Читать книгу 8 Arztromane: Engel in Weiß und ein Arzt aus Leidenschaft - Sammelband - A. F. Morland - Страница 39
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Alexandra betrat das Schwesternzimmer.
„Warst du bei deiner Schwiegermutter?“, fragte Berta Siegel, ihre Kollegin.
Alexandra nickte und setzte sich ächzend. „Ich möchte so vieles von ihr wissen, aber sie kann noch nicht antworten.“
„Du darfst sie nicht überfordern.“
„Natürlich nicht.“
„Es grenzt an ein Wunder, dass sie noch am Leben ist.“
„Hoffentlich wird sie wieder ganz gesund.“
„Sie muss auf jeden Fall abnehmen.“
„Dafür wird man in der Reha-Klinik schon sorgen.“
Das Telefon läutete. „Schwester Berta “, meldete sich Alexandras Kollegin. Sie lauschte kurz und sagte dann: „Ich komme.“
Alexandra sah sie fragend an, als sie auflegte.
„Ich muss in die Notaufnahme“, erklärte Berta Siegel. „Ein Autounfall.“ Sie verließ das Schwesternzimmer.
Alexandra nahm sich eine Tasse Kaffee. Stille herrschte im Raum. Diese Nachtdienste konnten manchmal sehr lang sein. Vor allem dann, wenn nicht viel zu tun war, wenn alle Patienten friedlich schliefen.
Alexandra nahm eine Illustrierte zur Hand und blätterte sie geistesabwesend durch. Man ließ den armen Roy Black noch immer nicht in Frieden ruhen, brachte neue sensationelle Enthüllungen (die gar nicht so sensationell waren) aufs Tapet.
Und jeder Schauspieler, über den berichtet wurde, war entweder ein Film- oder ein Fernseh-Star obwohl Alexandra von einigen noch nie gehört hatte. Sie trank ihren Kaffee und legte die Illustrierte lustlos beiseite. Unglaublich, was diese Gazetten Woche für Woche an Halb-Wahrheiten und ganzen Lügen unters Volk bringen, dachte Alexandra.
Sie stand auf und spülte ihre Tasse. Auf dem Klingelbrett blinkte plötzlich eine Lampe.
„Na, so was“, sagte Alexandra verwundert. „In dem Zimmer liegt doch gar keiner!“
Pflichtbewusst verließ sie dennoch das Schwesternzimmer, um in dem Raum, der ihres Wissens nach nicht belegt war, nach dem Rechten zu sehen.
Vielleicht hatte man dort einen Patienten untergebracht und vergessen, die Nachtschwestern davon in Kenntnis zu setzen. Das war zwar noch nie vorgekommen, seit Alexandra in der Paracelsus-Klinik tätig war, aber das bedeutete nicht, dass es nie passieren konnte.
Vor Alexandra lag ein leerer stiller Gang. Ihre Gummisohlen quietschten leise auf den PVC-Fliesen, während sie den Flur entlang ging.
Hinter ihr wurde eine Tür geöffnet. Schwester Alexandra blieb stehen und drehte sich um. Eine weißhaarige Frau war aus ihrem Zimmer gekommen.
Sie trug einen scheußlich gemusterten Schlafrock, ein Geschenk ihrer Schwiegertochter, wie Alexandra wusste. Die junge Frau hatte leider keinen Geschmack.
Und die Patientin trug den Schlafrock nur, um ihrer Schwiegertochter eine Freude zu machen. Selbst hätte sie sich niemals für ein so hässliches Muster entschieden, hatte sie Alexandra erst vor zwei Tagen anvertraut. Sie sah die Nachtschwester an und nickte ihr lächelnd zu.
„Frau Schweiger“, sagte Alexandra.
„Aufs Klo“, sagte Annemarie Schweiger.
„Kommen Sie allein zurecht?“
„Ja, danke.“
Frau Schweiger war gestern die Gallenblase entfernt worden. Die Sechsundsechzigjährige hatte den Eingriff gut überstanden. Sie öffnete die weiße WC-Tür und die Pflegerin ging weiter. Vor dem Zimmer, in dem sich eigentlich niemand befinden durfte, blieb sie kurz stehen. Als sie eintrat, sah sie sofort, dass das Bett belegt war.
Da ist irgend jemandem ein Fehler unterlaufen, ging es Alexandra durch den Sinn. Doch das war für sie kein ernst zu nehmendes Problem. Sie würde die Angelegenheit später in Ordnung bringen.
„Ich bin Nachtschwester Alexandra“ , stellte sie sich mit leiser Stimme vor.
Die Patientin im Bett stöhnte leise.
„Sie haben geläutet“, sagte Alexandra, während sie sich dem Bett näherte.
„Ja.“
„Was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe Schmerzen, Schwester.“
„Ich hole den diensthabenden Arzt.“
„Ich glaube nicht, dass das nötig ist.“
„Wer hat Sie hier untergebracht?“
Die Patientin wandte sich von Alexandra ab und murmelte einen Namen, der nicht zu verstehen war.
„Wer?“, fragte die Nachtschwester.
Die Patientin wiederholte den Namen nicht. Statt dessen stöhnte sie wieder. Alexandra erreichte das Bett, beugte sich über die Frau und berührte sie sanft an der Schulter. Die Kranke drehte sich langsam auf den Rücken und Alexandra blickte in ein Gesicht, das ihr nicht fremd war.