Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 58
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Der Abend war so oder so gelaufen, was also sollte ich tun? Etwa nach Harlem hinauffahren, den Jazzkeller suchen und mich mit dem Basketballer prügeln? Nein - ich fuhr lieber hinunter nach Brooklyn und besuchte den Filmstar, der nicht wollte, dass die Öffentlichkeit von seiner Angst erfuhr. Erstens hatte er am Telefon ziemlich sympathisch geklungen, und zweitens hatte das Hauptquartier in Washington schon vor Monaten die Parole ausgegeben, dass jeder Special Agent für das Image des FBI mitverantwortlich war. Und was fördert das Image des FBI besser als Special Agents, die sich in ihrer Freizeit verängstigten Bürgern widmen.
Laramie Stone wohnte im südöstlichen Flatbush. Keine zehn Autominuten von der Jamaica Bucht entfernt. Ein gusseiserner Zaun auf einer niedrigen Mauer aus Buntsandstein friedete das große Grundstück ein. Die Laternenlichter ließen die Farben des Laubs der Bäume hinter dem Zaun aufleuchten - gelb und rot. Ich parkte meinen Sportwagen vor dem gusseisernen Tor.
Über eine Sprechanlage meldete ich mich an. Kurz darauf der Türsummer. Weißer Quarzkies knirschte unter meinen Schuhsohlen, als ich über einen Gartenweg schritt. Die Außenbeleuchtung des Hauses flammte auf. Eine alte Villa aus der Gründerzeit - drei Stockwerke hoch, Säulen unter dem Vordach des riesigen Balkons, zahllose Erker, zwei Löwen aus dunklem Marmor rechts und links der Vortreppe.
Die schwere Haustür wurde aufgezogen. Klaviermusik drang aus dem Haus. Ein Mann in weißem Anzug kam mir entgegen, ein Afroamerikaner.
»Ich bin Ihnen so dankbar, Mister Trevellian!« Es war Stone persönlich. Seine kräftige Hand schloss sich um meine, er wollte gar nicht wieder loslassen und strahlte mich unentwegt an. Ich dachte an Lindas spöttisches Lächeln und fragte mich, ob sie mich je wieder so anstrahlen würde, wie dieser Fremde es im Augenblick tat.
»Betrachten Sie es als Privatbesuch«, sagte ich. »Eigentlich ist die City Police zuständig. Aber wenn mich jemand persönlich anruft, kann ich schlecht Nein sagen.« Ich grinste. »Schon gar nicht, wenn jemand anruft, der behauptet, ich sei sein Vorbild.«
»In schauspielerischer Hinsicht.« Stone hob den Zeigefinger. »Ich kenne Sie ja nicht als Mensch. Aber man hört nur Gutes von Ihnen.« In der Rechten hielt er eine große, schwarze Stablampe. »Lassen Sie uns gleich in den Garten gehen. Schade, dass es schon dunkel ist.«
Ich folgte ihm durchs Haus. Die Klavierakkorde wurden lauter. Durch eine großzügige Eingangshalle mit einer breiten Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, schritten wir und betraten schließlich eine Art Salon. Wenige Designermöbel, schwarzweiß gehalten, eine Bar, eine große Musikanlage, ein Flügel. Eine hochgewachsene Frau mit kurzen blonden Haaren saß vor dem Klavier und griff in die Tasten. Sie blickte kurz auf, als ich an ihr vorbeiging, und lächelte. Sie hatte ein schmales Gesicht mit hochstehenden Wangenknochen und einem großen energischen Mund.
»Das ist Jennifer Rubiner.« Stone lächelte mir über die Schulter zu. »Meine Freundin.«
Mir blieb nicht viel Zeit, mich weiter umzusehen. Stone zog eine Glastür auf und führte mich über eine Terrasse in den Garten.
Die Außenbeleuchtung des Hauses fiel auf einen englischen Rasen. Mittendrin ein Springbrunnen. Es schien mir untertrieben, das Grundstück hinter der Villa als »Garten« zu bezeichnen. Es war ein Park. Je weiter wir uns von der Terrasse entfernten, desto dunkler wurde es. Stone knipste seine Stablampe an. Ihr Strahl fiel auf mannshohe Rhododendronsträucher. Dahinter schlanke, weiße Baumstämme - Birken.
»Hinter den Birken liegt mein Pool« , sagte Stone. Er leuchtete auf einen Weg, der durch die Rhododendronsträucher hindurch zu den Birken führte. »Diesen Weg benutze ich, wenn ich zum Pool will. Gestern lief Rainbow mir voran. Das war mein Glück.«
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Zielstrebig betrat er den Weg. Ich folgte ihm. Rhododendronzweige streiften meine Schultern, Laub raschelte, der Strahl der Stablampe glitt über zerfallende, aber noch rote Blütendolden. Dann standen wir zwischen den Birken.
Für einen Augenblick fiel der Lichtkegel auf die Wasseroberfläche eines etwa dreißig auf achtzig Fuß großen Swimmingpools. Sofort wanderte er wieder über den kurz geschorenen Rasen, bis er auf einen höchstens armdicken, abgeschälten Baumstamm traf, der horizontal etwa vier Fuß über dem Rasen schwebte.
»Sehen Sie sich das an, Mister Trevellian.« Stone ließ den Lampenstrahl zum Ende des abgeschälten Rundholzes wandern. Mir fiel auf, dass es leicht durchgebogen war - als würde es unter Spannung stehen. Mit einem dicken Seil war es an einem der Birkenstämme verknotet. Das Licht glitt wieder den Stamm entlang. Bis zu dessen Ende. Dort war eine Holzplatte befestigt. Der abgeschälte Stamm presste die Platte gegen eine alte Birke. Zwischen dem Rasen und der Unterkante der Platte hing der Kadaver eines Schäferhundes.
Ekel presste mir die Eingeweide zusammen. »Welcher Wahnsinnige hat sich das ausgedacht?«
Kopfschüttelnd trat ich an den Kadaver heran. Kopf und Vorderläufe des Tieres waren nicht zu sehen. Sie klemmten zwischen Plattform und Birke. Der große Körper des Hundes, Hinterläufe und Schwanz hingen schlaff ins Gras hinunter. Im Licht der Stablampe erkannte ich verkrustetes Blut im Fell. Auch das Gras am Fuß der Birke war voller Blut.
»Eine perfide Falle, finden Sie nicht, Mister Trevellian?« Stone ging zur Birke und leuchtete hinter die Holzplatte. »Sehen Sie sich’s an!«
Ich beugte mich über die Platte. Kadaver und Hundegestank würgte mich. Die Platte war mit langen Nägeln gespickt. Mit Nägeln, wie Zimmerleute sie bei der Errichtung von Dachstühlen verwenden. Sie hatten den Kopf des Hundes regelrecht aufgespießt.
»Ich habe den Mechanismus noch nicht begriffen.« Stone leuchtete ins Gras. »Sehen Sie die Nylonschnur? Rainbow muss sie berührt haben. Dadurch wurde das Todesgerät ausgelöst. Es war an der gegenüberliegenden Birke befestigt.«
Der Lampenstrahl beleuchtete einen fast dreißig Fuß entfernt stehenden Birkenstamm. Ein breiter Metallring war um den Stamm angebracht worden und eine Art Karabinerhaken.
»Der Stamm mit der Stachelplatte war zurückgebogen und stand unter starker Spannung. Die Berührung der Nylonschnur löste ihn - und wusch!« Stones Hand fegte durch die Luft. »Wenn ich vor Rainbow die Stelle passiert hätte ... Die Nägel sind lang genug, um bis in die inneren Organe einzudringen.«
Ein qualvoller Tod, dachte ich. Keiner, der nur ein paar Sekunden dauert ... Ich sprach es nicht aus. »Wenn Sie die Falle entdeckt hätten, wäre es bereits zu spät gewesen.«
Ich versuchte mich zu erinnern, wann ich in meiner Zeit als G-Man etwas Derartiges schon gesehen hatte. Mir fiel nichts Vergleichbares ein.
»Wer tut so etwas?« Ich stemmte die Fäuste in die Hüften und sah mich kopfschüttelnd um. »Wer nimmt sich so viel Zeit? Wer betreibt einen solchen Aufwand?«
»Vermutlich jemand, der eine Kugel in meinem Kopf zu human fände.«
»Ja ...« Ich nickte. Stones These leuchtete mir ein. »Ja, jemand will Sie nicht nur einfach töten - jemand will Sie leiden lassen.«
Zurück in seinem Salon bot er mir einen Cognac an. Ich sagte nicht nein. Die Lady namens Jennifer Rubiner saß noch immer am Klavier. Sie spielte ein Stück von Schumann. Der verendete Hund draußen im nächtlichen Garten stand mir noch vor Augen. Und dazu romantisches Piano. Auch eine Art, seine Angst zu verjagen, dachte ich.
»Ich war eine Woche in Hollywood«, erzählte Stone. »Dreharbeiten. Gestern erst zurückgekommen. In dieser Zeit muss jemand das Mordding im Garten installiert haben.«
»Ich habe gute Freunde im Police Department«, sagte ich. »Ich werde dafür sorgen, dass ein paar fähige Detectives bei Ihnen vorbeischauen. Detectives, die verstehen, Ihnen die Mediengeier vom Hals zu halten.«
»Ich danke Ihnen, Mister Trevellian.«
»Wer hasst Sie so sehr, dass er Ihnen einen solchen Tod zugedacht hat?« Es war mehr ein lautes Nachdenken als eine direkt gestellte Frage.
»Ich weiß es nicht.« Stone zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es wirklich nicht ...«