Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 45
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Brian hatte nur eine kleine Sporttasche mitgenommen. Leichtes Gepäck. Er ging irgendwie stillschweigend davon aus, dass es sowieso bald wieder Ärger geben würde und er auch Saint Morn vorzeitig verlassen musste. So war das auch an den High Schools gewesen, die er zuvor besucht hatte.
Zusammen mit Mister Smith ging er die Stufen des Portals hinauf. Die Tür aus dunklem Ebenholz war mit Schnitzereien verziert. Fratzenhafte Geistergesichter vor allem, die Brian an die Totempfähle mancher Indianerstämme erinnerten.
Über der Tür waren drei messingfarbene Ringe, die ineinanderfassten, in den Stein eingelassen.
Darunter war ein Spruch eingraviert. Die Buchstaben waren etwas verschnörkelt, so dass man genau hinsehen musste, um die drei Worte lesen zu können.
Übles dem Übel, stand dort.
„Oh mein Gott! Kluge Sprüche für jeden Neuling, oder was soll das?“
„Es ist der Leitspruch unserer Schule“, sagte Mister Smith.
„Und was sollen die drei Ringe da oben? Olympia für Arme? Hat man dem Handwerker nicht genug Geld für fünf Ringe gegeben?“
„Die drei ineinander fassenden Ringe sind ein uraltes Zeichen“, erklärte Mister Smith. „Mister Galway kann dazu gewiss sehr viel mehr sagen, aber soweit ich weiß, ist es das Symbol des Polyversums!“
„Was soll das denn sein?“
„Die Gesamtheit aller möglichen Universen und Welten. Es ist das Zeichen unseres Internats.“
„Klingt abgefahren“, meinte Brian. „Übles dem Übel... Da könnte man jetzt noch ergänzen: Jeden Tag eine gute Tat, wie bei den Pfadfindern!“
„Es gibt Dinge, über die sollte man sich nicht lustig machen, Brian“, erwiderte Mister Smith sehr ernst.
Smith öffnete die Tür mit eine durchdringenden Knarren. „Das Gespensterschloss lässt grüßen“, witzelte Brian noch. Sie traten in die hohe Eingangshalle.
Ein Mädchen in Brians Alter saß dort auf ihren Sachen. Mindestens fünf Taschen hatte sie dabei. Sie hatte langes, dunkles Haar und meergrüne Augen. Was ihre Klamotten betraf, schien sie nur eine einzige Farbe zu kennen – schwarz.
Offenbar war sie auch gerade erst angekommen und nun saß sie hier wie bestellt und nicht abgeholt.
Als sie Brian bemerkte, sah sie zu ihm hinüber und grinste ihn an.
Brian grinste zurück.
Aber schon in nächsten Moment wurde seine Aufmerksamkeit durch schwere Schritte abgelenkt. Ein hochgewachsener sehr hagerer, grauhaariger Mann im dunklen Anzug kam die Treppe herab. Er trug ein in Leder gebundenes Buch unter dem Arm. Fast hätte man denken können, dass es ein Gebetbuch war, wenn auf dem Ledereinband nicht ein Pentagramm zu sehen gewesen wäre.
Das Gesicht des Grauhaarigen wirkte mumienhaft, die graue Haut wie Pergament.
Er blieb stehen und hob das Kinn.
Sein Blick traf zunächst das Mädchen in Schwarz und dann Brian. Ein Blick, der Brian sehr abschätzig vorkam.
„Mister Smith, sind das die neuen?“
„Ja, also...“, stammelte Mister Smith, der plötzlich selber wie ein Schuljunge wirkte.
„Dann bringen Sie die beiden sofort zu Mister Galway.“
„Jawohl, Mister Van Ray“, versicherte der Hausmeister.
Van Ray wandte sich der Dunkelhaarigen zu. „Du musst Rebecca McKee sein, nicht wahr.“
Sie nickte und erhob sich.
„Bin ich!“
„Neben der Beherrschung deiner Fähigkeiten wirst du hier sicherlich noch lernen, wie man sich benimmt, Rebecca – und nicht wie ein nasser Sack auf seinem Gepäck sitzen bleibt, wenn man seinem zukünftigen Lehrer begegnet.“
„Tut mir Leid, Sir“, sagte Rebecca sichtlich irritiert.
Mister Van Ray nickte abschätzig und sah auf eine Weise auf Rebecca herab, die ihn nicht gerade sympathisch erscheinen ließ. Wenn das einer der Lehrer hier ist – na dann gute Nacht!, ging es Brian durch den Kopf. Wahrscheinlich brauche ich dann meine Sachen gar nicht erst auszupacken, so schnell fliege ich in Saint Morn heraus!
Van Ray wandte sich nun Brian zu, näherte sich mit zwei Schritten und musterte ihn stirnrunzelnd.
„Und du musst Brian Hunter sein...“
„Ja, Sir.“
„Ich habe deine Akte gelesen. Da steht nicht viel Gutes drin, Brian. Wirklich nicht viel Gutes...“
Brian bemerkte, wie sich der Kronleuchter, der an langen Ketten von der Decke hing bewegte. Er schwang zur Seite, sodass er genau über Mister Van Rays Kopf schwebte.
Aber anstatt zurückzuschwingen, blieb der Leuchter so und es sah nun aus, als ob über Mister Van Ray ein Heiligenschein schweben würde.
Es sah aus, als hätte eine unsichtbare Hand den Leuchter bewegt.
Brian warf einen kurzen Blick zu Rebecca McKee hinüber, die alles nur Mögliche tat, um ihr Grinsen zu unterdrücken und dabei trotzdem gleichzeitig ein möglichst ernsthaftes Gesicht zu machen – passend zu Mister Van Rays Leichenbittermiene. Aha, dachte Brian. Du hast also ein Talent, das meinem sehr ähnlich ist...
Nur Rebecca kam schließlich für die Bewegung des Leuchters infrage – denn Brian selbst war das nicht und Mister Smith bezeichnete sich selbst ja als völlig untalentiert.
„Ich will sehr hoffen, dass du auch noch so ein fröhliches Gesicht machst, wenn du einige Zeit hier auf Saint Morn warst und wir dich zurechtgebogen haben! Unruhestifter dulden wir hier jedenfalls nicht! Das solltest du von Anfang an wissen!“
„An mir soll es nicht liegen“, meinte Brian.
„Natürlich nicht. Wahrscheinlich liegt es immer an den anderen! Wie üblich“, erwiderte Van Ray.
Brian konzentrierte sich auf die Haare seines Gegenübers. Na los, kommt schon..., dachte er. Manche Dinge ließen sich besser beeinflussen als andere. Woran das jeweils lag, davon hatte Brian keine Ahnung. Aber vielleicht würde er das hier ja lernen... Zwei Haarsträhnen richteten sich an Van Rays Kopf auf, ohne dass dieser etwas davon bemerkte. Brian zwirbelte sie mit seinen Kräften etwas, so dass sie an die Antennen eines Außerirdischen erinnerten.
Rebecca konnte kam noch an sich halten und es war reine Glücksache, dass Van Ray sich nicht ausgerechnet in diesem Augenblick zu ihr umdrehte.
Das wäre wirklich kein gelungener Einstand in Saint Morn gewesen.
„Also dann. Seid fleißig und gelehrsam“, sagte Van Ray mit einem Tonfall, der so streng und scharf war, dass sowohl Rebecca als auch Brian sofort jeder Gedanke an ein unziemliches Grinsen verging. „Und bedenkt eines: Das Motto unserer Schule heißt Übles dem Übel. Falls einer von euch dem Übel zuzurechnen ist, wird es ihm hier nicht gut gehen!“
„Daran zweifle ich nicht, Sir“, gab Brian zurück.
„Dann ist es ja gut“, sagte Van Ray und ging dann davon.
Er hatte den Eingang zum Flur in den Westflügel schon fast erreicht, da drehte er sich noch einmal um – genau in dem Moment, in dem Rebecca die Konzentration ihrer Kräfte offenbar nicht mehr aufrecht erhalten konnte, sodass der Kronleuchter nun zurückschwang und ein paarmal ziemlich heftig hin und her pendelte.
Mister Van Ray streckte einen der dürren Finger seiner rechten Hand aus und deutete auf den hin und her schwingenden Kronleuchter.
„Man sollte seine Talente niemals für so einen Unsinn verschwenden!“, erklärte er streng, bevor er im nächsten Moment in den Flur zum Westflügel entschwand.