Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 38
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Оглавление„Seht ihr den Mann mit der grünen Baseball-Kappe?“, fragte Agent Clive Caravaggio über Headset. „Das ist er!“
Clive Caravaggio, flachsblonder Italoamerikaner und der zweite Mann des FBI Field Office New York, leitete diesen Einsatz. Er saß in einem unauffälligen Chevy auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung West 57th Street und 10th Avenue.
Mein Kollege Milo Tucker und ich saßen in unserem Sportwagen. Rechts ragte die Gebäude des St. Luke’s Roosevelt Hospital Centers auf.
Der Mann, den wir im Visier hatten, stand in der Nähe der Ampelanlage. Er hielt unauffällig ein Handy in der Rechten.
Er wartete nur darauf, mit der eingebauten Kamera das abzufilmen, was sich nun bald ereignen würde. Die Filmsequenzen wurden dann sofort ins Internet gestellt.
Das zu erwartende Drama resultierte daraus, dass er die Programmierung der Ampelanlage manipuliert hatte.
Wir waren schon eine ganze Weile hinter ihm her und Anfangs hatte sogar der Verdacht bestanden, dieser Fall könnte einen terroristischen Hintergrund haben. Schließlich war es eine äußerst effektive Methode, in einer Stadt wie New York für allgegenwärtiges Chaos zu sorgen, wenn man die Ampelanlagen umprogrammierte. Entweder stand die Blechlawine dann für eine Stunde still, weil die Ampeln einfach nicht auf grün umsprangen oder man stellte sie so ein, dass die Wagenkolonnen gleich aus mehreren Richtungen aufeinander losfuhren und jeder glaubte, Vorfahrt zu haben.
Der Mann mit der grünen Baseball-Kappe hieß Maxwell Jason Montgomery und er gehörte zu einem Kreis von Hackern, die wir in Verdacht hatten, an dieser Sache beteiligt zu sein.
„Zugriff jetzt!“, sagte Clive Caravaggio. „Die Ampeln stehen noch mindestens eine Stunde lang rot. Den Wagen könnt ihr getrost stehen lassen – aber er darf uns diesmal nicht durch die Lappen gehen!“
„In Ordnung“, sagte ich.
Diese Anweisung galt nicht nur für uns, sondern auch für die anderen an diesem Einsatz beteiligten G-man.
Wir stiegen aus.
Das würde Montgomery noch nicht misstrauisch machen, denn genau darauf hatte er es ja abgesehen: Bilder von entnervten Autofahrern, die mitten in der Rushhour feststeckten, weil eine Ampel nicht umsprang. Wutausbrüche, Verzweiflung… Zur Schau gestellt auf bestimmten Internet-Portalen.
Die härteste Variante war das Provozieren von Unfällen durch eine bestimmte Ampel-Programmierung.
Auch dafür hatten Montgomery und seine Helfershelfer schon gesorgt. Insgesamt gingen drei Tote auf das Konto dieser Hacker Gang – und auch wenn sich der Verdacht eines terroristischen Hintergrundes auch im Laufe der Ermittlungen immer mehr verflüchtigt hatte, drohte den Beteiligten wegen der Unfalltoten trotzdem eine Mordanklage.
Wir gingen zwischen den Stoßstangen der Wagen hindurch und ernteten ein paar verwunderte Blicke.
„Was ist denn los?“, rief ein Mann aus einem Lieferwagen mit dem Logo eines Pizzadienstes. „Wieso geht die Ampel nicht auf grün? Meine Kunden wollen ihr Zeug warm essen!“
„Bleiben Sie im Wagen und verhalten Sie sich ruhig!“, sagte ich. „Wir sind vom FBI.“
Ich zeigte nicht meinen Ausweis oder tat irgendetwas anderes, das mich in den Augen unseres Verdächtigen in irgendeiner Weise verraten hätte.
Was ich sagte, konnte aus dieser Distanz unmöglich verstehen.
Zur gleichen Zeit machten sich unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell von der anderen Seite in Richtung des Mannes mit der grünen Baseball-Kappe auf.
Agent Clive Caravaggio und sein indianischstämmiger Partner Orry Medina waren ebenfalls unterwegs.
Von drei Seiten näherten wir uns. Plötzlich schien Montgomery die Lunte zu riechen. Er machte eine ruckartige Bewegung und spurtete dann los.
Er trug Turnschuhe und war ziemlich schnell.
Wir nahmen die Verfolgung auf und zogen unsere Waffen. Allerdings kam deren Einsatz unter den gegebenen Umständen wohl kaum in Frage. Die Kreuzung war voller Menschen und selbst ein Warnschuss wäre hoch gefährlich gewesen.
„Stehen bleiben! FBI!“, rief Milo.
Montgomery drehte sich kurz um.
Er riss etwas unter seiner Jacke hervor. Eine Waffe. Er feuerte zweimal kurz hintereinander. Die Schüsse waren schlecht gezielt. Einer zischte mir am Kopf vorbei. Der andere fuhr in den Reifen einer Fordlimousine, aus dem daraufhin zischend die Luft entwich.
Montgomery taumelte vorwärts und erstarrte, als ihm von der anderen Seite die Kollegen Kronburg und Morell entgegenkamen.
Jay Kronburg hatte seinen 3.57er Colt Magnum in der Rechten. Der ehemalige Cop aus den Reihen des New York Police Department verwendete als einziger von uns diese Waffe, während ansonsten die Sig Sauer P226 unsere Standardbewaffnung war.
„Keine Bewegung mehr!“ rief Jay.
Montgomery zögerte. Seine Waffe war nach unten gerichtet. Er blickte erst zu Jay, dann zu uns.
„Die Waffe weg!“, rief Milo.
Er schätzte offenbar das Risiko ab und kam zu dem Schluss, dass er tatsächlich keine Chance hatte.
„Nicht schießen!“, rief er.
Vorsichtig legte er die Waffe auf den Boden und ließ sich anschließend widerstandslos festnehmen.
Orry und Clive tauchten inzwischen ebenfalls auf.
„Das Drama auf der Kreuzung muss heute leider ausfallen“, sagte Jay zum Gefangenen, nachdem die Handschellen geklickt hatten.
Wir sicherten das Handy, mussten aber feststellen, dass ein Großteil der Daten bereits gelöscht war.
Aber das war halb so schlimm. Das Gerät war abgehört worden und so hatten wir die Verbindungsdaten ebenso wie den Inhalt der Datenübertragungen.
„Sie haben das Recht zu schweigen“, sagte Jay. „Falls Sie auf dieses Recht verzichten, kann alles, was Sie von nun an sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“
„Ja, ja, spart euch eure Sprüche!“, rief Montgomery. „Ich bin schneller wieder draußen, als ihr glaubt!“
„Das glauben wohl nur Sie“, sagte Clive Caravaggio. „Von schnell kann keine Rede sein. Die Frage ist, ob überhaupt. Schließlich haben Ihre Spielchen drei Menschen das Leben gekostet!“
„Ich will einen Anwalt!“
„Den bekommen Sie“, versprach Clive.
„Nichts können Sie mir nachweisen! Gar nichts!“
„Abführen“, sagte Clive und wandte sich an Jay und Leslie. „Nehmt ihr ihn mit? Ihr seid mit dem größten Fahrzeug hier.“
„Machen wir“, bestätigte Jay.
Und Leslie ergänzte: „Wird wohl eine Weile dauern, bis sich dieser Stau hier aufgelöst hat!“
Clive nahm das Handy ans Ohr, um mit den Kollegen des NYPD zu sprechen. Im Moment konnten wir hier zwar ohnehin nicht weg – aber einen Stau von dieser Größenordnung aufzulösen gehörte auch nicht unbedingt zu den Dingen, für die man uns ausgebildet hatte.
„Ich bin froh, dass dieser Spuk endlich vorbei ist“, sagte Milo. Zweimal waren Milo und ich selbst von den üblen Scherzen der Hacker betroffen gewesen. Stundenlang hatten wir festgesteckt, während irgendwer am Rand uns unauffällig beobachtete, eine Handykamera herumschwenkte und sich diebisch darüber freute, welches Chaos er angerichtet hatte.