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„Tschüs, mein Mädchen“, sagte Schwester Gudrun zu ihrer jungen Kollegin. „Mach es jut. Wir sehen einander morjen in jesunder Frische wieder.“

„Ja“, gab Marie-Luise Flanitzer lächelnd zurück. Sie trug ein hübsches Kleid, in dem sie sehr sexy aussah. „Bis morgen.“

„Bestell deinem dir Zujemuteten ’nen herzlichen Gruß von der ollen Gudrun.“

„Mach’ ich“, sagte die junge Arzthelferin und verließ die Grünwalder Arztpraxis, aus der sich der letzte Patient vor wenigen Minuten verabschiedet hatte.

Die grauhaarige Berlinerin wollte hinter ihrer hübschen Kollegin die Tür abschließen, da rief jemand: „Schwester! Schwester Gudrun, bitte!“ Gudrun Giesecke zog die Tür noch einmal auf und erblickte Hardy Evers. Der junge Lehrer machte einen mitleiderweckenden Eindruck auf sie.

„Ist Herr Dr. Kayser noch da?“, wollte er wissen.

Gudrun zögerte nur kurz, dann forderte sie ihn auf: „Kommen Se rein, Herr Evers.“

„Danke, Schwester.“

Gudrun führte ihn zu Dr. Kayser. Der Grünwalder Arzt befand sich noch im Sprechzimmer und machte sich Notizen.

„Da möchte Se noch jemand janz dringend sprechen, Chef.“ Gudrun trat zur Seite und gab den Blick auf Hardy Evers frei.

„Herr Doktor“, sagte der junge Lehrer verlegen, „ich hoffe, Sie sind nicht ungehalten, weil ich ...“

„Was haben Sie auf dem Herzen, Herr Evers?“, fiel Sven Kayser dem Mann ins Wort. Er sah ihm an, dass er ein Problem hatte, mit dem er allein nicht fertigwurde.

„Es geht um Karina ...“

„Ihre Frau hat doch hoffentlich nicht schon wieder eine Dummheit gemacht?“

„Ick darf mir nur janz uff die Schnelle verabschieden, ja?“, warf Gudrun ein. „Juten Abend, Chef. Uff Wiedersehen, Herr Evers.“

„Auf Wiedersehen, Schwester Gudrun“, sagte Hardy Evers.

„Schönen Abend, Icke“, wünschte Dr. Kayser.

Die grauhaarige Arzthelferin verließ das Sprechzimmer, und Dr. Kayser war mit Hardy Evers allein. Er wies auf den Patientenstuhl und forderte den Lehrer auf, sich zu setzen.

Hardy sank auf die Sitzfläche und ächzte, als wäre er gezwungen, eine große unsichtbare Bürde zu tragen. Sven Kayser fragte sich, was ihn wohl so quälte.

„Was ist mit Karina?“

Hardy zuckte zusammen, als hätte Sven Kayser ihm einen Dorn ins Fleisch gedrückt. „Karina hat mich verlassen, ist zu ihrer Schwester gezogen, hat beschlossen, mich freizugeben, damit ich mit einer anderen gesunden Frau glücklich werden kann. Ist das nicht verdammt großzügig?“, fragte er bitter. Es zuckte unkontrolliert in seinem Gesicht, und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Meine liebe Frau ist so wahnsinnig rücksichtsvoll, dass es kaum zu ertragen ist.“ Er lachte, ohne die Sache auch nur im Geringsten lustig zu finden. „Finden Sie das nicht auch großartig, Herr Doktor? Sie will so lange bei ihrer Schwester bleiben, bis ich zur Vernunft gekommen bin und begreife, dass es für uns beide das Beste ist, wenn ich sie verlasse. Es genügt, wenn einer unglücklich ist, meint sie. Wir brauchen es nicht beide zu sein. Großer Gott. Diese Frau zerquetscht mich mit ihrem gottverdammten Edelmut.“ Er legte die Hände auf sein Gesicht und schluchzte.

Dr. Kayser ließ ihm Zeit, sich zu sammeln.

Hardy Evers ließ nach einer Weile die Hände sinken, wischte sich die Tränen aus den Augen und sagte verlegen: „Bitte entschuldigen Sie.“

Sven Kayser schüttelte ernst den Kopf. „Es gibt nichts zu entschuldigen, Hardy.“

Hardy Evers steckte sein Taschentuch ein. Sein Blick wurde seltsam leer und er sagte tonlos: „Ich werde Karina verlieren. Ich weiß nicht, wie ich es verhindern kann.“

„Wann hat sie Sie verlassen?“

„Heute. Als ich von der Schule heimkam, war sie nicht mehr da.“ Hardy erzählte, wie er herausgefunden hatte, dass sie zu ihrer Schwester gezogen war. „Ich war bei meiner Schwägerin, habe mit Karina geredet, habe sie gebeten, mit mir nach Hause zu kommen, doch sie war dazu nicht zu bewegen.“ Er schlug die Augen nieder. „Was geht bloß in ihrem Kopf vor? Ich verstehe sie nicht. Ich dachte immer, ich würde Karina so gut kennen wie mich selbst, doch das war wohl ein Irrtum, denn heute hat sich gezeigt, dass ich sie kein bisschen begreife. Sie ist mir auf einmal so fremd geworden, dass es mich zutiefst erschreckt.“

„Soll ich versuchen, Ihre Frau umzustimmen?“, fragte der Allgemeinmediziner, während er die Notizen, die er sich gemacht hatte, in eine der Schreibtischladen legte.

„Ich fürchte, es wird auch Ihnen nicht gelingen.“ Hardy Evers biss sich auf die Unterlippe und rieb seine feuchten Handflächen an den Schenkeln trocken. „Ich hätte Sie damit wohl besser nicht behelligt“, sagte er befangen, „aber ich musste mit jemandem darüber reden.“

„Es war richtig, zu mir zu kommen“, sagte Sven Kayser. „Fürs erste ist Ihre Frau bei ihrer Schwester gut aufgehoben. Wir brauchen also nichts zu überstürzen, können in aller Ruhe und mit einer den Umständen angemessenen Besonnenheit einen erfolgversprechenden Schlachtplan entwickelt. Wenn wir Glück haben, schlägt sich die Zeit auf unsere Seite und arbeitet für uns. Vielleicht vermisst Karina Sie schon bald so sehr, dass sie ihren Fehler einsieht, bereut und von selbst zu Ihnen zurückkehrt.“

„Karina?“ Der junge Lehrer schüttelte den Kopf. „Niemals. Wenn sie sich mal in eine Idee verrannt hat, ist sie kaum noch davon abzubringen.“

„Vielleicht schaffen wir es doch“, meinte Sven Kayser optimistisch. „Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.“

Hardy Evers knirschte laut mit den Zähnen. „Diese verfluchte Hochzeitsnacht. Wenn wir miteinander weiter in wilder Ehe gelebt hätten, wäre uns all das Leid erspart geblieben.“

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