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Des O’Sullivan versuchte alles, um seine Schwester abzulenken. Julie Cassons Tod war ihr unter die Haut gegangen. Sie beschäftigte sich im Geist zu sehr damit, und ihr Bruder befürchtete, dass sie davon trübsinnig werden würde.

Es war Abend.

Der Popsänger befand sich mit Susannah im Süßwasserpool des Feriendorfes. Er schwamm auf seine Schwester zu und fragte: „Wie wär's mit einem kleinen Wettschwimmen?“

„Ich habe keine Lust, Des“, antwortete Susannah. Sie trug einen blauen einteiligen Badeanzug und eine gleichfarbige Badehaube mit vielen blauen Tüllblüten.

„Nun komm schon, Susannah. Du darfst dich nicht so gehenlassen. Mich bedrückt das alles auch, aber ich versuche nicht daran zu denken. Das bringt doch nichts.“

Er musste eine ganze Weile auf seine Schwester einreden, ehe sie sich breitschlagen ließ und mit ihm um die Wette schwamm.

Des O'Sullivan brauchte Susannah nicht gewinnen zu lassen. Sie schwamm wie ein Fisch und war pfeilschnell, obwohl er viel kräftiger war als sie.

Es waren nur wenige Leute im Pool. Vom Restaurant tönte leise Musik herüber. Ein Mann versuchte sich auf dem Turm als Kunstspringer.

Susannah schwamm zum Ausstieg.

„He, wo willst du hin?“, rief ihr Des O’Sullivan nach.

„Ich habe genug. Mir ist schon kalt“, gab das Mädchen zurück. Sie kletterte aus dem Pool. Auch Des O’Sullivan verließ das Becken.

„Genehmigen wir uns jetzt einen Drink an der Bar?“, fragte er.

„Okay. Geh inzwischen voraus. Ich wechsle nur schnell den Bikini.“

„Mach schnell, ich mag nicht, dass du lange allein bist.“

„Ich beeile mich“, versprach Susannah. Sie nahm die Badehaube ab und schüttelte ihre sandfarbene Haarfülle. Dann begab sie sich zu einem der Liegestühle, über dessen Lehne ihr zweiter Bikini hing.

Sie nahm es auf und lief zu den Umkleidekabinen, die sich hinter einer hohen Hecke befanden.

Des O’Sullivan setzte sich inzwischen in Richtung Bar ab. Er hatte keine Ahnung, dass er seine Schwester eben zum letzten Mal lebend gesehen hatte...

Susannah O'Sullivan betrat eine der sieben Kabinen. Sie schloss die Tür hinter sich und streifte den nassen Bikini ab.

Während sie in den trockenen Badeanzug schlüpfte, vernahm sie ein Geräusch. Unwillkürlich hielt sie in ne. Sie hatte den Bikini erst halb angezogen.

Sie wandte sich irritiert um.

Hatte da soeben jemand mit seinen Fingernägeln über die Kabinentür gekratzt? Vielleicht hatte es ein vorbeilaufendes Kind getan.

Trotzdem schlug Susannahs Herz plötzlich schneller. Seit diese drei Morde verübt worden waren, erschreckte das Mädchen einfach alles.

Sie wollte so schnell wie möglich zu Des gehen, wollte unter Leuten sein, denn da brauchte sie keine Angst zu haben, dass sie das Schicksal von Julie Casson und den anderen Mädchen teilen musste.

Hastig zog sie sich fertig an.

Sie nahm den nassen Bikini auf, zog den Riegel zur Seite und öffnete die Tür.

Plötzlich stockte ihr der Atem.

Sie sah sich einem schwarzgekleideten, maskierten Mann gegenüber. Panik befiel sie. Entsetzt wollte sie zurückspringen und sich in der Kabine wieder einschließen.

Doch der Unbekannte ließ das nicht zu.

Er riss ihr die Tür aus der Hand und drängte sie zurück in die Kabine. Sein muskulöser Körper prallte gegen den ihren.

Susannah O'Sullivan fiel gegen die Kabinenwand. Sie wollte gellend um Hilfe schreien, doch sie bekam keinen Ton heraus. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Verzweifelt setzte sich Susannah zur Wehr. Sie schlug mit den Fäusten auf den Maskierten ein. Doch alles half nichts, der Mann war stärker, sehr viel stärker.

Die Frau merkte, wie ihr langsam die Sinne schwanden. Ihr letzter Gedanke galt ihrem über alles geliebten Bruder.

Bount Reiniger trieb sich ruhelos im Feriendorf herum. Er hoffte, irgendwo einen schwarzgekleideten Mann durch die Dunkelheit huschen zu sehen, aber noch war das nicht geschehen.

Auf seinem Rundgang begegnete er Männern, die sich den Anschein gaben, als hätten sie für nichts Besonderes Interesse.

Das waren Polizisten, die ebenfalls hier auf der Lauer lagen.

Dabei war es ebenso möglich, dass der schwarze Würger irgendwo außerhalb der Bungalowsiedlung zuschlug. Sein Aktionsradius war verflucht groß. Man konnte ihn nicht überall suchen.

Plötzlich ein greller Schrei, der Bount Reiniger das Blut in den Adern gerinnen ließ. Der Schrei kam vom Süßwasserpool her.

Bount Reiniger rannte los. Er sah aus einer anderen Richtung zwei Männer ebenfalls auf den Pool zulaufen. Polizei.

Je näher Bount dem Becken kam, umso besser vermochte er den schrillen Schrei zu orten. Er wurde hinter der hohen Hecke ausgestoßen, hinter der sich die Badekabinen befanden.

Von allen Seiten stürzten Leute herbei.

Ihre Gesichter waren ausnahmslos blass. Furcht schimmerte in ihren Augen. Dennoch blieben sie nicht, wo sie waren.

Eine zitternde blonde Frau stand vor einer der Kabinen. Sie starrte hinein und konnte nicht aufhören, das Grauen, das sie schüttelte, mit schriller Stimme herauszuschreien.

Ein Mann nahm sie in seine Arme. Er zerrte sie von der offenen Kabine weg und versuchte sie zu beruhigen, indem er ständig auf sie einredete.

Keuchend erreichte Bount Reiniger die Badekabine.

Seine Kopfhaut zog sich zusammen, als er sah, wer dem grausamen Mörder zum Opfer gefallen war. Er schluckte schwer.

Mehrere Polizisten drängten die Leute zurück. Sie schirmten die Kabine ab, in der das tote Mädchen lag.

Bount hörte Des O’Sullivans nervöse Stimme: „Susannah! Susannah, wo bist du? Susannah, antworte! Lassen Sie mich bitte durch! Ich suche meine Schwester Susannah!“

Bewegung in der Menge.

Augenblicke später schälte sich Des O'Sullivan heraus. Er erblickte Bount. Angst kerbte tiefe Falten in sein Gesicht.

„Mr. Reiniger, haben Sie Susannah gesehen? Sie wollte sich nur schnell ihren trockenen Bikini anziehen und ... Oh, mein Gott!“ brüllte der Sänger plötzlich auf. Er hatte seine Schwester gesehen. „Susannah!“ schrie er bestürzt.

Er lief an Bount vorbei.

Zwei Polizisten stellten sich ihm in den Weg.

„Lassen Sie mich durch!“ schrie Des O'Sullivan sie an. „Ich will zu ihr! Sie ist meine Schwester!“

„Sie können ihr nicht mehr helfen“, sagte einer der beiden Polynesier.

„Ich will zu meiner Schwester!“, brüllte Des O'Sullivan wie von Sinnen.

„Ihre Schwester lebt nicht mehr.“

„Dieses Schwein. Dieses gottverfluchte Schwein. Ist denn niemand in der Lage, diesem wahnsinnigen Killer das Handwerk zu legen?“

Bounts Blick streifte die Umstehenden, während Des O'Sullivan haltlos zu weinen begann. Bount entdeckte den Tennislehrer Scatman Crothers. Der Mann kam auf ihn zu und sagte: „O'Sullivan hat recht, Mr. Reiniger. Ist es wirklich unmöglich, dem schrecklichen Treiben dieses Mörders Einhalt zu gebieten? Ehrlich gesagt, ich hielt Sie für einen erfahrenen Detektiv.“

„Das bin ich“, knurrte Bount ärgerlich. „Aber Sie scheinen mich mit einem Zauberer zu verwechseln!“

Des O'Sullivan erlitt einen schweren Nervenschock. Ein Krankenwagen holte ihn ab. Er weinte immer noch, als sich die Türen des Fahrzeugs hinter ihm schlossen.

Und dann begann die Routinearbeit der Polizei...

Auswahlband Krimi Winter 2020

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