Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 55
Оглавление3
Joggen, Enkel zum Kindergarten bringen, Speise und Putzplan mit dem Hausmädchen besprechen, Bridge Runde und am späten Nachmittag Treffen der Amnesty-International-Gruppe von Queens - ein voll gestopfter Tag für Emely Johnson.
Ein Tag wie Tausende zuvor, ein Tag wie unzählige, die diesem noch folgen würden. Jedenfalls verschwendete Emely an jenem Abend keinen Gedanken an die Möglichkeit, einen solchen Tag vielleicht nie wieder zu erleben.
Dabei war es nur Zufall, dass sie am nächsten Morgen, als das Telefon klingelte, noch lebte und die schreckliche Nachricht entgegennehmen konnte. Reiner Zufall, weiter nichts.
Der Zufall spielte in diesem Fall folgendes Spiel: Emely und Eric, ihr Mann, packten einen gemeinsamen Koffer in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. Die Abendsonne warf ihr freundliches Licht durch die offene Balkontür auf den Koffer und auf die blaue Tagesdecke des Bettes.
Eric hatte seit Langem einen Kurzurlaub geplant. Mittwochabend bis Sonntagabend in ihrem Wochenendhaus auf Coney Island. Er war ganz heiß darauf. »Die letzten schönen Tage des Jahres!«, rief er begeistert. »Was für ein Glück wir haben! Vier Tage lang keine hinterfotzigen Anwälte, vier Tage lang keine schmutzige Wäsche aus gescheiterten Ehen, vier Tage lang keine schmierigen Kriminellen!« Er ballte die Fäuste und schüttelte sie über dem Kopf. Eric war Richter am New York County Courthouse in Manhattan.
Während Emely zwei Drittel des Koffers mit ihrer Garderobe füllte auch in Coney Island musste man mit Einladungen irgendwelcher Nachbarn rechnen, und sie liebte es zu repräsentieren - überprüfte Eric sein Angelzeug. Er besaß eine kleine Yacht; sie lag im Yachthafen von Coney Island. Erst, wenn er ein paar Meilen weit in den Atlantik hinausfuhr und seine Angel auswarf, konnte er das New York County Courthouse wirklich vergessen.
Eric war ein großer, beleibter Mann mit einem schütteren, grauen Haarkranz auf dem mächtigen Schädel. Einen Monat zuvor hatte er seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag gefeiert.
Emely - acht Jahre jünger als ihr Mann - stand vor dem Spiegel und hielt sich ein langes Abendkleid und einen roten Hosenanzug vor den Körper, als das Telefon klingelte. »Vielleicht sind die McMillans auch übers Wochenende auf Coney Island.«
Geoffrey McMillan war Chefankläger im New York County Courthouse. Sein Wochenendhaus stand nur ein paar Hundert Yard von dem der Johnsons entfernt. Das Telefon klingelte immer noch.
»Sie werden sicher wieder eine Sektparty veranstalten. Was meinst du, Eric - nehme ich das Kleid mit oder den Hosenanzug?« Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte und klingelte. Es war natürlich der Zufall, aber das ahnten weder Eric noch Emely.
»Pack beides ein«, brummte Eric. Emely würde es sowieso tun. Die beiden waren dreiundzwanzig Jahre verheiratet, und Eric glaubte seine Frau inzwischen ein wenig zu kennen. »Und geh endlich ans Telefon.«
Emely legte Kleid und Hosenanzug auf den offenen Koffer, tänzelte zum Nachttisch und nahm den Hörer ab. »Johnson ...! Ach du bist’s, Darling ... Warum klingt deine Stimme so merkwürdig ...? Was ist los, Darling?«
Der mütterlich besorgte Tonfall verriet Eric, wer der Anrufer war - Jane musste am Apparat sein. Jane, ihre neunundzwanzigjährige Tochter. Eric klemmte sich seine Angel unter den Arm und verließ das Schlafzimmer. Wenn Jane anrief und Emely in diese jammernde Stimmlage fiel, waren garantiert Eheprobleme angesagt. Nichts, was Eric hören wollte. Außerdem musste er seine Gummistiefel aus der Garage holen.
Als er zehn Minuten später zurückkam, hockte Emely auf dem Bett und weinte.
»Was, zum Teufel, ist passiert? Hat er sie verprügelt?«
»Schlimmer«, schluchzte Emely. »Er hat eine andere ... Ein Liebesbrief ... Jane hat einen Liebesbrief von ihr in seinem Schreibtisch gefunden ...«
»Was muss sie auch in seinem Schreibtisch herumkramen!«
»Du bist gemein, Eric«, jammerte Emely. »Begreifst du nicht? Unser Kind ist unglücklich. Dieser ... dieser Schuft hintergeht die arme Jane ...«
»Ich hab ihr immer gesagt, sie soll die Finger von diesem Kerl lassen.« Eric schnappte sich sein Angelzeug und eine Tasche mit Büchern und machte Anstalten das Schlafzimmer zu verlassen. »Ich hab den Wagen rausgestellt.«
»Jane will keine Stunde länger Bett und Tisch mit ihm teilen«, verkündete Emely. »Sie und die Kinder kommen ein paar Tage zu uns.« Wieder schluchzte sie. »Ich kann unmöglich nach Coney Island fahren. Meine Tochter braucht mich jetzt! Und dich braucht sie auch! Fahr den Wagen wieder in die Garage!«
»Kommt nicht in Frage!« Eric hatte sich entschieden, sich seine gute Laune von niemandem verderben zu lassen. »Hol deine Sachen aus dem Koffer - ich fahre allein!«
»Hast du einen Stein statt eines Herzens in der Brust?« Emely ruderte aufgeregt mit beiden Armen und lief ihm bis in den Garten hinterher. »Jane braucht uns, dass musst du doch verstehen!«
Seelenruhig packte Eric seine Sachen in den Kofferraum seines Plymouth. Er war fest entschlossen, nur sich selbst zu verstehen. Er brauchte ein paar Tage Urlaub. Basta.
In Gedanken fluchte er natürlich. Auf seinen Schwiegersohn. Der italienisch stämmige Paul war nicht nur ein loser Weiberheld - anders hatte Eric ihn nie eingeschätzt -, er war auch noch zu blöd, seine Seitensprünge zu verbergen. Eric selbst wäre so etwas nicht passiert.
Sie stritten ein Weilchen hin und her, Emely zeterte und jammerte, Eric brummte ein bisschen und blieb stur. »Ich verachte dich«, schimpfte Emely, als er sich endlich hinter das Steuer setzte. »Du bist ein Rabenvater, denkst nur an dich, nur an dich ...«
Das waren ungefähr die letzten Worte, die sie ihm an den Kopf warf. Eric antwortete nicht und fuhr in die Dämmerung hinein. Kein schöner Abschied, wenn man bedenkt, dass Emely und Eric Johnson danach nie mehr Gelegenheit bekommen sollten, miteinander zu sprechen ...