907Rasmussen kauft ehemalige Tuchfabrik zur Produktion von Dampfmaschinenarmaturen

1922Präsentation des ersten DKW-Motorrades

1925Fließbandarbeit bei DKW

1927DKW-Rennabteilung gegründet

1928DKW-Serienautos mit Zweitakt-Motor auf dem Markt

1930Finanzielle Engpässe durch Firmenzukäufe und Weltwirtschaftskrise

1932Gründung der Auto Union

1934Rasmussen verlässt wegen Meinungsverschiedenheiten seinen Vorstandsposten

1935DKW liefert Motorräder auf Wunsch mit E-Starter

1938NZ-Baureihe kommt auf den Markt

1939RT 125 wird vorgestellt

1941RT 125 wird zugunsten der Rüstungsproduktion eingestellt

1942RT 125 wird wieder produziert, für die Wehrmacht

1945Besatzungsmacht löst die Auto Union auf, Inventar ist Reparationsleistung

1947Im ehemaligen DKW-Werk Produktion technischer Gebrauchsgüter für den Alltag

1948Gründung der IFA (Industrievereinigung Fahrzeugbau)

1949Freigabe des Zschopauer Werks für die Motorradproduktion

1951IFA DKW wird den Typenbezeichnungen vorangestellt

1954Patentierter Kettenschutz

1956Neuer Name ist MZ (Motorradwerk Zschopau)

1963500.000. MZ-Motorrad

1968MZ-Vertrieb in der BRD durch Neckermann

1969Telegabel aus eigener Produktion

1970Gründung des IFA-Kombinats für Zweiradfahrzeuge (MZ, Simson und Mifa), Kombinatssitz ist Suhl

1972Letzte Verstaatlichungswelle, der private Beiwagenhersteller Stoye wird MZ zugeschlagen

1975Produktionsrekord mit 92.000 Motorrädern, etwa die Hälfte wird exportiert

1978Zum 25. Mal wird die Geländefahrt rund um Zschopau ausgerichtet

1979MZ beschließ Produktionsverlagerung nach Hohndorf

1981Export-ETZ mit Getrenntschmierung durch Mikuni-Öldosierpumpe

1983Das zweimillionste MZ-Motorrad

1987Tagesproduktion 300 MZ-Motorräder

1989Probelauf des bei MZ entwickelten Viertakt-Motors

1990MZ wird eine GmbH; einziger Gesellschafter: die Treuhand

1991Treuhand droht MZ zu liquidieren

1992Treuhand akzeptiert neues Betriebskonzept

1994Ende der Motorradproduktion im alten Werk (Dischautal)

1995Vorvertrag mit Hong Leong (Malaysia)

1996Produktion der Kanuni-MZ ETZ 251 in der Türkei; MuZ beantragt Konkursverfahren, Hong Leong übernimmt MuZ

1997Konkurrent MZ-B montiert im alten MZ-Werk eine 125er

1998Probelauf eines 125er-Viertakters, MZ-B stellt Produktion ein

1999MuZ ist wieder „MZ“

2003MZ Engineering entwickelt Roller für Fernost

2004Lieferung von 500 MZ 125 SX an die französische Armee

2006Der neue malaysische Geschäftsführer Yap über Geschäftsführer Dr. Baumgärtner: „(Er) schaut zuerst aufs Produkt. Wir müssen gute Manager sein!“

2008Motorradproduktion wird eingestellt

2009Ralf Waldmann, Martin Wimmer und dessen Ehefrau Dr. Martina Häger kaufen MZ und gründen die Motorenwerke Zschopau

2011MZ entwickelt einen 70 km/h schnellen E-Roller, meldet dpa

2012Geschäftsführer Martin Wimmer meldet für die Motorenwerke Zschopau Insolvenz an

2013Maßnahmen zur Ersatzteilversorgung für die letzten MZ-Modelle


Typenatlas der DDR-Motorräder und Mopeds

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