Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 46
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ОглавлениеAm nächsten Morgen fanden wir uns im Büro von Mr McKee ein. Unsere Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina waren schon dort, außerdem noch Agent Max Carter, ein Innendienstler aus unserer Fahndungsabteilung.
Die genetischen Untersuchungen der Zigarettenkippen, die am Tatort gefunden worden waren, ließen noch auf sich warten. Wir rechneten frühestens am nächsten Morgen damit. Dafür lag inzwischen ein vorläufiger Obduktionsbericht vor. Dr. Brent Claus hatte bis in die späten Abendstunden noch obduziert. Danach war der Tathergang weitgehend so, wie er bereits ermittelt worden war. Hoffman war durch einen elektrischen Schlag außer Gefecht gesetzt und dann mit einer zweiten Substanz völlig gelähmt worden. Dann war er auf das Bett gelegt und hatte eine zweite – intravenöse – Injektion bekommen.
„Eine sehr seltsame Mordmethode“, sagte ich. „Ich meine, das mit dem Elektroschock verstehe ich noch, aber warum um Himmels Willen hat er dann nicht gleich die tödliche Injektion gesetzt und stattdessen diesen komplizierten Weg gewählt?“
„Er wollte auf Nummer sicher gehen“, lautete Mr McKees Ansicht. „Man kann nicht genau abschätzen, wie lange die Wirkung eines elektrischen Schlages anhält und der Täter wollte wohl unter allen Umständen vermeiden, dass es doch noch zu einem Kampf kommt.“
„Was ihm in diesem Fall ja nicht gelungen ist“, sagte Max Carter. „Wir haben DNA unter den Fingernägeln gefunden. Gegenwärtig wird sie aufbereitet und dann durch den Computer gejagt. Vielleicht landen wir ja einen Treffer. Was die Art der Tat angeht, gibt es auffällige Parallelen zu einem anderen Fall, der die Justiz seit mehreren Jahren beschäftigt. Es geht um den sogenannten Aschenbecher-Killer.“
Max warf den Beamer seines Laptops an, um uns ein paar Tatortfotos zu zeigen. „Der sogenannte Aschenbecher-Killer hinterlässt am Tatort stets ein Gemisch aus Sand, Zigarettenkippen und Asche, das er dort verstreut.“
„Genau wie in diesem Fall!“, stieß ich hervor.
„Richtig.“
„Dann hat der Täter tief in einen dieser Sandkübel gegriffen, in denen man früher als Rauchen noch politisch korrekt war seine Asche und die Stummel lassen konnte“, meinte Milo. „Und das alles vermutlich um uns an der Nase herumzuführen…“
Seit TV-Serien Furore gemacht haben, die die Vorgehensweise des Erkennungsdienstes bis in alle Details veranschaulicht haben, kommt es leider immer häufiger vor, dass Täter bewusst falsche Spuren zu hinterlassen versuchen. Darunter auch fremdes genetisches Material, das die jeweiligen Ermittler in die Irre führen soll. Zigarettenkippen, abgeschnittene Fingernägel, Haar, Blutplasma… Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Täter mindestens genauso viel Aufwand betrieben haben müssen, um irgendwie an dieses irreführende DNA-Material heranzukommen, wie bei der Planung der eigentlichen Tat.
Häufig hat sich das allerdings nicht ausgezahlt, denn was die Täter vergessen, ist, dass auch eine falsche Spur letztlich immer noch eine Spur ist.
„Der Aschenbecher-Killer hat wahrscheinlich nicht nur in einen Kübel gegriffen, sondern in mehrere und anschließend einmal gut durchgemischt. Es fanden sich nämlich verschiedene Sandsorten. Die Zigarettenkippen sind natürlich auf genetisches Material hin untersucht worden. Es ist immer derselbe Pool von Personen, deren DNA darunter ist. Leider haben wir kein Vergleichsmaterial und konnten daher auch keine der Proben zuordnen.“
Max Carter übergab das Wort an Dr. Brent Claus, der daraufhin noch einmal die Vorgehensweise des Aschenbecher-Killers erläuterte. Die Opfer wurden genau wie im Fall Hoffman mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt, dann gelähmt und schließlich mit einer weiteren Injektion getötet. „Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied“, erklärte Dr. Claus. „Die Opfer des Aschenbecher-Killers sind allesamt weiblich und der Täter hat sich zwischen der ersten und der zweiten Injektion an ihnen sexuell vergangen.“
„Hat er genetisches Material hinterlassen?“, fragte Clive.
Dr. Claus schüttelte den kopf. „Nein. Er muss ein Kondom benutzt haben.“
„Ich habe mit unserer Zentrale in Washington telefoniert“, mischte sich nun Mr McKee ein. „Die schicken uns Dr. Gary Schmitt. Er kennt sich mit dem Fall bestens aus und hat ein Profil des Täters erarbeitet. Leider hat das bis jetzt nicht dazu geführt, dass er gefasst wurde.“
Wir hatten schon früher mit Gary Schmitt zusammengearbeitet. Er war eine Kapazität auf seinem Gebiet und vielleicht brachte uns seine Sicht der Dinge auch im Fall weiter.
„Will sich da vielleicht jemand an einen anderen Fall anhängen und einen Zusammenhang suggerieren, der nicht existiert?“, fragte ich.
„Das wissen wir, sobald das genetische Material in den Zigarettenstummeln ausgewertet ist“, erklärte Dr. Claus. „Wenn die Proben aus einem anderen genetischen Pool stammen ist es sehr wahrscheinlich jemand, der sich für oberschlau hält und uns an der Nase herumführen will. Aber wenn sie übereinstimmen…“
„Dann haben wir ein Rätsel“, meinte Mr McKee. „Gary Schmitt wird morgen hier sein. Und Dr. Claus hat mir versichert, dass dann auch erste Erkenntnisse darüber vorliegen, ob zwischen den Fällen nun ein Zusammenhang besteht oder nicht.“
Eines der Telefone auf Mr McKees Schreibtisch klingelte.
Unser Chef ging hin und nahm das Gespräch entgegen.
„Hier McKee, was gibt’s?“
Mr McKee hörte eine ganze Weile zu und sagte dann schließlich zweimal hintereinander „Ja!“, bevor er wieder auflegte.
Er drehte sich zu uns herum. „Das war Ihr Kollege McCluskey von der SRD, Dr. Claus. Es gab da wohl ein Prepaid Handy, dessen Daten gelöscht wurden. Sie konnten rekonstruiert werden.“