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Als wir am nächsten Morgen mit Mr McKee und einigen anderen G-Men im Besprechungszimmer unseres Chefs saßen, hatte sich unser Bild von Darren Hoffman inzwischen bereits deutlich vervollständigt.

„Offenbar hat Tavernier für ihn sensible Daten an den Mann gebracht“, berichtete ich. „Aus irgendeinem Grund wollte Tavernier das Geschäft aber nicht mehr fortsetzen.“

Mr McKee hob die Augenbrauen.

„Warum nicht? War ihm die Sache zu heiß geworden?“

„Möglicherweise. Seine bisherigen Geschäftspartner haben wohl geglaubt, dass er einfach ein besseres Angebot hatte. Deshalb interessierte sich dieser William Curtiz auch so brennend für die Nummern, die Tavernier auf seinem Prepaid Handy gespeichert hatte.“

„Inzwischen hat unser Kollege Nat ein hohe Summe auf ein Konto auf den Bahamas zurückverfolgen können“, berichtete Mr McKee. „Das Konto gehört einer Tarnfirma, die im Zusammenhang mit George Lee steht, einem Hongkong Chinesen, der sich in Chinatown niedergelassen hat.“

Nat Norton war bei uns im Field Office ein Kollege mit dem Spezialgebiet Betriebswirtschaft. Er hatte schon häufiger durch das Aufspüren verborgener Geldströme entscheidend zur Lösung von Fällen im Bereich der organisierten Kriminalität beigetragen.

„So ein Zufall, der Anwalt, der Brian Gonzales vertritt, hat in anderen Fällen Lee oder Leute, die auf seiner Gehaltsliste stehen, vertreten“, berichtete unser Kollege Max Carter. „Vom bisherigen Kriminalitätsprofil her würde Lee auch als Hehler der offenbar von Darren Hoffman veräußerten sensiblen Daten in Frage kommen. Er hat exzellente Verbindungen und man sagt ihm sogar Kontakte zum chinesischen Geheimdienst nach, der ja sicher als einer der ersten Interessenten für diese ganz besondere Ware gelten kann.“

„Als Beweis reicht das noch nicht“, meinte Mr McKee. „Wir bekommen weder einen Haftbefehl für George Lee noch lässt sich auf dem bisherigen Material eine Anklage zimmern. Wir werden jetzt sämtliche Nummern überwachen, die in James Taverniers’ Handyspeicher zu finden waren und hoffen müssen, dass dabei etwas herauskommt.“

Da diese Nummern sämtlich ebenfalls Prepaid-Nummern waren, brachte uns das nur dann weiter, wenn es uns gelang, eines dieser Geräte abzuhören und das betreffende Gespräch einen Bezug zum Delikt hatte.

Die Tatsache allein, dass Lee Kontakt zu James Tavernier besaß, bewies noch gar nichts.

„Wir werden eine Überwachung von Lee organisieren“, erklärte Mr McKee. „Das werde ich in jedem Fall durchbekommen. Und dann müssen wir sehen, ob er einen Fehler macht.“

In diesem Moment öffnete Mandy die Tür. Wenn die Sekretärin unseres Chefs den Raum betrat, bedeutete das meistens, dass wir eine Portion ihres im gesamten Bundesgebäude hoch gerühmten Kaffees bekamen.

Aber an diesem Tag hatte sie einen anderen Grund für ihr Auftauchen.

„Mister McKee, die Testergebnisse des Hoffman-Falls sind eingetroffen. Ich habe gleich einen Ausdruck gemacht.“

„Danke, Mandy.“

Sie reichte Mr McKee eine Mappe.

Unser Chef schlug sie auf und sah sich stirnrunzelnd an, was da aus den Labors der Scientific Research Division gekommen war. „Wir haben jetzt definitiv einen Zusammenhang zwischen dem Fall Darren W. Hoffman und dem Aschenbecher-Killer“, stellte Mr McKee fest. „Die Kollegen der SRD haben eine eingehende Analyse der am Tatort gefundenen Zigarettenkippen und des Sandes durchgeführt. Sie werden dieses Dossier noch selbst an Ihrem Rechner studieren können. Die einzelnen Zigarettensorten sind hier ebenso ermittelt worden wie die Sandsorte. Es gilt als sicher, dass das Material aus einem dieser Sandkübel stammt, in denen man früher seine Zigaretten ausdrücken konnte. Die Übereinstimmung der Sandsorten und der Zigarettensorten zwischen den Hoffman-Proben und dem, was der Aschenbecher-Killer hinterlassen hat, liegen bei achtzig Prozent. Bei der Analyse des genetischen Materials ergibt sich ein ähnliches Bild: 78 % Prozent des Materials stammt aus dem Gen-Pool, das bei den bisherigen Morden des Aschenbecher-Killers eingesetzt wurde.“

„Wie sagt man so schön: Das ist statistisch relevant“, meinte Max Carter.

„Mit anderen Worten, wir haben es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um einen Trittbrettfahrer, der dieselbe Verwirr-Methode benutzt wie der Aschenbecher-Killer zu tun, sondern mit demselben Täter“, fuhr Mr McKee fort. Leider hat dieser Täter bei den ermordeten Frauen keinerlei DNA-Material hinterlassen. Die einzige verwertbare Gen-Probe war unter Hoffmans Fingernägeln und dazu haben wir bisher keinen Vergleich.“

„Wir suchen also einen leicht zugänglichen Sandkübel, bei dem sich der Täter mit Zigarettenkippen versorgt hat“, fasste ich zusammen. „Und der Täter ist gekratzt worden.“

„Richtig, aber nach den Analyseergebnissen des Sandes ist das ganze noch etwas komplizierter. Wir suchen nicht nur einen dieser Kübel, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit zwei.“

Ich runzelte die Stirn. „Und wieso das?“

„Weil zwei verschiedene Sandsorten benutzt wurden.“

„Könnte es nicht sein, dass der Kübel mal geleert und dann mit einer anderen Sorte aufgefüllt wurde?“, fragte Clive.

Mr McKee schüttelte den Kopf. „Nein, dann hätten wir nicht bei allen gefundenen Sandproben ein exakt gleiches Mischungsverhältnis von eins zu eins zwischen beiden Sorten. Und zwar sowohl bei den ermordeten Frauen, als auch im Fall Hoffman.“

„Da wollte jemand aber auf Nummer zweihundert Prozent gehen“, meinte Orry.

„Der angeforderte Profiler Dr. Gary Schmitt ist erst heute Nachmittag so gegen 15.00 Uhr hier. Sein Flieger hängt in Chicago fest.“

„Ich dachte, er käme aus Washington?“, meinte ich.

„Dr. Schmitt hat sich genötigt gesehen, einen kleinen Umweg zu machen, da der Aschenbecher-Killer erneut zugeschlagen hat. Eine gewisse Kimberley Erickson ist in einem Hotelzimmer aufgefunden worden. Die Tat hat sich allerdings wohl schon vor ein paar Tagen ereignet. Mit den Einzelheiten des Falls wird man Sie noch vertraut machen. Jedenfalls möchte ich, dass Sie sich alle hier gegen 15.00 Uhr einfinden, wenn Dr. Schmitt eintrifft.“

„Orry und ich waren ja gestern in den heiligen Hallen von SuperSecure“, sagte Clive. „Die Gespräche mit den Mitarbeitern haben nicht viel ergeben – aber ich bin mir sicher, dort einen dieser Sandkübel gesehen zu haben.“

„Viele davon gibt es jedenfalls nicht mehr“, stellte ich fest.

„Dann sollten dort zuerst mal mögliche Beweise gesichert werden“, sagte Mr McKee. „Die Gen-Proben im Kübel sind freiwillig abgegeben worden. Für deren Untersuchung brauchen wir keinen richterlichen Beschluss, sofern die Firmenführung nicht quer schießt. Aber wenn sie das täte, stünde sie in einem ziemlich seltsamen Licht da.“

„Sollten wir nicht gleich auch Vergleichsmaterial sämtlicher Mitarbeiter nehmen?“, fragte Milo.

„Auf freiwilliger Basis geht das auf jeden Fall. Also seien Sie diplomatisch. Ich werde zwar versuchen, dazu auch eine umfassendere Anordnung zu bekommen, aber das hängt vom Richter ab… Die Maßstäbe, ob das als angemessene Maßnahme gilt, sind da sehr unterschiedlich.“

Auswahlband Krimi Winter 2020

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