Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 51

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Milo und ich stiegen in den Sportwagen und ich fädelte mich mit Rotlicht auf dem Dach in den Verkehr ein. Jay und Leslie blieben bei dem Gefangenen, den in Kürze die Kollegen des NYPD in Empfang nehmen würden, um ihn nach Riker’s Island zu schaffen.

„Jetzt hast du wenigstens mal einen Grund, auch noch das Letzte aus dem Wagen herauszuholen!“, meinte Milo.

Wir erreichten das Firmengelände an der Ridger Street in Rekordzeit. Es handelte sich um eine hässliche Industriebrache, die seit mehreren Monaten zum Verkauf stand, da die Eigentümer-Firma in Konkurs gegangen war. Jetzt wurde die ganze Anlage wie Sauerbier angeboten, aber zum angebotenen Preis wollte sie wohl niemand nehmen, da es offenbar unklar war, wie stark der Untergrund durch Altlasten verseucht war. Eine Vergiftung tieferer Bodenschichten durch Arsen, Blei und Cadmium war sehr wahrscheinlich. Ich hatte davon in den Lokalnachrichten gehört, denn die Diskussion darüber, ob die Stadt New York vielleicht eine Bürgschaft für die Altlasten übernehmen sollte, um einen Verkauf des Geländes zu ermöglichen, hatte in den letzten Wochen immer wieder die Gemüter erhitzt.

Orry und Clive waren kurz vor uns eingetroffen.

„Ich dachte, ihr wart bei SuperSecure“, meinte ich. „Da hattet ihr doch den viel kürzeren Weg.“

„Kann schon sein, aber der unsere war völlig verstopft“, erwiderte Clive Caravaggio, während er sich seine Kevlar-Weste aus dem Kofferraum holte und anschließend anlegte.

Milo und ich legten ebenfalls schusssichere Westen an. Schließlich konnte niemand vorhersehen, wie Tavernier reagieren würde, wenn wir hier auftauchten.

Von den Männern, die ihn offenbar entführt hatten, mal ganz abgesehen.

„Ich habe schon Verstärkung angefordert“, erklärte Clive. Dann steckte er die Hand aus und deutete auf eine der Hallen. „Max meint, dort wäre Taverniers Standort. Oder zumindest der seines Handys…“

In Clives Chevy befand sich ein ebensolcher TFT-Bildschirm wie in unserem Sportwagen. Er zeigte eine genaue Karte des Geländes, die in einem sehr großen Maßstab gehalten war, sodass man jedes Gebäude deutlich vor sich hatte.

Ein blinkender Punkt markierte die Position des Handys.

Mit angelegter Kevlar-Weste und gezogener Dienstwaffe näherten wir uns dem Gebäude.

Ein Seiteneingang war offen. Dem Zustand des Schlosses nach, war es gewaltsam geöffnet worden.

Wir gingen einen Korridor entlang, der zur eigentlichen Halle führte. Hier waren Büroplätze gewesen. Das Mobiliar stand noch dort, nur die Computer hatte man abgebaut. Die abgeklemmten Kabel waren überall zu sehen.

Ein unmenschlicher Schrei war dann aus der Halle zu hören. Wir drangen weiter vor. Milo trat die Tür zur Halle bei Seite, ich stürmte mit der Waffe in beiden Händen voran.

James Tavernier war mit den Füßen an einen Seilzug gebunden worden und hing kopfüber etwa anderthalb Meter über dem Boden. Zwei Männer waren bei ihm, auf die die Beschreibung passte, die uns Larry Montoya gegeben hatte. Der bullige Kahlkopf traktierte Montoya mit einem Elektroschocker, während der Blonde ein Mobiltelefon in der Hand hielt und auf den Tasten herumdrückte. Vermutlich war dies Taverniers Prepaid-Handy und der Kerl war wohl gerade dabei, das Menue durchzugehen.

Vielleicht ging es um die gespeicherten Kontaktdaten…

Tavernier war ja nicht ohne Grund von der Liste der Informanten gestrichen worden, mit denen das FBI zusammenarbeitete. Er hatte einfach die Neigung, ein doppeltes Spiel zu spielen und das hatte seinen dubiosen Geschäftspartner vielleicht nicht gefallen.

„Hände hoch! FBI!“, rief ich.

Der Blonde ließ das Handy fallen und griff zur Waffe.

Er riss eine Automatik aus dem Hosenbund heraus und feuerte.

Ich schoss beinahe im selben Moment. Mein Schuss traf ihn an der Schulter, während der Schuss meines Gegenübers dadurch verrissen wurde. Das Projektil aus seiner Waffe pfiff einen Meter über mich hinweg und stanzte dann ein Loch in die Wandverkleidung. Ein weiterer Schuss löste sich wohl unwillkürlich, als er zurück taumelte. Eines der Deckenfenster, durch die Licht einfiel, wurde getroffen und es regnete Glassplitter.

Der bullige Typ mit dem Elektroschocker hatte die Hand bereits unter der Jacke, als er mitten in der Bewegung innehielt und mehrere Mündungen auf sich gerichtet sah.

Gleichgültig, wie schnell oder wie gut er als Schütze auch sein mochte – er begriff, dass er keine Chance hatte.

Vorsichtig zog er die Hand wieder unter der Jacke hervor. Den Schocker, den er in der anderen trug, ließ er fallen.

Clive Caravaggio rief über Handy den Notarzt. Sowohl für Tavernier als auch für den Blonden würde dessen Einsatz notwendig sein.

Der Blonde ließ ebenfalls die Waffe los.

Er stöhnte auf. Das Blut kam durch seine Jacke hindurch und färbte sie an der Schulter rot.

„Sie haben das Recht zu schweigen, falls Sie von diesem Recht keinen Gebrauch machen sollten, kann alles, was Sie von nun an sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden“, belehrte unser indianischstämmiger Kollege Orry Medina die Beiden über ihre Rechte, während Milo bei dem bulligen Kerl mit dem spärlichen Haarkranz die Handschellen klicken ließ.

Dann kümmerten wir uns umgehend um Tavernier und befreiten ihn aus seiner unbequemen Lage.

Er war allerdings nicht ansprechbar.

Die beiden Gefangenen äußerten sich nicht dazu, wie lange und wie intensiv sie Tavernier mit dem Schocker malträtiert hatten. Aber wenn wir einfach nur den Zeitraum ansetzten, ab dem Taverniers Handy zu orten gewesen war, dann wurde schnell klar, wie sehr sie ihm zugesetzt hatten.

Die beiden Männer hatten Führerscheine bei sich.

Der Blonde hieß demnach William Curtiz, sein kahlköpfiger Komplize Brian Gonzalez.

Der Notarzt traf schnell ein. Ebenso wie die Verstärkung durch unsere eigenen Kollegen und die Kollegen der City Police, die wir umgehend gerufen hatten.

Genau sieben Minuten brauchte der Emergency Service, was angesichts der New Yorker Verkehrsbedingungen eine sehr gute Zeit ist und auch nur deswegen möglich war, weil das St. James Hospital ganz in der Nähe lag.

Aber für James Tavernier kam jede Hilfe zu spät.

Es gab noch in der Fabrikhalle zwei Versuche, ihn wieder zu beleben.

Vergebens.

Der behandelnde Notarzt sah mich an und schüttelte den Kopf.

„Tut mir Leid. Da war nichts mehr zu machen.“

„Was ist Ihrer Meinung nach die Todesursache?“, fragte ich.

„Ich bin kein Gerichtsmediziner – aber nachdem Sie mir den Schocker gezeigt haben, mit dem man den Mann misshandelt hat, würde ich sagen, Herzstillstand durch fortgesetzte Elektroschocks. Die Dinger sind brandgefährlich. Selbst für diejenigen, die sie tragen und sich damit sicherer fühlen! Die Dinger können bis zu 5 Ampere erzeugen – und das tut ein elektrischer Stuhl auch.“

Damit war natürlich jegliche Hoffnung begraben, dass Tavernier uns etwas darüber erzählen konnte, was er mit Darren W. Hoffman zu schaffen gehabt hatte.

Aber allein die Tatsache, dass es einen Kontakt zwischen beiden gegeben hatte, sprach bereits Bände.

Ich wandte mich an Gonzalez.

„Das Ganze wird jetzt auf eine Mordanklage hinauslaufen“, sagte ich. „Aber wenn Sie mit uns kooperieren…“

„Alles nur Sprüche!“, knurrte Gonzales.

„So wie ich das sehe, haben Sie doch nichts mehr zu verlieren. Also – was wollten Sie von James Tavernier? Was wollten Sie aus ihm heraus pressen? Mister Tavernier hängt in einem Mordfall mit drin, bei dem es möglicherweise um die nationale Sicherheit geht. Vielleicht haben Sie und Ihr Komplize damit ja auch etwas zu tun?“

„Hey, Mann, was wollen Sie uns denn jetzt noch alles anhängen, verdammt!“

„Ich zähle nur zwei und zwei zusammen und ziehe daraus Schlüsse. Das werden die Geschworenen auch irgendwann tun und vielleicht nutzen Sie jetzt die Gelegenheit, um die Dinge aus Ihrer Sicht darzustellen!“

Er verdrehte die Augen.

„Halt bloß das Maul!“, knurrte der Blonde, dem gerade der Notarzt einen provisorischen Verband anlegte. „Hast du gehört? Halt einfach die Klappe und lass dich von dem G-man nicht einschüchtern.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Sie hatten den Schocker in der Hand, als wir hereinkamen“, stellte ich fest. „Vermutlich sind nur Ihre Fingerabdrücke an dem Gerät. Wenn sie mich fragen, dann will Ihr Kumpel sich gerade aus der Sache herausziehen. Am Ende wird der Ihnen die Schuld allein zuschieben…“

Clive hatte inzwischen Latex-Handschuhe übergezogen und Taverniers Prepaid Handy in der rechten. „Vielleicht ist ja alles, was wir suchen schon hier drauf“, meinte er. „Telefonnummern von Geschäftspartnern, die in Taverniers Machenschaften verwickelt waren und so weiter…“

„Könnte also sein, dass wir Ihre Aussage gleich gar nicht mehr brauchen, Mister Gonzalez. Das könnte schlecht für Sie ausgehen“, mischte sich Milo ein.

„Tavernier hatte Kontakt zu einem Computerspezialisten SuperSecure und wir nehmen an, dass er vielleicht mit sehr sensiblen Daten gehandelt hat…“

„Hören Sie, das war kein Mord!“, sagte Gonzalez, bei dem jetzt anscheinend der Groschen gefallen war. „Ich habe auch keine Ahnung von irgendwelchen sensiblen Daten…“

„Ach, und das soll Ihnen jemand glauben? Da müssen Sie schon etwas mehr bieten!“

„Es ist aber die Wahrheit! Ich bin nur mitgegangen, weil der Typ da mich gefragt hat, ob ich mal schnell 500 Dollar verdienen wollte.“

„500 Dollar sind aber wenig für einen Auftragsmord!“

„Ich sagte doch, dass kein Mord war!“

„Und ich sage Ihnen, wie der Staatsanwalt das beurteilen wird – und wahrscheinlich am Ende auch das Gericht und die Geschworenen!“

„Der Typ, der abgenippelt ist…“

„Er heißt Tavernier!“

„Sehen Sie, ich habe mir ja nicht einmal seinen Namen gemerkt! Will meinte, ich bekäme 500 Dollar, wenn ich mithelfen würde, einem Typen mal richtig einzuheizen. Er sollte Angst bekommen und auch ein bisschen leiden. Gerade so viel, dass er spürt, dass er beim nächsten Mal fällig ist!“

Mit ‚Will’ meinte er offenbar William Curtiz.

„Scheint, als hätten Sie es etwas übertrieben“, stellte ich trocken fest.

„Meine Güte! Konnte ich ahnen, dass der nichts aushält?“

„Und worum ging es bei der ganzen Sache? Warum sollte Tavernier einen Denkzettel bekommen?“, hakte ich nach. „Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass Sie das auch nicht wussten!“

„Es ist aber so! Zumindest wusste ich es nicht genau. Will hat gesagt, es ginge um irgendein Geschäft, aus dem dieser Typ – Tavernier – aussteigen wollte, womit aber wohl ein paar Leute, für die fünfhundert oder tausend Dollar nicht viel Geld sind, nicht ganz einverstanden waren.“

„Ich sagte: Halt das Maul, oder du wirst es bereuen, Brian!“, rief William Curtiz, nahezu außer sich vor Zorn.

„Ihr Mister Curtiz hatte 3500 Dollar bei sich!“, stellte unterdessen Clive mit Blick auf Gonzalez fest. „Ich nehme an, dass dies der Rest des Honorars war. Er hat Ihnen nicht besonders viel abgegeben, würde ich sagen. Schon gar nicht, wenn Sie dabei den Hauptteil der juristischen schuld zugeschoben bekommen.“

„Will, du Schwein!“, entfuhr es Gonzalez. Wir mussten ihn festhalten, damit er sich nicht auf seinen verletzten Komplizen stürzte. „Mir hast du gesagt, die 500 wären die Hälfte!“

„Lass dir doch von denen nichts vormachen!“, rief William Curtiz. „Du kriegst einen guten Anwalt, wenn du jetzt die Klappe hältst – und der holt dich auch wieder aus diesem Schlamassel raus!“

„Ich glaube, Mister Gonzalez hat erkannt, dass seine Chancen besser stehen, wenn er sich an uns hält“, sagte ich.

Clive wandte sich an den bulligen Gonzalez.

„Packen Sie aus. Und zwar alles.“

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