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a) Die Anerkennung der unmittelbaren Anwendbarkeit der EMRK

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Im Zusammenhang mit der Anerkennung des self-executing-Charakters der EMRK, d.h. der Möglichkeit der direkten Anwendung der dort niedergelegten Rechte und Freiheiten durch die Gerichte, ist es zu einem Rechtsprechungskonflikt zwischen den verschiedenen Sektionen der Corte di Cassazione gekommen. Zunächst wurde der EMRK der self-executing-Charakter abgesprochen, insbesondere mit der Begründung, dass die Bestimmungen der EMRK als Vertragsbestimmungen nur die „Hohen Vertragsparteien“ binden können.[85] Ein anderer Ansatz stützte sich auf den self-executing-Charakter der Bestimmungen der EMRK mit Ausnahme derer, die zu allgemein gefasst waren, um direkt anwendbar zu sein. Dieser Ansatz wurde auf Art. 1 EMRK gestützt, der bestimmt, dass die Vertragsparteien dem Einzelnen die in der Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten „zusichern“ (und sie sich nicht nur „verpflichten, sie zu achten“, wie andere völkerrechtliche Verträge es vorsehen, u.a. auch der Pakt über bürgerliche und politische Rechte). Aus dieser „Zusicherung“ folge, dass „[…] im Innern jedes Staates der Schutz der Menschenrechte für den Einzelnen nicht indirekt gewährleistet ist über die Verpflichtung des Normadressaten, nämlich des Staates, sondern direkt, weil die Menschenrechte dem Einzelnen als Attribut seiner Persönlichkeit eigen sind, und die Konvention einerseits formal deren Existenz anerkennt [Art. 1 EMRK, Anm. d. Verfassers] und andererseits dem Einzelnen die Aktivlegitimation zu ihrer gerichtlichen Durchsetzung überträgt [Art. 13 EMRK, Anm. d. Verfassers]“[86]. Die Corte di Cassazione ist seit dem Urteil Polo Castro von 1989,[87] das diesen Rechtsprechungsstreit gelöst hat, dem zweiten der oben angeführten Ansätze gefolgt. Sie vertritt seit dieser Entscheidung in ständiger Rechtsprechung, dass die Bestimmungen der EMRK nach ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht grundsätzlich, d.h. mit Ausnahme derer, die zu allgemein gefasst sind, direkte Quelle von Rechten und Pflichten aller Rechtssubjekte sind, und dass folglich die entsprechenden Rechte und Pflichten vom Einzelnen vor nationalen Gerichten geltend gemacht werden können.[88] Es muss jedoch erwähnt werden, dass trotz dieser prinzipiellen Auffassung, die in allen Urteilen der Corte di Cassazione wiederholt wird, in denen es um die Anwendung der EMRK geht, in vielen Fällen, einschließlich der Leitentscheidung Polo Castro, für die einzelnen, im konkreten Fall erheblichen Bestimmungen der EMRK sehr häufig die direkte Anwendbarkeit verneint wurde.[89]

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