Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 59
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Eric wollte den Fremden in seinem Garten ansprechen. Doch nur ein unverständliches Krächzen löste sich aus seiner Kehle. Seine Angst wurde ihm bewusst, und das hatte zwei Auswirkungen auf ihn: Die Angst drohte sich in Panik zu verwandeln, und gleichzeitig wurde Eric wütend.
Er widerstand dem Impuls, ins Haus zu laufen und sämtliche Türen abzuschließen, und atmete tief durch. So, wie es ihm der Lieutenant auf dem Schießstand vor Jahren beigebracht hatte - tief durchatmen, Luft anhalten und dann erst abdrücken. Wenn man die Zeit hat. Eric hatte nicht mal eine Waffe. Sie lag geladen im Nachttisch des kleinen Schlafzimmers.
Der Kerl stand hinter den Johannisbeersträuchern und rührte sich nicht. Eric konnte nicht erkennen, ob er bewaffnet war. Seine Arme hingen seitlich des Körpers herab, und seine Hände wurden von den Sträuchern verdeckt. Aber die Maske - niemand trägt eine Sturmmaske, der sich einfach nur während eines Strandspaziergangs verlaufen hat.
Immer noch atmete Eric tief durch. Das Gefühl der Lähmung verschwand, die Panik zog sich hinter sein Brustbein und in seinen Hinterkopf zurück. »Wer sind Sie?«
Seine Stimme klang lächerlich in seinen eigenen Ohren. Wie das Krächzen eines alten Mütterchens. Eric ärgerte sich noch mehr. Und probierte es ein zweites Mal.
»Wer sind Sie?« Diesmal klang es lauter und bestimmter. »Was, zum Teufel, haben Sie in meinem Garten verloren?«
Der Fremde mit der Sturmmaske rührte sich nicht.
»Verschwinden Sie!«
Keine Reaktion.
»Sind Sie taub, Mann? Sie sollen abhauen!«
Der Mann in der Armeejacke zuckte nicht mal. Als wäre er eine Vogelscheuche, verharrte er regungslos.
»Hau ab!«, rief Eric. Sein eigenes Geschrei machte ihm Mut. »Na, wird’s bald?«
Trotz der Dunkelheit draußen im Garten konnte Eric die Sehschlitze in der schwarzen Sturmhaube des Kerls sehen. Er hatte das Gefühl, die Blicke des anderen würden ihn festhalten.
Eric begann mit den Armen zu fuchteln, wie man es bei Vieh tut, wenn man es vertreiben will. »Hau ab! Hau ab! Sonst hol ich die Polizei!«
Der Fremde rührte sich nicht.
»Unverschämtheit!«, schrie Eric. Es tat gut zu schreien. »Eine Unverschämtheit ist das! Schon mal was gehört von Hausfriedensbruch?«
Der Mann zeigte keine Reaktion. »Meine Geduld ist am Ende, Mister! Ich ruf jetzt die Polizei an!«
Rückwärts zog er sich ins Haus zurück. Ganz langsam, Schritt für Schritt. Keinen Moment ließ er den nächtlichen Störenfried aus den Augen, schob die Glastür zur Terrasse zu. Durch das Glas spähte er wieder in den Garten hinaus.
Der Vermummte rührte sich immer noch nicht.
Eric begann sich zu fragen, ob da draußen in den Blumenbeeten seiner Frau hinter den Johannisbeersträuchern nicht vielleicht doch eine Schaufensterpuppe stand. Eine Schaufensterpuppe, der ein verdammter Scherzkeks eine Armeejacke angezogen und eine Sturmhaube übergestülpt hatte.
»Das werden wir ja gleich sehen«, zischte er. Er lief durch das Kaminzimmer ins Schlafzimmer. Sein T-Shirt klebte unter seinen Achseln. Für einen Moment starrte er auf das Telefon auf dem Nachttisch. Seine Hand zuckte schon zum Hörer. Aber er nahm ihn nicht ab.
Ich mach mich ja lächerlich, dachte er und stellte sich vor, wie Cops mit gezogenen Waffen durch seinen Garten Hefen, durch die Johannisbeersträucher brachen und der vermummten Gestalt den Pistolenlauf auf die Brust setzten. Und wie die Gestalt steif nach hinten kippt. Und wie die Cops lachen, wenn sie die Sturmhaube vom Kopf der Schaufensterpuppe ziehen.
Ich mach mich lächerlich ...
Er zog die Nachttischschublade auf und nahm seine kurzläufige Dienstwaffe heraus. Er ließ die Trommel herausspringen - sechs Schuss. Ein Schlag mit der Handfläche - die Trommel schnappte ein. Eric spannte den Hahn.
Zurück an der Schiebetür zur Terrasse sah er, dass der Fremde noch immer bewegungslos hinter den Sträuchern stand. Oder die Puppe. Oder war es am Ende nur eine Halluzination?
Blödsinn, dachte er. Ich bin doch nicht übergeschnappt. Da steht einer, ich seh’s doch!
Mit der Linken zog er die Glasfront auf, mit der Rechten hob er den Dienstwaffe. Er trat auf die Terrasse. Noch einmal wollte er die vermummte Gestalt ansprechen. Doch plötzlich kam ihm das unsinnig vor. Die Vorstellung - oder der Wunsch -, dass es ja nur eine Puppe sein könnte, hatte sich schon zu tief in sein Hirn gegraben.
Breitbeinig stellte er sich auf der Terrasse auf, mit beiden Händen hob er den Revolver. So, wie der Polizei-Lieutenant es ihm beigebracht hatte. Seine Arme bebten, seine Hände zitterten. Er starrte in die Dunkelheit. Unverändert hinter den Johannisbeersträuchern die Gestalt in der Armeejacke und mit der Sturmhaube.
Eric machte sich bewusst, dass ihm ja niemand zuhörte. Außer der Kerl dort im Garten - wenn er denn tatsächlich ein Mensch aus Fleisch und Blut war. »Wer immer du bist«, krächzte Eric, »ich schieße jetzt! Wenn du ein Mensch bist, rennst du, so schnell du kannst! Wenn du eine Puppe bist, bleibst du stehen!«
Die Gestalt hinter den Johannisbeersträuchern fuhr blitzschnell herum und verschwand in der Dunkelheit. So schnell, dass Eric zu Tode erschrak. Er ließ die Waffe sinken und schnappte nach Luft. »Verflucht ...« Das Gebüsch raschelte, Schritte waren zu hören, deutlicher als das Rauschen der Brandung.
Erics Verstand verbuchte die Flucht des Unheimlichen als Sieg. Die Wut gewann die Oberhand. »Verfluchter Scheißkerl!« Er schaukelte in den Garten hinein. Vor den Johannisbeersträuchern blieb er stehen und spähte in die Dunkelheit. Vor der dunklen Wand der Hecke, die den hohen Metallzaun um sein Grundstück verbarg, sah er die Umrisse einer Gestalt. Da stand der Kerl! Als würde er auf etwas warten ...
»Über den Zaun mit dir!« Wieder hob Eric die Waffe. Er trat zwischen die Johannisbeersträucher. »Los, sonst.«
Der Boden unter ihm brach ein.
Er fiel.
Etwas bohrte sich in seinen Schenkel, etwas in seinen Bauch.
Er schrie.
Er kippte zur Seite weg, schlug mit Kopf und Rippen auf etwas Spitzem auf. Er brüllte.
Erde, dünne Äste und Johannisbeersträucher fielen auf ihn.
Er ruderte mit den Armen, die Waffe entglitt ihm. Er wollte sich abstützen, griff in metallene Glieder, sie brannten in seinen Eingeweiden, in seinem Hirn.
Er brüllte wie ein Wahnsinniger.
Wenig später, als er keine Kraft mehr zum Brüllen hatte und nur noch krächzte und wimmerte, flammte über ihm ein Feuerzeug auf. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte Eric Mund und Augenschlitze in der Sturmmaske erkennen. Im Mundschlitz steckte eine Zigarette ...