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Suzy hatte die Cops angerufen. Ihr Vater war verschwunden.

In letzter Zeit kam er öfter mal erst lange nach Mitternacht nach Hause. Meistens war er dann reichlich betrunken, brüllte schon im nächtlichen Treppenhaus militärische Kommandos und erzählte dann die halbe Nacht von seinen Erlebnissen in Vietnam. Anschließend weinte er sich in den Schlaf.

Aber an diesem Donnerstag war er überhaupt nicht nach Hause gekommen. Am Abend zuvor war er in einem Taxi weggefahren. Angeblich nach Tarrytown, wo ein Kriegskamerad von ihm lebte.

Suzy hatte kein Auge zugemacht. Bis in den frühen Morgen hinein wartete sie auf ihn. Gegen sechs Uhr begann sie sämtliche Kliniken in der Stadt anzurufen. Nirgends war eine Schnapsleiche oder ein Verunglückter mit dem Namen O’Brian eingeliefert worden.

Auch in seinen drei oder vier Stammkneipen hatte man ihn nicht gesehen. Und der Vietnamveteran in Tarrytown ging nicht an’s Telefon.

Also die Cops. Aber die versuchten ihre Sorgen zu zerstreuen. Sie solle zwei oder drei Tage warten. Vorher könnten sie sowieso keine Vermisstenanzeige aufnehmen. Erst als Suzy erzählte, dass ihr Vater auf starke Psychopharmaka angewiesen und ohne sie unberechenbar wurde, notierten sie seine Personalien und ließen sich sein Aussehen beschreiben.

Wenigstens das.

Unruhig lief sie durch die Wohnung. Vom Wohnzimmer in ihr Schlafzimmer, von dort in die Küche und von dort wieder ins Wohnzimmer. Sie dachte an die Begegnung mit Chester Bronson. Das Gespräch mit dem Mann hatte sie mächtig aufgewühlt. Es irritierte sie, keine Wut auf ihn zu empfinden. Sein Bild auf ihrer inneren Bühne flößte ihr sogar etwas wie Achtung, ja, Sympathie ein. Ob sie ihn anrufen und um Hilfe bitten sollte?

An der Wohnungstür klimperte ein Schlüssel. Suzy huschte zur Tür, zog sie auf. Die tief liegenden grauen Augen ihres Vaters blickten sie an. »Morning, Suzy«, sagte er leise. Er roch nach Alkohol. An ihr vorbei schob er sich ins Apartment. Uniformhose und Armeejacke schlotterten um seinen knochigen Körper. Er wankte nicht. Suzy sah, dass seine Hosen dreckig waren. Als wäre er über Laub und Erde gerobbt.

»Wo warst du, Dad?« Suzy schloss die Tür.

»In Brooklyn.«

»Bei Mom?«

Er nickte stumm.

»Die ganze Nacht?«

»Warum nicht, zum Teufel?«, knurrte er. »Warum soll ich nicht die ganze Nacht auf dem Friedhof verbringen?«

»Natürlich. Ist schon gut.« Suzy spürte die Spannung, unter der er stand. Sie lief in die Küche, holte ein Glas Wasser und nahm dann seine Pillenschachtel vom Esstisch. »Du musst deine Tabletten nehmen.«

William O’Brian wandte sich ab und ging in sein Schlafzimmer. Suzy hinterher. »Deine Tabletten, Dad.« Er zog seine Armeejacke aus und warf sie auf’s Bett. »Deine Tabletten ...« O’Brian warf sich auf den Boden und begann mit seinen Liegestützen. »Dad, bitte ...«

Ruckartig richtete er sich auf. »Raus hier!«, zischte er.

»Aber du weißt doch, was dein Arzt ...«

»Ich weiß, dass es guttut, den ganzen gottverdammten Hass zu spüren!« Er schlug sich mit den Fäusten gegen die Brust. »Jawoll, es tut gut! Ich nehm die Scheißtabletten nicht mehr! Ich hab darüber mit Kathy gesprochen - sie sieht das genauso!«

»Aber, Dad ...«

O’Brian warf sich auf sein Bett. Er zog sein Schnellfeuergewehr unter der Decke hervor und stellte sich vor seine Tochter hin. »Wenn ich nicht so ein gläubiger Katholik wäre, weißt du, dann hätte ich diese Schweinehunde längst umgemäht! Alle hätte ich sie abgeknallt!«

Er ließ das Magazin herausspringen und hielt es ihr unter die Nase. Es war voll.

»Und wenn du noch ein einziges Mal mit diesem verfluchten Bronson telefonierst, dann werde ich nachholen, wovon mich mein Glaube und die verdammten Pillen neun Jahre lang abgehalten haben! Und Bronson wird der Erste sein ...!«


7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte

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