Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 43

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Als wir den Tatort verließen, dämmerte es schon. Die Ermittlungen hatten sich ziemlich hingezogen und waren leider ziemlich ergebnislos verlaufen.

Weder die Befragungen der andere Hausbewohner noch die Überprüfung der ermittelbaren Kontaktpersonen, mit denen Hoffman via Internet oder Handy in Kontakt gestanden hatte, führte zu irgendeinem Ergebnis, das einen Ermittlungsansatz geboten hätte.

Jetzt waren wir auf die weitergehenden Ermittlungsergebnisse des Erkennungsdienstes angewiesen.

Der Stau in der 10th Avenue war inzwischen Vergangenheit und in den Lokalnachrichten war die Verhaftung des Ampel-Hackers der große Aufmacher. Der Tenor dieser Berichte war dahingehend, dass die New Yorker Autofahrer endlich wieder aufatmen konnten.

Nachdem wir kurz mit dem Field Office im Bundesgebäude an der Federal Plaza 26 Kontakt aufgenommen hatten, um Mr McKee einen kurzen Zwischenbericht geben zu können, fuhren wir noch zur Adresse von Arlene O’Donovan.

Sie wohnte in einem schmucken Apartment Haus im Cast Iron Stil in Chelsea. Ihre Immobiliengeschäfte schienen also recht erfolgreich zu laufen, sonst hätte sie sich dies kaum leisten können.

Uns öffnete eine Frau von etwa dreißig Jahren mit roten Haaren, die ihr offen über die Schultern fielen.

Sie trug noch ihr Business-Kostüm – allerdings ohne die dazugehörigen Schuhe.

„Jesse Trevellian, FBI, dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen über Mister Darren W. Hoffman stellen…“

Sie sah uns stirnrunzelnd an, bat uns dann herein und bot uns einen Platz an. Das Wohnzimmer enthielt kaum persönliche Gegenstände. Weder Bücher noch Blumen oder Bilder. Die Einrichtung war wie geleckt. Man hätte denken können, dass es sich um eines jener Objekte handelte, die Arlene O’Donovan solventen Kunden zum Verkauf anbot. Die Wohnung einer Frau, die offenbar viel arbeitete und wenig zu Hause war.

„War er bei Ihnen?“, fragte Arlene.

Ich hob die Augenbrauen. „Sie meinen Darren?“

„Ja. Ich habe ihm gesagt, er soll sich an das FBI oder die Cops wenden, denn…“ Sie brach plötzlich ab und sah mich mit einem Blick an, in dem sich ihr aufkommendes Entsetzen spiegelte. Sie schluckte und ihr sehr helles, sommersprossiges Gesicht wurde nun von einer sanften Röte überzogen. „Sie sind gar nicht hier, weil er sich an Sie gewandt hat.“

„Mister Darren W. Hoffman wurde ermordet. Es tut mir Leid, Ihnen das auf diesem Weg mitteilen zu müssen“, sagte ich.

„Nein!“, flüsterte sie und verbarg ihr Gesicht mit den Händen. Sie schluchzte kurz auf und schüttelte dann verzweifelt den Kopf. Als sie die Hände wieder fortnahm und sich einigermaßen gefangen hatte, war das Make-up verschmiert. „Ich habe es gewusst! Ich habe es gewusst, dass da was faul war!“

„Ma’am, es wäre ausgesprochen hilfreich, wenn Sie uns genauer sagen könnten, was Sie damit meinen“, mischte sich Milo in das Gespräch ein. „Wir sind hier, weil wir herausfinden wollten, wer Mister Hoffman umgebracht hat. Jeder Hinweis kann uns da weiterhelfen.“

Sie nickte, atmete tief durch und schloss für ein paar Augenblicke die Augen, so als müsste sie erst einmal innerlich Kraft schöpfen. „Sie wissen ja, dass Darren in einer Branche arbeitete, in der ein sehr hoher Sicherheitsstandard gilt. Computersicherheit für das Pentagon – so was ist ja auch interessant für alle möglichen dunklen Gestalten. Vor einer Woche waren wir essen, da ist Darren fast überfahren worden. Er hatte etwas im Wagen vergessen, ist noch mal zurück über die Straße und dann kam dieser Wagen plötzlich an.“

„Sind Sie sicher, dass es kein Unfall war?“

„Das war in der Avenue A vor Nolan’s Restaurant. Da ist es nun wirklich nachts so hell wie am Tag! Es ist unmöglich, dass der Fahrer Darren nicht gesehen hat! Außerdem hat der Kerl beschleunigt und direkt auf ihn zugehalten, so als wollte er ihn absichtlich überfahren. Um ein Haar hätte er das ja auch geschafft. Darren konnte sich nur mit viel Glück durch einen Sprung retten…“

„Können Sie sich an das Fabrikat des Wagens erinnern?“, fragte ich.

„Ich kenne mich nicht gut mit Automarken aus, Agent Trevellian. Tut mir Leid. Aber es war ein Van mit getönten Gläsern, das weiß ich genau. Und vorne hatte er diese Vorrichtung, die man auch bei Geländewagen hat. Kuhfänger oder so nennt man das doch! Ich habe gehört, die sollen ziemlich gefährlich sein, wenn das Fahrzeug einen Unfall mit einem Fußgänger hat.“

Eine besonders detailreiche Beschreibung, die unsere Fahndung irgendwie weiter brachte war das natürlich nicht. Die steigenden Energiepreise sorgten zwar dafür, dass Vans und Geländewagen im Big Apple an Popularität verloren, aber es gab immer noch viel zu viele davon, um anhand einer solchen Beschreibung eine sinnvolle Eingrenzung vornehmen zu können. Und was den so genannten Kuhfänger anging, so war deren Verwendung leider trotz der katastrophalen Auswirkungen für Fußgänger völlig legal.

„Hat Mister Hoffman diesen Vorfall gemeldet?“, fragte ich.

„Nein, das hat er nicht. Ich wollte das ja. Aber er war daraufhin ganz seltsam, hat sich dauernd umgedreht, so als ob er sich verfolgt fühlte. Und dann meinte er, wir sollten uns ein paar Tage nicht sehen.“

„Er hat Ihnen keine weitere Erklärung gegeben?“, vergewisserte ich mich.

„Nein. Er ließ da auch nicht mit sich reden. In meinen Augen war das ein Mordanschlag – aber Darren meinte ich solle das Ganze nicht überdramatisieren. Andererseits zeigte mir doch sein Verhalten, dass irgendetwas faul gewesen sein musste…“

„Und Sie haben den Vorfall dann ebenfalls nicht gemeldet“, stellte ich fest.

„Ich wollte – aber Darren hat mich beschworen, es nicht zu tun.

„Wann haben Sie Darren zum letzten Mal gesehen?“

„Vorgestern. Er hatte mir zwar gesagt, ich sollte ihn auf keinen Fall in seiner Wohnung aufsuchen, aber mir wurde das ganze einfach zu dumm. Er nahm das Telefon nicht ab – weder eines seiner zahllosen Handys noch das Festnetz. Naja, und ich habe mir einfach Sorgen gemacht. Ein bisschen James-Bond-Theater war ich schon gewöhnt…“

„Was meinen Sie mit James-Bond-Theater?“, fragte Milo.

„Er wies mich mal auf jemanden hin, der in einem Wagen auf jemanden zu warten schien und meinte, dass sei jemand, den seine Firma beauftragt hätte, uns zu beobachten. Ich sollte mir also keine Sorgen machen, wenn ich diesen Kerl noch einmal irgendwo scheinbar zufällig sehen würde.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Solche Sachen halt. Ich habe das nicht sonderlich ernst genommen.“

„Schildern Sie uns Ihre kurze Begegnung – vorgestern“, forderte ich.

„Da ist nicht viel zu schildern“, sagte sie. „Ich bin hinauf in seine Wohnung. Schließlich habe ich einen Schlüssel und der Sicherheitsdienst ist autorisiert, mich passieren zu lassen. Aber Darren war nicht zu Hause.“

„Aber Sie sind ihm doch noch begegnet?“

„Ja. Ich sah ihn durch das Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einem Mann sprechen.“

„Können Sie ihn beschreiben?“

„Dunkle Lederjacke, graues Haar, grauer Schnauzer, Anfang 50 und etwa ein Meter achtzig groß. Schätzungsweise.“

„Was geschah dann?“

„Die beiden haben nur kurz miteinander geredet. Der Grauhaarige muss Darren abgepasst haben, nachdem er seinen Wagen abstellte. Wo Darren vorher war, das weiß ich nicht.

Jedenfalls kam Darren dann herauf in die Wohnung und hat mich gleich wieder fort geschickt und mit fadenscheinigen Erklärungsversuchen abgespeist.“

„Noch eine Frage. Wissen Sie, wofür er das Mobiltelefon verwendete, dass aussah wie ein Funkgerät der ersten Star Trek Staffel?“

„Das war nur ein Gag“, sagte sie. „Ich habe es ihm geschenkt. Wir sind beide Star Trek Fans. Zum Telefonieren ist das eigentlich eher unpraktisch.“ Sie rieb die Hände gegeneinander. Ihr Blick wirkte jetzt nach innen gekehrt. „Ich weiß nicht, worin Darren da vielleicht verwickelt gewesen ist. Aber da er nicht mehr lebt, brauche ich auch auf Nichts und Niemanden Rücksicht nehmen! Ich will wissen, wer ihn umgebracht hat…“

„Wir versprechen Ihnen, alles in unserer Macht stehende zu unternehmen, um das herauszufinden und den oder die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen“, versprach ich.

Sie schluckte, hob den Blick und sah mich einige Augenblicke lang schweigend an. Die Blicke von Menschen, die einen nahen Angehörigen durch ein Gewaltverbrechen verloren haben, lässt sich nur schwer ertragen, das gehört zu den Dingen, an die man sich in unserem Beruf trotz aller Routine und Berufserfahrung einfach nicht gewöhnen kann.

„Sagen Sie mir genau, wie es passiert ist“, verlangte sie.

„Ich weiß nicht, ob es richtig wäre, wenn…

„Ich möchte es wissen, Agent Trevellian. Jede Einzelheit – oder zumindest das, was Sie schon wissen und mir nicht aus fahndungstaktischen Gründen verschweigen müssen…“

Auswahlband Krimi Winter 2020

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