Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 65
27.
ОглавлениеFür das Abendbrot waren sie zu spät dran. Also bekamen sie etwas von dem, was übrig geblieben war. Brian hatte sowie kaum Hunger.
In einer Ecke des Speisesaals saß Alec Murphy, wie immer vertieft in ein dickes Buch.
„Der ist wohl nach dem Essen einfach hier sitzen geblieben und hat nicht mitbekommen, dass die anderen schon längst weg sind!“, meinte Rebecca hinter vorgehaltener Hand. „Was glaubst du?“
„Schon möglich.“
„Ich fand es übrigens cool, heute mit dir unterwegs zu sein. Unsere Fähigkeiten scheinen sich gut zu ergänzen.“
„Ja, das Gefühl hatte ich auch“, murmelte Brian.
„Du bist irgendwie abwesend. So als wärst in Gedanken irgendwo in anderen Sphären und gar nicht richtig hier auf der Erde! Was ist los?“
„Ich habe eine Frage an dich, Rebecca.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Bitte: Frag!“
„Angenommen, jemand wäre dabei, sich in einen Werwolf zu verwandeln und dieser jemand würde neben dir sitzen. Würdest du das mit deinem Talent spüren?“
„Ja, sicher“, gab sie wie aus der Pistole geschossen und voller Überzeugung zurück. „Naja, denke ich jedenfalls. Genau kann man das erst wissen, wenn es passiert ist.“
„Sicher, aber...“
„Also bei diesem Deputy Meyers habe ich es sofort gespürt. Es war diese Aura, die ich dann sofort wahrnehme. Allerdings würde man das in seinem Fall wohl nicht als einen wissenschaftlich einwandfreien Beweis akzeptieren, denn schließlich hatten wir ja erwartet, dass mit Meyers etwas nicht stimmt, und es ist ja bekannt, dass man manchmal auch nur einfach das wahrnimmt, was man erwartet...“
„Spürst du diese Aura des Bösen auch, wenn du sie nicht erwartest?“
Rebecca sah ihn überrascht an und runzelte die Stirn. „Du bist aber ein hartnäckiger Fragesteller. Hast du schon einmal überlegt, Talkshow-Moderator zu werden oder vielleicht sogar noch besser Verhörspezialist beim FBI?“
„Das ist eine ernsthafte Frage, Rebecca.“
Sie atmete tief durch, kaute den letzten Bissen ihres Sandwiches zu Ende und meinte dann: „Also eins kann ich dir jedenfalls versprechen: Falls ich mal etwas von dieser üblen Aura spüren sollte, wenn ich in deiner Nähe sitze, werde ich es dir sofort sagen!“
„Dafür wäre ich dir sehr dankbar!“, murmelte Brian.
„Aber ich muss dich warnen: Ein spezielles Deo gibt es gegen die Aura des Bösen leider nicht!“
Sie lachten beide. Brian etwas verhaltener, aber er begann sich schon zu fragen, ob er sich vielleicht vollkommen umsonst Sorgen gemacht hatte und die Kratzer wirklich nur von irgendwelchen Ästen stammten.
„Mach die Tür zu!“, sagte Rick Sabano, nachdem Brian die Tür ihres gemeinsamen Zimmers geöffnet hatte und stehengeblieben war. „Auf dem Flur laufen immer ein paar Geister herum und wenn man nicht aufpasst, komme sie herein und machen sich breit!“
„Sorry!“, gab Brian zurück.
„Konntest du ja nicht wissen. Aber im Moment habe ich einfach keine Lust auf Geistergesellschaft.“
„Können die nicht durch Türen gehen?“, fragte Brian. Rick sah ihn erstaunt an und Brian zuckte mit den Schultern. „Ich gebe ja zu, dass ich von diesem Thema nicht viel Ahnung habe!“
„Das merkt man!“
„Ist ja nur eine Frage gewesen!“
„Die ich dir auch beantworten kann. Es ist ganz einfach: Was Geister können, ist höchst unterschiedlich. Das liegt ganz daran, wie sehr sie noch mit dem Leben verbunden sind beziehungsweise in wie fern es ihnen bereits gelungen ist, sich davon zu verabschieden. Manche sind noch so stofflich, dass man ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen kann und man hört dann anschließend einen dumpfen Schlag. Für andere ist es wiederum kein Problem, durch die dicksten Wände zu marschieren, andere können das nur bei bestimmten Materialien. Ich habe Geister erlebt, die kein Problem damit hatten, eine dicke Steinmauer zu durchdringen, es aber nicht schafften, durch eine Holzwand zu gehen, die sogar deutlich sichtbare Astlöcher und Ritzen hatte! Da sind die Geister so individuell wie die Menschen, als die sie einst gelebt haben.“
„Du sprichst von ihnen, wie von...“
„Guten Bekannten?“
„Ja!“
Rick Sabano lachte. „Ja, so kann man es bezeichnen. Es sind gute Bekannte. Und manche davon können etwas lästig werden. Aber das ist ja auch in der Welt der Lebenden nicht anders.“
Rick war intensiv mit seinem Computer beschäftigt. Er recherchierte irgend etwas im Internet. Ob für den Unterricht oder aus privatem Interesse wusste Brian nicht.
„Erzähl von den Werwölfen“ sagte er dabei, ohne aufzublicken. „Ich habe gehört, du warst heute mit Rebecca und dem Sheriff unterwegs um diesen Deputy Meyers zu suchen.“
„Willst du die Lang- oder die Kurzversion?“
„Oh, ich wohne hier, schon vergessen? Also habe ich Zeit für die Langversion. Vier Stunden Schlaf brauche ich allerdings, sonst schlafe ich morgen bei Mister Fletcher im Unterricht ein – und diese Blamage möchte ich dann doch gerne sowohl ihm als auch mir ersparen!“
Brian wählte trotzdem die Kurzversion und fasste Rick die Geschehnisse so knapp und präzise wie möglich zusammen. Ihm war heiß. Er ertappte sich dabei, die Zunge heraushängen zu lassen.
„Ey, du siehst aus wie ein Hund!“, meinte Rick. „Fehlt nur noch, dass du hechelst.“
„Sehr witzig!“, maulte Brian. Er zog sich den Pullover aus. Darunter trug er ein T-Shirt, dass die Arme freiließ.
Das erste, was Brian seltsam vorkam, war Rick Sabanos Blick. Dem Latino aus L.A. fielen fast die Augen aus dem Kopf. Er starrte Brians Arme an, als wären es die Fühler eines Alien gewesen.
Dann erst bemerkte auch Brian, was mit seinen nicht stimmte.
Sie waren über und über mit Haaren bedeckt. Nicht der dünne, dunkle Flaum, der da hingehörte und seine Arme von Mädchen-Armen unterschied, sondern ein dichtes Fell, durch das man bis zur Schulter keinen einzigen freien Flecken Haut mehr sehen konnte!
Also doch!, dachte er. Er war auf dem Weg, sich zu verwandeln. Die Kratzer waren keineswegs so harmlos gewesen, wie sie ausgesehen hatten! Er dachte an die Worte von Mister Galway, wonach es eigentlich nur eine Methode gab, um die Verwandlung zu verhindern.
Den eigenen Willen!
Er versuchte alles, was an Kräften in ihm steckte, zu mobilisieren. Gleichgültig, ob es nun übersinnliche oder ganz natürliche Energien waren. So einfach wollte er sich nicht verwandeln lassen!
Er konzentrierte sich auf eine ganz ähnliche Weise, wie er es tat, wenn er die Telekinese anwendete und Gegenstände mit der reinen Kraft seines Willens bewegte.
Und siehe da, die ungewöhnlich starke Behaarung ging wieder zurück. Innerhalb von Augenblicken war das Fell so vollständig verschwunden, dass nichts mehr zu sehen war. Nichts, außer dem Flaum, der dort auch hingehörte. Ungläubig strich Brian sich mit der rechten Hand über den linken Arm und anschließend mit der linken Hand über den rechten Arm.
„Was zum Teufel machst du da?“, fragte Rick Sabano.
Brian schluckte.
„Ich fürchte, ich habe ein Problem“, gestand er.
„Das glaube ich allerdings auch“, nickte Rick. „Und jetzt bitte von Anfang an und der Reihe nach! Und dann sehen wir, was wir machen können!“
„Einer der Werwölfe hat mich offenbar doch während des Kampfes verletzt“, meinte Brian, während er bereits das Gefühl hatte, sich einen Knoten in die Zunge geredet zu haben. Auf der anderen Seite tat es gut, dass es endlich raus war und es jemanden gab, mit dem er darüber reden konnte. So war es kein Wunder, dass die Worte nur so aus Brian heraussprudelten. Rick Sabano hörte die meiste Zeit nur zu.
„Hast du nicht mit Mister Galway darüber gesprochen?“, fragte Rick.
„Natürlich nicht!“
„Wenn jemand eine Lösung weiß, dann ist er es!“
„Und worin sollte die bestehen? Wenn ich erst ein Werwolf geworden sein sollte, und als reißende Bestie durch Saint Morn gezogen bin, dann gibt es kein Zurück mehr. Und auch keine Lösung, wie du das nennst! Dann kann man nur noch im Interesse der restlichen Menschheit hoffen, dass es irgendwie gelingt, mich zu vernichten!“ Brian atmete tief durch. „Ich muss selbst damit fertig werden.“
„Das schafft doch niemand!“
„Bist jetzt hat es ja geklappt, Rick! Vielleicht liegt es an meinem übersinnlichen Talent, dass die Verwandlung sich bisher nicht richtig vollziehen konnte und ich sogar dafür sorgen konnte, dass sie sich zurückgebildet hat...“ Mit gemischten Gefühlen sah Brian auf seine Unterarme, so als befürchtete er jeden Moment, dass sich dort erneut ein Haarpelz bildete. Vorsichtig betastete er dann seine Zähne. Waren die Eckzähne nicht reichlich spitz und etwas länger als sonst? War das auch schon ein Schritt in der Verwandlung? Oder schlicht und ergreifend Einbildung? Das konnte wohl nur sein Zahnarzt genau sagen und der praktizierte in New York City und stand im Moment nicht zur Verfügung, um dazu seine fachlich fundierte Meinung abzugeben. „Jetzt weiß ich, was der Gehörnte meinte, als er mir in diesem Baum erschien... Der lacht sich ins Fäustchen und denkt, dass ich schon bald auf seiner Seite stehe!“
„Genau das ist doch wohl das Ziel des Gehörnten, wenn ich Mister Galway richtig verstanden habe“, meinte Rick. „Diese High School und natürlich die Ritter vom Heiligen Licht sind ihm ein Dorn im Auge!“
„Ich dachte schon, dass alles in Ordnung wäre, als Rebecca in meiner Gegenwart keine böse Aura spürte.“
„Kann es sein, dass Rebecca in deiner Gegenwart was ganz anderes spürt und ihr Urteilsvermögen etwas – wie soll ich sagen? - hormonell eingetrübt ist?“, meinte Rick. „Ist ja nur eine Vermutung von mir, aber ich verstehe ansonsten nicht, wieso sie sich so täuschen kann, wenn sie doch angeblich die Gabe hat, das Böse sicher zu erkennen.“
„Vielleicht war es da noch nicht so stark.“
„Was würdest du an meiner Stelle tun?“, fragte Brian.
„Mich an Mister Galway wenden. Aber das scheidet für dich ja wohl aus.“
„Nächste Möglichkeit.“
„Frag Alec um irgendeinen Zauberspruch, der die Werwolf-Verwandlung sicher verhindert.“
„Gute Idee!“
„Ich glaube nur, dass er an diesem Problem - mit gewissen Unterbrechungen – schon ein paar Jahre arbeitet und bisher noch nichts gefunden hat, was praktikabel ist. Also Alec fällt sicher was ein. Aber ich fürchte, du brauchst eine Lösung auf die Schnelle, habe ich recht!“
„Mir graut vor der nächsten Nacht“, meinte Brian. „Wenn ich schlafe, kann ich weder meinen Willen noch sonst irgend etwas gegen die Verwandlung mobilisieren und wenn ich dann am Morgen aufwache, dann bin ich vielleicht schon eine reißende Bestie, die nichts Besseres zu tun hat, als dir die Kehle zu zerfetzen!“
„Klingt nicht gerade nach jemandem, mit dem man gerne das Zimmer teilt“, meinte Rick. „Okay, und das ist vielleicht auch nicht gerade der richtige Zeitpunkt, um Witze zu machen! Aber das liegt nur daran, weil ich genauso ratlos bin wie du!“
„Was ist mit den Toten? Könnten die etwas wissen, das uns weiterbringt? Du hast doch die besten Beziehungen zu ihnen!“
„Also um ganz ehrlich zu sein, Brian: Die meisten der Totengeister hassen mich, weil ich sie oft verscheuche! Und die, zu denen ich gute Beziehungen hatte, waren erschossene Drogendealer in L.A. - und diese Bekanntschaften würde ich ungern wieder auffrischen.“
„Was ist mit diesem Oliver Grant, der den Unterricht von Mrs. Monroe aufgemischt hat? Hat der nicht die Werwolf-Plage 1685 erlebt – und wohl auch überlebt? Schließlich starb er doch erst 1699!“
Rick Sabano kratzte sich am Hinterkopf und klappte sein Laptop zu. „Du hast anscheinend ein gutes Gedächtnis für Zahlen“, sagte er. „Wir könnten Mister Grant fragen – aber ich weiß nicht, ob er auch bereit wäre, uns zu helfen. Auf mich dürfte er ja sowieso nicht gut zu sprechen sein, schließlich habe ich ihn ja nach allen Regeln der Kunst bloßgestellt und das können auch Geister nicht leiden. Und davon abgesehen tobt ja wohl schon seit längerer Zeit eine Auseinandersetzung zwischen Mister Galway und dem Geist von Oliver Grant.“
„Wir müssen aber etwas unternehmen!“, meinte Brian. „Grant wird wissen, wie man einer Werwolf-Plage Herr wird.“
„Soll ich dich zu ihm führen?“, fragte Rick.
„Das wäre gut.“
„Ich nehme an, dass er in seinem Mausoleum herumspukt.“
„Dann nichts wie hin!“
„Augenblick! Dir ist hoffentlich klar, dass du dir damit den Ärger von Mister Galway zuziehst. Und ich mir natürlich auch.“
„Lässt sich wohl nicht vermeiden“, murmelte Brian, der sich unterdessen den Pullover wieder überstreifte.
„Dann lass uns wenigstens noch abwarten, bis es hier etwas ruhiger geworden ist. Und sich Mister Galway in sein schalldichtes Schlafzimmer zurückgezogen hat.“
„Meinetwegen!“