Читать книгу Der Arztroman Koffer Oktober 2021: Arztroman Sammelband 10 Romane - A. F. Morland - Страница 52
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ОглавлениеHardy Evers setzte sich und raufte sich die Haare. Wo bist du, Karina?, dachte er in großer Sorge. Hast du mich verlassen? Willst du mich auf diese Weise zwingen, mich von dir zu trennen? Das wird nicht funktionieren. Ich gebe dich nicht auf. Niemals. Er stand auf und trat ans Fenster. Vielleicht machte er sich völlig unbegründet Sorgen. Vielleicht waren ihre Eltern vorbeigekommen und hatten sie auf eine kleine Spritztour mitgenommen.
Drüben trat Sophie Hoger aus ihrem Haus. Die attraktive Nachbarin knipste ihr freundlichstes Lächeln an, als sie ihn sah, und winkte ihm.
Er winkte zurück und drehte sich um. Hätte Karina ihm wieder eine Szene gemacht, wenn sie das gesehen hätte? Karina... Er ging zum Telefon und drückte auf zwei Tasten.
Die Nummer der Schwiegereltern war gespeichert. Sie erschien auf dem Display, und der Apparat begann zu wählen. Die Verbindung kam zustande.
Am andern Ende meldete sich Lotte Marmann. Sie freute sich über seinen Anruf, fragte: „Wie geht es euch?“ Wie geht es euch?, durchzuckte es Hardy. Sie hat keine Ahnung. Sie war mit ihrem Mann nicht hier, um Karina abzuholen, damit sie ein bisschen rauskommt. Soll ich ihr sagen, dass mir meine Frau abhandengekommen ist? Soll sie sich auch noch Sorgen um Karina machen?
„Dasselbe wollte ich dich fragen“, gab er zurück.
„Uns geht’s ganz passabel“, sagte Lotte Marmann. „Josef wälzt gerade Reiseprospekte.“
„So? Wohin soll’s denn gehen?“
„Mallorca. Griechenland. Türkei. Wir wissen es noch nicht.“
„Versucht es mal mit Marmaris“, empfahl Hardy Evers seiner Schwiegermutter. „Karina und mir hat es da recht gut gefallen. Landschaftlich haben Marmaris und seine Umgebung einiges zu bieten“, fügte Hardy hinzu.
„Danke für die Entscheidungshilfe“, sagte Lotte Marmann. „Ich glaube, nun wissen wir, wohin unsere nächste Reise geht.“
Hardy bat sie, ihren Mann von ihm zu grüßen und legte auf, ohne gesagt zu haben, was ihm zurzeit zentnerschwer auf der Seele lastete.
Bei Nina Marmann ging er anders vor. Seiner Schwägerin sagte er, was ihn bedrückte, und er fragte: „Hast du eine Ahnung, wo Karina sein könnte?“
„Ja“, antwortete Nina, ohne zu zögern. „Sie ist bei mir.“
„Dem Himmel sei Dank.“ Hardy atmete erleichtert auf. „Sie hinterließ mir nämlich keine Nachricht, weißt du? Da macht man sich natürlich sorgen. Würdest du sie mir bitte mal geben?“
„Tut mir leid, Hardy ...“
„Kann sie nicht ans Telefon kommen? Schläft sie? Ist ihr nicht gut?“
„Sie hat dich verlassen, Hardy, und sie möchte nicht ans Telefon kommen.“ Ihm war, als hätte man ihn mit Eiswasser übergossen. „Das ist nicht wahr. Das glaube ich nicht. Das soll sie mir selbst sagen“, verlangte er, doch dazu war Karina nicht zu bewegen.
Also warf er den Hörer auf den Apparat, rannte aus dem Haus, sprang in seinen Wagen und raste zu Nina. Er läutete an ihrer Haustür Sturm.
Sie öffnete und ließ ihn einen mitleidigen Ausdruck in den Augen ein. Er hastete an ihr vorbei. Karina befand sich im Wohnzimmer. Schmal und blass saß sie im Rollstuhl, Unnachgiebigkeit im Blick.
„Ist das wahr?“, platzte es aus ihm heraus. „Ist das wahr, was Nina mir am Telefon gesagt hat? Du hast mich verlassen?“
Nina betrat hinter ihm das Wohnzimmer. Sie lehnte sich neben der Tür an die Wand und mischte sich nicht ein, aber behaglich fühlte sie sich nicht.
„Ich gebe dich frei, damit du wieder ein normales Leben führen kannst“, sagte Karina mit belegter Stimme.
„Ich bin mit meinem Leben nicht unzufrieden“, entgegnete Hardy hitzig. „Habe ich mich beklagt? Habe ich mich auch nur ein einziges Mal beklagt?“
„Das brauchtest du nicht. Ich habe gesehen, dass du leidest.“
Hardy Evers brauste auf. „Herrgott noch mal, ich habe dich nicht aus reinem Übermut geheiratet, sondern weil ich dich liebe, weil ich dich brauche, weil ich für dich da sein, weil ich mit dir alt werden möchte. Geht das denn nicht in deinen verbohrten Kopf hinein?“
„Schrei mich bitte nicht an, Hardy.“ Er dämpfte seine Stimme. „Entschuldige. Tut mir leid. Komm mit mir nach Hause.“
„Nein, Hardy.“
„Bitte, Karina.“
„Ich habe gesagt, ich werde dich zwingen, dich von mir zu trennen“, erklärte Karina leidenschaftslos, „und ich werde so lange hierbleiben, bis du damit einverstanden bist.“ Hardy Evers wandte sich an seine Schwägerin. „Ich bitte dich, tu mir den Gefallen, wirf sie raus.“
Nina Marmann hob die Schultern und schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Sie ist meine Schwester. Sie hat mich um Hilfe gebeten.“
Hardy wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die Augen. „Sie ist meine Frau. Ihr Platz ist an meiner Seite.“
„Wenn ich da aber nicht mehr sein will, hast du das zu respektieren“, warf Karina ein.
„Mein Gott, das ist doch Wahnsinn! Unsere Liebe ist so unbeschreiblich stark, wir können doch mit allem fertigwerden.“
Schwankte sie? War sie sich ihrer Sache mit einem Mal nicht mehr sicher? Hatte er eine Chance? Durfte er sie behalten? War sie bereit, zu ihm zurückzukehren? Hatte er ihren dummen Widerstand aufgeweicht?
„Komm, Liebes“, sagte er unendlich sanft. „Komm mit mir nach Hause.“
Sie sah ihn an, seufzte schwer und sagte: „Nein.“