Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 76
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Brian lief allein weiter. Sein Atem war ruhig dabei, allerdings ertappte er sich manchmal dabei, die Zunge aus dem Mund hängen zu lassen. Eigentlich war er ganz froh darüber, dass er in dieser Umgebung nirgendwo mit einem Spiegel rechnen musste, der ihm vielleicht gezeigt hätte, dass auch sein Äußeres sich bereits wieder zu verändern begann...
Dass seine Fingernägel offenbar außergewöhnlich schnell gewachsen waren, hatte er bereits gemerkt und sich damit schon in die Handinnenfläche geschnitten. Und seine Zähne hatten anscheinend auch eine leicht veränderte Kauleiste, wie sein Zahnarzt dazu immer sagte.
Auch nachdem er schon eine längere Zeit in gleichbleibend hoher Geschwindigkeit durch den Wald gelaufen war, fühlte er keinerlei Anzeichen von Erschöpfung.
Die Spur von Rebecca zu verfolgen war leicht. Aber er bemerkte nun plötzlich auch noch so viele andere Geruchsspuren. Als jemand, der in New York City aufgewachsen war, konnte er nun wirklich nicht von sich behaupten, ein Naturbursche zu sein und sich im Wald besonders gut auszukennen. Aber je weiter er lief, desto bekannter kam ihm das alles vor. Die Gerüche von Tieren, Bäumen, Pflanzen...
In der Vergangenheit hatte er den Geruchssinn eigentlich kaum beachtet – allenfalls dann, wenn die eine oder andere Lehrerin mal ein so aufdringliches Deo benutzte, dass man einen mittelschweren Niesanfall davon bekam.
Eine völlig neue Welt, dachte Brian – fasziniert von diesen neuen Eindrücken.
Und dann vernahm er eine Gedankenstimme.
„Komm her! Komm und empfange deine Weisungen und ich gebe dir Stärke, auf dass du unverwundbar wirst...“
Der Gehörnte!, erkannte Brian sofort.
Er hielt inne.
Tue ich wirklich noch das Richtige?, fragte er sich. Oder war es ein Fehler, allein weiterzulaufen? In diesem Moment wünschte er sich Mister Oliver Grant mit seiner Geisterpistole herbei, dessen mit einer alchemistischen Mixtur gefüllte Silberkugel ihm ja vielleicht noch einmal etwas Aufschub gewähren konnte.
Er sah sich um.
Ein Erdhörnchen huschte zwischen zwei knorrigen Wurzeln her und verschwand in einem finsteren Loch. Brian fühlte den absurden Drang, hinterherzujagen.
Aber konnte sich gerade noch bremsen.
Daran, dass er vielleicht schon bald auf menschliches Wild Jagd machte, wagte er gar nicht weiter zu denken.
Brian lief weiter. Dann erreichte er einen Bach, an dem eine Gestalt niederkniete und schlürfend trank.
Er brauchte sich gar nicht weiter zu nähern, um zu erkennen, dass es sich um Rebecca handelte.
Sie schnellte hoch. Ihr Gesicht wirkte gehetzt, die Augen genauso weit aufgerissen, wie Brian es in der Vision gesehen hatte.
Brian wollte ihren Namen sagen und stellte fest, dass es ihm schwer fiel. So als würde ihm ein Kloß im Hals sitzen und eine Zunge auf eigenartige Weise gelähmt sein. Etwas hinderte ihn daran zu sprechen.
Erst im zweiten Anlauf brachte er ihren Namen heraus.
„Rebecca!“
Sie wollte davonlaufen.
„Warte!“, rief er und sie blieb wie erstarrt stehen, offenbar unsicher darüber, was sie nun tun sollte. Das Mondlicht fiel zwischen den Bäumen hindurch in ihr Gesicht. Die Nasenflügel bebten, so als würde sie Witterung aufnehmen.
„Rebecca, es ist noch nicht zu spät!“, sagte er. „Für uns beide nicht!“
Sie schüttelte den Kopf. Ein Ausdruck der Verzweiflung stand in ihrem Gesicht. Auch sie schien Mühe damit zu haben, Worte zu finden, obwohl sie doch ansonsten nie darum verlegen gewesen war.
„Du willst zur Lichtung, nicht wahr, Rebecca?“
In der Ferne heulten gleich mehrere Wölfe.
„Ja!“, murmelte sie kaum hörbar.
„Wir haben denselben Weg.“
„Wirklich?“
Sie sah ihn an. Ihr Gesicht verzog sich.
„Du hast die Aura des Bösen bei mir längst bemerkt, nicht wahr? Du musst sie bemerkt haben, ansonsten wäre dein Talent nicht das Papier wert, auf dem du dich in Saint Morn eingeschrieben hast!“
„Ja, du hast recht“, flüsterte sie mit kaum hörbarer Stimme. „Aber ich konnte es nicht sagen. Irgend etwas hat mich daran gehindert... Vielleicht wollte ich es auch einfach nur nicht wahrhaben, denn zuvor hatte ich dieselbe Aura auch schon bei mir entdeckt! Ich habe in den Spiegel geschaut und sie gesehen. Auch wenn sie für niemanden sonst sichtbar zu sein schien, so war sie doch da...“ Sie atmete tief durch. „Brian, es ist so furchtbar! Wir werden Monster, die in Kürze jeden, der ihnen über den Weg läuft, zerfleischen!“
Brian näherte sich ihr. Dann berührte er sie leicht an der Schulter.
„Es ist noch nicht verloren, Rebecca!“
„Es ist unumkehrbar! Jeder sagt das!“
„Wir treffen die anderen auf der Lichtung...“
„Dort, wo....“
Sie sprach es nicht aus. Brian nickte entschieden. „Dort, wohin der Gehörnte uns alle gerufen hat. Aber er ist noch nicht dort. Nora, Alec und Rick werden dort sein...“
„Wie konntest du sie alle so in Gefahr bringen? Sie haben keine Chance, sich zu wehren, wenn die Bestien auftauchen!“
„Und genau das ist einer der Gründe, weshalb wir uns beeilen sollten ...“, erklärte Brian. „Alles weitere erkläre ich dir unterwegs.“ Ein mattes Lächeln flog über sein Gesicht. „Einer der Vorteile der Wolfsverwandlung ist ja anscheinend, dass man beim laufen nicht mehr so außer Atem gerät. Ich nehme an, dass hast du auch schon bemerkt...“