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„Ach, bitte, Schwester, können Sie mir sagen, wo meine Frau liegt?“, fragte Hardy Evers tags darauf auf dem Klinikflur eine junge Pflegerin. Er nannte seinen Namen. Man hatte in der Nacht für Karina getan, was möglich war, hatte ihm versichert, dass sie durchkommen würde, und ihn nach Hause geschickt. Dr. Kayser hatte ihn mitgenommen.

„Frau Karina Evers, nicht wahr?“, sagte die Krankenschwester.

„Ja. Ich habe sie gestern mit Dr. Kayser hergebracht.“

„Suizidversuch.“

„Ja.“ Hardy Evers nickte gedrückt.

„Dritte Tür links.“

„Danke, Schwester. Danke.“ Hardy ging weiter. Er hielt einen Blumenstrauß in seiner Rechten, presste seine Lippen fest zusammen, als er die Tür öffnete. Ihm fiel das Schlucken schwer, und sein Herz klopfte so laut, dass er meinte, Karina müsse es hören. „Guten Tag, Liebes“, sagte er heiser, während er eintrat. Karina war wach. Sie lag im Bett und war so weiß wie das Laken. Man hatte sie an einen Tropf gehängt. Hardy schloss die Tür. Karina wandte ihm ihr Gesicht zu.

Er konnte in ihren Augen nicht erkennen, ob sie sich über seinen Besuch freute oder nicht. In ihren Pupillen war kein Leben mehr.

Er zwang sich zu einem Lächeln und hob den Strauß. „Teerosen. Die hast du doch so gern.“ Er beugte sich zu seiner Frau hinunter und küsste sie.

Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte sie mit Dr. Kaysers Hilfe dem Tod entrissen, aber er hatte ihr damit keinen Gefallen getan, schließlich hatte sie ja sterben wollen. Vielleicht würde sie ihm in einigen Jahren dafür dankbar sein, doch im Augenblick war sie es ganz offensichtlieh nicht. Hardy versorgte die Blumen.

Er fand im Wandschrank eine Plastikvase, füllte diese mit Wasser und stellte die Teerosen hinein. Karina sprach kein Wort. Hardy stellte einen Stuhl neben ihr Bett und setzte sich.

Sie schwiegen sich eine Weile an. Dann fragte Hardy: „Wie geht es dir, Liebes? Wie fühlst du dich?“

„Warum bist du nicht etwas später nach Hause gekommen?“ Ihre Stimme klang bitter und unglücklich. „Dann hätte ich es jetzt hinter mir.“

Ihm rieselte es kalt über den Rücken. Sie machte ihm Vorwürfe, weil er sie gerettet hatte. Er erinnerte sich an das, was sie nach dem schrecklichen Unglück miteinander gesprochen hatten. Karina hatte gesagt: „Ach, Hardy, ich hätte so gern gelebt ... Mit dir. Für dich.“

„Aber du lebst doch“, hatte er erwidert.

„Nein, Hardy, ich bin tot“, hatte sie geflüstert.

„Das, das darfst du nicht sagen.“

„Meine Beine sind tot. Mein Herz ist tot ...“

„Du, du wolltest doch so gern leben“, stieß er mühsam hervor. „Mit mir. Für mich.“

Karina schüttelte langsam den Kopf. „Nicht mit gelähmten Beinen. Das ist kein Leben für mich.“

„Du darfst nicht nur an dich denken.“

„Ich bin davon betroffen.“

„Aber du bist verheiratet“, sagte Hardy Evers leidenschaftlich. „Du hast einen Ehemann, der dich liebt, hast Eltern, hast eine Schwester, die dich lieben. Sind wir dir denn alle gleichgültig?“

„Ich wollte dich von einer Last befreien.“

„Du bist doch keine Last für mich.“

„Ich habe uns beiden mit meiner Eifersucht das Leben zur Hölle gemacht.“

„Daran kannst du doch arbeiten“, sagte Hardy. „Das ist doch in den Griff zu bekommen. Das braucht bloß etwas Zeit. Das ist doch kein Grund, sich das Leben zu nehmen.“

Karina schien seine Meinung nicht zu teilen. Sie versank in brütendes Schweigen.

Eine halbe Stunde nachdem Hardy sich von seiner Frau verabschiedet hatte, besuchte Dr. Sven Kayser sie. „Von wem sind die wunderschönen Teerosen?“, erkundigte er sich.

„Von meinem Mann.“

„Er stand Todesängste um Sie aus.“

„Das tut mir leid.“

„Werden Sie es noch mal versuchen?“

„Nein.“

„Das ist sehr vernünftig.“ Dr. Kayser nickte zufrieden. „Hardy liebt Sie über alles.“

„Ich weiß.“

„Dennoch wollten Sie ihm einen so großen Schmerz zufügen?“

„Es gibt Phasen, dass weiß man plötzlich nicht mehr weiter, und es ist einem alles egal.“

„Und wenn man dann allein ist, kann einem so manche Dummheit einfallen“, sagte Dr. Kayser.

Karina Evers wich seinem Blick aus und erwiderte nichts.

„Sie sollten aufhören, Ihren Mann mit Ihrer Eifersucht zu verfolgen“, redete der Grünwalder Arzt der querschnittsgelähmten Patientin ins Gewissen. „Er liebt Sie mit jeder Faser seines Herzens, ist anständig und treu. Sie brauchen keine Angst zu haben, ihn an eine andere Frau zu verehren. Dazu wird es nie kommen. Ich würde für Hardy jederzeit bedenkenlos meine Hand ins Feuer legen.“

Karina schwieg. Vielleicht hätte sie jetzt gern geweint, aber sie hatte keine Tränen mehr.

Sie wurde in den nächsten Tagen intensiv psychiatrisch betreut, und sobald sie wieder zu Hause war, bat sie ihren Mann um eine Aussprache.

„Ich muss zum Nachmittagsunterricht“, sagte Hardy. Er war schon in Eile. „Schön, dich wieder zu Hause zu haben. Wir reden heute Abend, ja?“ Sie nickte. Er küsste sie liebevoll, und eilte aus dem Haus.

Am Abend aßen sie eine Pizza, die Karina selbst gebacken hatte. Sie schmeckte vorzüglich. Hardy küsste wie ein Italiener seine Fingerspitzen und sagte überschwänglich: „Magnifico“. Er trug die Teller in die Küche, stellte sie in die fast volle Spülmaschine, schaltete das Gerät ein, kehrte zu seiner Frau zurück, setzte sich und sagte: „So, Liebes, jetzt können wir reden.“

„Ich habe sehr lange und sehr gründlich über uns nachgedacht, Hardy“, sagte Karina.

„Und was ist dabei herausgekommen?“

„Es war nicht richtig, dich mit meiner grundlosen Eifersucht zu peinigen.“

„Wenn du es in Zukunft sein lässt, ist es vergessen.“

„Ich möchte, dass du weißt, dass mir mein Verhalten dir gegenüber leidtut.“

Hardy lächelte. „Das nehme ich mit Freude zur Kenntnis.“ Er holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und füllte zwei Gläser auf den Millimeter genau gleich.

„Meine langen und ausführlichen Überlegungen ließen in mir einen Entschluss reifen, der dir auf Anhieb nicht gefallen wird“, sagte Karina, „aber wenn du dich erst einmal intensiv damit auseinandergesetzt hast, wirst du einsehen, dass das die beste Lösung für uns beide ist.“ Sie trank einen Schluck Bier.

Er trank ebenfalls und musterte seine Frau abwartend.

„Ich habe den Entschluss gefasst, dich freizugeben“, eröffnete Karina ihm. Er hatte das Gefühl, sie hätte ihm mit einem Hammer auf den Kopf gehauen.

„Wie war das?“, fragte er perplex.

„Du willst mich freigeben? Verdammt, was soll denn dieser Blödsinn? Ich will nicht frei sein.“

„Du bist ein junger, gesunder Mann mit Wünschen und Bedürfnissen, die ich nicht erfüllen kann.“

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass das kein Problem für mich ist.“

„Heute vielleicht noch nicht, aber wie sieht es in einem Jahr aus?“

„Ich liebe dich heute, morgen, übermorgen ... Und ich werde dich in einem Jahr, in zwei Jahren und in zehn Jahren noch genauso gern haben ...“

„Du möchtest Kinder“, sagte Karina. Sie hatte damit gerechnet, dass es nicht einfach sein würde, ihn zu überzeugen. „Du sehnst dich nach einer Familie.“

„Wenn wir keine Kinder haben können, finde ich mich eben damit ab.“

„Du musst dich nicht damit abfinden.“

„Es macht mir nichts aus“, versicherte er ihr. „Wir, wir können jederzeit auch ein oder zwei Kinder adoptieren. Wer sagt denn, dass wir nur mit eigenen Kindern eine glückliche Familie sein können?“

„Du musst ständig auf mich Rücksicht nehmen.“

„Wenn man liebt, tut man das doch gern.“

Karina seufzte. „Ich kann das nicht. Ich bin ein Klotz an deinem Bein.“

„So? Findest du?“ Er stand auf und lief im Wohnzimmer auf und ab. „Und wieso spüre ich dich dann überhaupt nicht?“

Ihre Miene wurde hart. „Mein Entschluss steht fest.“

„Du mit deinen einsamen Entschlüssen“, sagte er aufgebracht. „Zur Hölle damit. Ich bin nicht einverstanden ...“

„Ich werde dich zu deinem Glück zwingen.“

Er lachte trocken und bellend. „Wie denn zwingen?“

„Das wirst du schon sehen.“

„Ja“, blaffte er. „Da bin ich aber wirklich sehr gespannt drauf.“

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