Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 49
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Mehr als ein Dutzend Stimmen redeten draußen auf dem Flur plötzlich durcheinander. Eine Klassentür schlug auf, wieder zu und Mister Galways Stimme stellte innerhalb eines Augenblicks die Ordnung mit den Worten her: „Geht das nicht auch leise? Ich kann ja in meinem Büro mein eigenes Wort nicht verstehen!“
Brian stand auf und ging ebenfalls auf den Flur. Rebecca folgte ihm.
Vor eine der Klassenräume war ein kleiner Menschenauflauf entstanden. Die Schüler und ihrer Lehrerin bildeten einen Halbkreis. Mister Galway stand auch in der Nähe. Seine pure Anwesenheit reichte normalerweise aus, um die Ordnung herzustellen. Aber das galt offenbar nicht für den dunkelhaarigen Kerl mit den leicht gelockten Haaren, der völlig außer sich zu sein schien. Er deutete auf eine Marmorsäule. „Da ist er! Was hat dieser Totengeist dort zu suchen? Achtet denn hier niemand darauf, dass die Mächte der Finsternis hier keinen Zutritt haben?“
Brian blickte angestrengt zu der Marmorsäule, in der der Wahlspruch der Schule eingemeißelt war: Übles dem Übel.
„Bin ich blind, oder wieso sehe ich da nichts?“, fragte Brian.
„Jetzt beruhige dich bitte, Rick!“, sagte Mister Galway. „Vor allem ist das alles kein Grund für so ein Geschrei!“
„Dann ist es in Ordnung, dass Geister hier durch das Haus spazieren, sich in den Unterricht setzen und sich über uns lustig machen? Seht ihn euch an, den Kerl mit dem großen Hut! Er tut jetzt genau dasselbe!“
Mister Galway wechselte einen Blick mit der Lehrerin, einer Frau in den mittleren Jahren mit sehr dicken Brillengläsern und einem mondförmigen Gesicht. „Sie können nichts feststellen, Mrs. Monroe?“, fragte Galway.
Die mondgesichtige Frau schüttelte den Kopf. „Tut mir leid! Aber um ehrlich zu sein, ist Totenbeschwörung auch nicht unbedingt meine Stärke. Ich bin hier als Lehrerin für die Geschichte der Weißen Magie und nicht...“
„Schon gut, Mrs. Monroe“, unterbrach Galway sie.
Der dunkelhaarige Rick trat unterdessen einen Schritt auf die Säule zu und sprach mit dem Geist, den außer ihm niemand sah. „Na, los, du könntet auch mal was dazu sagen! Macht es dir Spaß, dich über uns lustig zu machen oder hast du einfach nur nicht damit gerechnet, dass dich jemand sieht, so wie ich? Ist zugegebenermaßen auch keine alltägliche Fähigkeit... Aber an einem Ort wie diesem sollte man als Geist schon damit rechnen!“ Rick wirkte so, als würde er angestrengt zuhören. „Das sind doch alles nur Ausreden! Verschwinde hier! Du hast hier nichts zu suchen.“ Eine weitere Pause entstand. „Wie bitte? Ich habe hier nichts zu suchen und soll mich nicht so aufspielen? Umgekehrt wird ja wohl ein Schuh daraus.“
„Rick!“, sagte Mister Galway jetzt streng.
Rick drehte sich zu Mister Galway um und zuckte mit den Schultern. Sein Blick wirkte verständnislos. „Er sagt, ich soll verschwinden und er hätte die älteren Rechte hier!“
Mister Galway seufzte. „Eigentlich dachte ich, dass wir dieses Problem gelöst hätten... Wie sieht der Geist aus, den du siehst? Du sprachst von einem großen Hut...“
„Ja, und einen weißen Kragen hat er, dazu einen dunklen Anzug. Außerdem einen Spitzbart. Und er trägt einen Krückstock mit einem silbernen Griff, der wie ein Totenschädel geformt ist.“
„Das ist der Geist von Oliver Grant. Er hat dieses Haus errichten lassen und starb im Jahr 1699... Und um entsprechende Fragen gleich zu beantworten: Nein, er gehört nicht zu den Mächten der Finsternis und ist etwas lästig, aber harmlos!“ Mister Galway sah sich suchend um. „Rick? Wo ist er jetzt?“
„Hinter Ihnen, Mister Galway. Er macht Ihnen gerade Hasenohren!“, gab Rick Auskunft.
Mister Galway drehte sich blitzschnell um und hob die Hand. Ein grellweißer Lichtball entstand in seiner Hand. Mister Galway warf ihn dorthin, wo er den Geist vermutete und rechnete wohl dabei mit ein, dass er sich von ihm fortbewegte.
Der Lichtball prallte auf etwas Unsichtbarem auf. Es gab einen Lichtblitz. Und dann sah man eine Gestalt mit einem großen Hut und einem Stock, wie Rick ihn beschrieben hatte. Die Gestalt wirkte geisterhaft, war durchscheinend und leuchtete. „Mister Grant, Sie sind entlarvt!“, sagte Galway. „Sie haben die Erlaubnis in Ihrem Mausoleum im Garten zu spuken, aber nicht hier im Schulhaus!“
„Ja, Sir, ich weiß“, sagte der Geist von Oliver Grant, der ein paar Augenblicke brauchte, um zu begreifen, dass er im Moment gegen seinen Willen für alle sichtbar war.
„Ich möchte ungern mit weißmagischen Mitteln gegen Sie vorgehen müssen, Mister Grant. Also halten Sie sich in Zukunft vom Schulgebäude fern.“
„Ja, Sir.“
„Ihre Verdienste um diese Schule sind unbestritten. Schließlich haben Sie damals Ihr Erbe den Rittern vom Heiligen Licht vermacht. Aber meine Geduld ist nun zu Ende. Wenn Sie den Unterricht stören, muss ich Maßnahmen ergreifen!“
Der Geist verbeugte sich und stolperte davon. „Die schreckliche Langeweile! Ihr müsst mich verstehen...“
„Nein, dass verstehe ich keineswegs“, widersprach Galway. „Schließlich machen wir das alles hier nicht zum Spaß, sondern um den Mächten der Finsternis zu widerstehen. Das sollten Sie doch verstehen können, Mister Grant! Oder haben Sie nicht Ihren einzigen Sohn damals bei der schlimmen Werwolf-Plage von 1685 verloren?“
Der Geist lief auf die Wand zu und verschwand dann darin. Er lief einfach weiter und man sah für ein paar Augenblicke noch den Stein in eigenartiger Weise schimmern. „Lebt wohl!“, rief eine Stimme, von der sich Brian nicht ganz sicher war, ob er sie tatsächlich hörte oder diese Worte nur in seinem Kopf gesprochen wurden.
Mister Galway wandte sich nun zu den Schülern.
„Wie ihr seht, ist alles in Ordnung. Kein Grund zur Panik. Jeder, der diese Schule besucht, sollte in den ersten Tagen schon gelernt haben, dass hier nicht alles so ist, wie er es vielleicht von zu Hause her erwarten würde...“ Galway machte eine weit ausholende Armbewegung, die offenbar Rebecca und Brian galt. „Es spricht nichts dagegen, den Unterricht jetzt fortzusetzen, aber zuvor möchte ich noch Rebecca McKee und Brian Hunter vorstellen, zwei neue Schüler an der Mystic High School von Saint Morn!“
„Hi“, sagte Rebecca etwas schüchtern.
Brian nickte nur knapp.
Der dunkelhaarige Rick trat einen Schritt vor und deutete in seine Richtung. „Ist das vielleicht der Typ, der auf mein Zimmer kommen soll?“
„Ganz genau“, nickte Mister Galway. „Wir hatten ja darüber gesprochen.“ Der Schulleiter wandte sich an Brian und sagte: „Dies ist Rick Sabano aus Los Angeles.“
„Freut mich“, meinte Brian etwas verhalten.
„Ich hoffe, ihr kommt miteinander klar“, fügte Mister Galway in einem Tonfall hinzu, der deutlich machte, dass ohnehin nichts anderes duldete und in so fern keiner der Beteiligten irgendeine Wahl hatte.
„Ich bin sehr tolerant und komme mit jedem gut klar“, behauptete Rick. „Allerdings kann ich Leute nicht leiden, die ihre tote Verwandtschaft andauernd in Form von nervigen Geistern im Schlepptau hat.“
Brian zuckte mit den Schultern. „Kein Problem. Ich pflege keinen Kontakt zur Geisterwelt und halte auch nichts von Seancen und solchen Dingen.“
Rick seufzte. „Das sind meistens die Schlimmsten.“
„Wieso?“
„Weil die Totengeister hinter denen am meisten hinterher sind, die sie missachten. Da bilden sich dann manchmal regelrechte Geister-Aufläufe, und das liegt dann nur daran, weil der Betreffende einfach nicht mit den armen Toten sprechen will...“
„Ach, ja?“
„Naja, ich hoffe es werden bei dir nicht noch mehr als im Moment...“
„Noch mehr als im Moment?“ Brian runzelte die Stirn. „Was soll das denn heißen?“ Unwillkürlich drehte sich Brian um und schalt sich dann einen Narren. Der will mich doch nur auf den Arm nehmen!, ging es ihm durch den Kopf.
„Naja, da sind ein paar Geister, die dich andauernd verfolgen, aber ich hoffe, dass du den Rest deines Anhangs in New York gelassen hast...“
„Ich wusste gar nicht, dass ich dir erzählt habe, dass ich aus New York komme“, runzelte Brian die Stirn. Er fühlte sich jetzt doch ein wenig unbehaglich.
„Nein, hast du auch nicht. Das hat einer der Geister getan, die immer in deiner Nähe herumhängen. Sorry, ich sollte dir das bei Gelegenheit vielleicht mal etwas genauer erklären...“
„Aber nicht jetzt!“, schritt jetzt die mondgesichtige Mrs. Monroe ein. „Durch diese Störung durch den Geist von Oliver Grant haben wir wertvolle Unterrichtszeit verloren, die wir bis zum Ende des Schuljahres dann irgendwie wieder aufholen müssen...“
Die Schüler gingen etwas widerstrebend in die Klasse zurück.
Am Rande hatte Brian mitbekommen, wie Mister Galway Rebecca auch ihrer Zimmerpartnerin vorgestellt hatte. Sie hieß Nora Baily, war rotblond und trug ein verschlungenes Zeichen mitten auf der Stirn. Jedenfalls glaubte Brian das im ersten Moment. Als er dann noch einmal flüchtig zu ihr hinübersah, war das Zeichen anscheinend nicht mehr da und Brian glaubte einen Augenblick lang, dass er sich getäuscht hätte.
„Du hast dich nicht getäuscht“, erklärte sie, fast so als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Es war nicht möglich, weiter darüber zu sprechen, denn nun zeigte sich die mondgesichtige Mrs. Monroe von ihrer energischen Seite. „Schluss jetzt! Keine Endlos-Gespräche mehr auf dem Flur! Der Unterricht geht weiter und ich schlage vor, die beiden Neuen nehmen an dieser Stunde gleich teil! Es geht nämlich um ein sehr wichtiges Thema!“
„Das sagt sie von jedem Thema“, meinte Rick Sabano und begab sich nun ebenfalls in den Klassenraum.
„Wir müssen erst noch unsere Sachen...“, begann Rebecca, aber Mister Galway schnitt ihr sogleich das Wort ab. „Los, geht nur! Eure Zimmer könnt ihr auch noch nachher beziehen und was eure Sachen angeht, so sind die im Flur gut aufgehoben, wie ich euch ja bereits gesagt habe...“
„Tja, Pech gehabt, da gibt's wohl keinen Aufschub mehr“, grinste Brian Rebecca an.
„Einen Versuch war es wert“, meinte sie.