Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 41

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Auf Milo wartete ich zunächst vergebens. Der Stau auf der 10th Avenue war offenbar noch weit aus hartnäckiger, als ich es mir hatte vorstellen können. Gelegentlich warf ich einen Blick aus den Fenstern von Hoffmans Wohnung, von wo aus man einen guten Überblick über diesen Teil der 10th Avenue hatte. Die Fußgängerwege waren zum Teil mit Autos verstopft. Es war furchtbar. Ich empfand allerdings auch eine gewisse Genugtuung bei dem Gedanken, dass derjenige, der für dieses Chaos verantwortlich war, jetzt nicht mehr mitbekam, ob seinetwegen ein paar Verkehrsteilnehmer die Kontrolle über sich verloren.

Captain Josh Belcona führte mich in das Arbeitszimmer des Computerspezialisten. Hoffman verfügte selbst über einen privaten, sehr luxuriös ausgestatteten Rechner samt Internetzugang.

Ich wurde Barry McCluskey vorgestellt, der vor zwei Monaten bei der Scientific Research Division angefangen war und im Rahmen seiner Tätigkeit vor allem Computern auf den Zahn fühlte.

„Haben Sie schon etwas herausgefunden?“, fragte Belcona.

McCluskey – ein schlaksig wirkender Mann mit aschblonden Locken, die ihm ziemlich weit im Gesicht hingen – schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein. Erst dachte ich, er hätte vielleicht Arbeit mit nach Hause genommen und an Daten gearbeitet, die sicherheitstechnisch sensibel sind.“

„Und das hat er nicht?“

„Nein. Es gibt nicht eine einzige verdächtige Datei auf diesem Rechner.“

„Könnte des nicht sein, dass er gründlich gesäubert wurde?“, fragte ich.

„Vom Täter?“, fragte McCluskey.

„Von wem auch immer.“

„Nein, dagegen spricht, dass Hoffman offenbar nichts dabei fand, mit anderen Daten recht sorglos umzugehen. Zum Beispiel sind seine Mail- und Telefonkontakte alle noch da!“

„Es wäre gut, wenn ich davon einen Ausdruck oder eine Kopie der Daten bekommen könnte“, sagte ich.

„Natürlich“, nickte McCluskey. „Und ob nicht doch etwas an dem Rechner gemacht wurde, bekommen wir natürlich auch heraus – das dauert nur etwas…“

Eine Frau im blauen Kleid trat in den Raum. Sie war sehr edel gekleidet, auch wenn ihr Rock ein paar Zentimeter zu hoch endete, als dass sie noch wirklich seriös hätte wirken können. Sie wurde von einem der Lieutenants des NYPD hereingeführt.

„Captain, das ist Tamara Jordan, von SuperSecure Inc.“, sagte der Lieutenant. Seine ID-Card hing ihm am Revers. Darauf war zu lesen, dass sein Name Jennings war.

„Kann ich hier vielleicht mal jemanden sprechen, der verantwortlich ist?“, fragte Tamara Jordan. Ihre Körperhaltung war betont gerade, ihr Kinn ziemlich hoch. Offenbar war sie es gewöhnt, dass in ihrem direkten Umfeld alles auf ihr Kommando hörte.

Captain Josh Belcona beeindruckte das nicht weiter. Er blieb ruhig und sachlich. „Wir gehen in einen der Räume, die schon spurentechnisch restlos abgegrast sind“, bestimmte er. „Da können wir uns unterhalten.“ Er deutete auf mich. „Das ist ist übrigens Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York. Und mein Name…“

„Ich erinnere mich an Ihre Stimme von unserem Telefongespräch her“, sagte Tamara Jordan kühl und wandte sich an mich. Sie stellte sich als Executive Manager von SuperSecure vor – was auch immer diese Bezeichnung genau bedeuten mochte.

Wir gingen in einen Raum, den die Kollegen der SRD schon komplett untersucht hatten. Es gab eine Sitzgruppe und eine Spielkonsole.

„Es schön, dass sich das FBI um die Sache kümmert“, sagte Tamara Jordan. „Dann besteht ja vielleicht die Hoffnung, dass der Fall auch ernst genug genommen wird.“

„Sie brauchen Sie in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen“, sagte ich.

„Ach, nein?“

„Wir nehmen jeden Mord sehr ernst und werden alles dafür tun, herausfinden, wer Ihren Mitarbeiter umgebracht hat.“

„Als ich gestern bei der Homicide Squad des zuständigen Polizeireviers anrief, hatte ich nicht den Eindruck, als würde man mich besonders ernst nehmen.“ Sie wandte einen tadelnden, herablassenden Blick in Captain Belconas Richtung und fuhr dann fort: „Wissen Sie, Mister Hoffman ist – war – nicht irgendein Mitarbeiter. Er war wirklich ein Spezialist auf seinem Gebiet. Es ging gestern darum, mit einer sehr großen Flugzeugfirma einen Kooperationsvertrag abzuschließen und Mister Hoffman sollte den Vertretern unseres Kunden den Eindruck vermitteln, dass ihre Entscheidung richtig war und sie ihre Computersicherheit getrost in unsere Hände legen könnten. Schließlich hat Darren – Mister Hoffman – auch für das Pentagon und das FBI ein solches Konzept erstellt und seitdem danach gearbeitet wird, ist es ja auch nicht wieder vorgekommen, dass ein paar Witzbolde die Gesichter von Verbrechern auf der FBI-Website durch die Köpfe von Mickey Mouse und Donald Duck ersetzen!“ Tamara Jordan atmete tief durch. Sie kramte in ihrer Handtasche herum, fand aber nicht, was sie suchte. Nach einem weiteren Durchatmen fuhr sie dann fort: „Wie auch immer, der überaus korrekte, überaus penible und überaus pünktliche Darren W. Hoffman, der in der Lage war, sich die ersten 200 Stellen der Zahl Pi zu merken und der mehrere Programmiersprachen besser beherrscht als jede Sekretärin des FBI das zehn Finger-System, kam einfach nicht. Dieser Mann hat noch nie einen Termin vergessen. Er verfügte privat über den letzten Schrei an mobilen Kommunikationssystemen und hätte bestimmt gemeldet, wenn er sich auf der Treppe ein Bein gebrochen hätte oder dergleichen. Aber als ich bei den geschätzten Vertretern des New York Police Department anrief, da musste ich mich mit dem Hinweis abspeisen lassen, dass es für eine Vermisstenanzeige einfach zu früh sei! Die werde frühestens nach 24 Stunden angenommen und nicht nach zwei!“

„Aber Sie haben nicht locker gelassen“, vermutete ich.

„Natürlich nicht! Parallel dazu haben wir natürlich unsere Kanäle nach Washington spielen lassen und wie Ihr Auftauchen hier beweist, war das ja auch nicht ganz erfolglos.“ Sie sah mich abschätzig an, verzog etwas das Gesicht und fügte dann noch hinzu: „Obwohl – das Ihre Behörde nur mit einem einzigen Agenten hier ist, spricht natürlich auch nicht gerade dafür, dass Sie die Sache richtig angehen und ich mir keine Sorgen mehr zu machen brauche.“

„Es sind weitere Kollegen unterwegs“, erwiderte ich. „Und Sie können wirklich sicher sein, dass wir den Fall nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber Sie werden ja auch gesehen haben, was da draußen los ist.“

„Wenn Ihre Leute Schwierigkeiten mit dem Verkehr haben, sollten sie vielleicht die U-Bahn benutzen – so wie ich!“ Sie hatte jetzt endlich gefunden, was sie die ganze Zeit in ihrer Handtasche gesucht hatte. Zigaretten. Sie zog eine davon aus der Packung heraus und steckte sie zwischen ihre Lippen.

Als sie Josh Belconas große Augen sah, hob sie die Augenbrauen.

„Was ist? Was glotzen Sie mich so an? Haben Sie etwas dagegen, wenn ich dafür sorge, dass mein Puls wieder Normalwerte bekommt? Sie sind Beamter mit Pensionsanspruch, Mister Belcona…“

„Captain Belcona. So viel Zeit muss sein, Ma’am.“

„…aber ich muss heute Nachmittag erklären, wie wir diesen so überaus wichtigen Großkunden doch noch bei der Stange halten!! Einen Großkunden, der in erster Linie auf Grund von Darrens Konzept geworben werden konnte! Da stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel und wer was noch alles… Aber solche Sorgen brauchen Sie sich ja nicht zu machen! Sie können schon zufrieden sein, wenn Sie mal wieder einen Bürger, der den Verdacht äußert, dass eine Straftat geschehen ist, am Telefon abwimmeln können, damit sich auf Ihrem Schreibtisch auch nichts ansammelt – außer Staub!“

„Sie werden jetzt unhöflich“, stellte Belcona fest.

Tamara Jordan griff nach dem Feuerzeug, knipste damit herum, aber sie war zu nervös, als dass sie eine Flamme zu erzeugen vermochte.

„Und rauchen dürfen Sie hier nicht. Dies ist zwar kein öffentliches Gebäude, aber Ihre Ausdünstungen würden die Spurenlage verfälschen.“

Tamara Jordan verzog das Gesicht. Und ließ das Feuerzeug wieder in der Handtasche verschwinden.

Barry McCluskey, der Computerspezialist der Scientific Research Division kam herein. „Captain Belcona, ich möchte Ihnen etwas zeigen.“

„Bin gleich wieder da“, versprach Belcona und ging hinaus.

Vielleicht war es besser, wenn ich mich mit Tamara Jordan allein unterhielt.

„Man wird als Raucher inzwischen richtig verfolgt“, beschwerte sie sich. „Finden Sie das in Ordnung?“

„Ich habe aufgehört“, sagte ich.

„Am gesündesten wär’s wahrscheinlich. Wenigstens arbeite ich in einer Firma, die da etwas toleranter ist und keinen Kreuzzug gegen die eigenen Mitarbeiter führt.“

„Können Sie mir ein paar Namen von Menschen nennen, die Hoffman privat gut kannten?“, fragte ich. „Hatte er vielleicht eine Beziehung?“

Sie wirkte jetzt etwas ruhiger. Ihre Stimmlage senkte sich. „Es gab da eine Arlene O’Donovan, mit der er liiert war – wenn das im klassischen Sinn überhaupt zutrifft. Darren war sehr verschlossen. Er öffnete sich nicht leicht und hatte Schwierigkeiten, Beziehungen zu knüpfen. Zumindest im privaten Bereich. Ich glaube nicht, dass es einen einzigen Mitarbeiter von SuperSecure gibt, der gesagt hätte, er sei mit Darren befreundet gewesen. Er war irgendwie unnahbar…“

„Und diese Arlene O’Donovan?“

„Die Adresse lasse ich Ihnen zukommen, wenn Sie mir Ihre Mailadresse geben. Außerdem eine Liste aller Mitarbeiter, die enger mit Darren zusammengearbeitet haben. Diese Arlene ist Immobilienmaklerin. Wir habe sie überprüfen lassen. Ich glaube nicht, dass sie in irgendwelche krummen Sachen verwickelt war oder von jemandem auf ihn angesetzt wurde…“

„Sie lassen Ihre Mitarbeiter überwachen?“, fragte ich erstaunt.

„Überprüfen“, korrigierte sie. „Ja, wir wir überprüfen auch das private Umfeld von Mitarbeitern, wenn sie so wichtig sind wie Darren W. Hoffman.“

„Und Mister Hoffman wusste davon?“

„Er hat sogar eine Erklärung unterschrieben, die besagte, dass er damit einverstanden war. Es diente letztlich auch seiner persönlichen Sicherheit. Sehen Sie, Darrens Wissen war Millionen wert. Und für manche Interessenten vielleicht sogar unbezahlbar. Ausländische Geheimdienste, Terror-Organisationen oder auch das organisierte Verbrechen – suchen Sie sich aus, wen Sie wollen. Da gibt es genügend Leute, die gerne gewusst hätten, wie Hoffman die EDV-Sicherheit des Pentagon gewährleistet hat.“

„Durch wen sind diese Überwachungen durchgeführt worden?“

„Durch einen Sicherheitsdienst, mit dem wir zusammenarbeiten und der auch unsere Firmengelände abschirmt.“

Ich gab Tamara Jordan meine Karte. „Wenn Ihnen irgendetwas einfällt, sagen Sie mir Bescheid oder mailen Sie mir.“

„Das werde ich tun“, versprach sie und gab mir dafür ihre Karte. „Ich sorge dafür, dass Sie jederzeit zu mir durchgestellt werden, auch wenn ich im Meeting sitzen sollte.“

Auswahlband Krimi Winter 2020

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