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Ortegas Auftritt

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“Wie seid ihr aus der Haft entkommen?” Eine kalte schneidende Stimme ertönte aus dem hinteren Bereich der Eisenkathedrale.

“Alaster Ortega.” Die Stimme Finola Medas, der Obersten Rätin, klang kühl. “Wollt Ihr Eure Kraft nicht lieber dem Wohle Morans widmen, anstatt Euch untätig zu verkriechen?” Sie wickelte einen Verband um die Wunde eines jungen Mädchens. Sie unterbrach die Arbeit nicht, während sie die Worte sprach.

Das Gesicht Ortegas erschien aus dem Dunkel. “Der einzige, der zum Wohl der Stadt etwas tut, bin ich. Es mag ehrenvoll erscheinen, einem Medicus zu assistieren. Aber die Menschen Morans wissen, dass sich ein Rat anderen Aufgaben zuwenden muss.”

Er sah in die Runde. “Jemand muss Entscheidungen treffen. Wir brauchen einen Fluchtplan. Auch den Angreifern das zu geben, was sie begehren, sollte in Erwägung gezogen werden. Ich nehme an, für eine solche Entscheidung wärt Ihr viel zu feige.”

Finola Meda erhob sich. Ihre erdfarbene Lederkleidung war staubig und fleckig von Blut. Sie bildete einen Kontrast zu den makellosen roten Prunkroben Ortegas.

“Ihr wollt noch mehr Menschen an die Gehörnten ausliefern?”

“Wenn wir damit die Stadt retten.” Ortega war außer sich. “Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Ihr den Ratsvorsitz erhaltet. Ihr seid jung und schwach. Ihr habt keine Ahnung, was es heißt, Erz in den Minen zu schürfen. Ihr wisst nichts über die Bewohner dieser Stadt.”

Es war still geworden in der Eisenkathedrale. Weitere Menschen strömten herein. In der Hoffnung auf Hilfe. Auch sie spürten, dass sich etwas Unheilvolles anbahnte. Etwas, das nichts mit den Invasoren zu tun hatte.

Finola Meda kniete sich zum nächsten Verletzten und hielt seinen Arm, so dass Menon ihn verbinden konnte. Sie ignorierte die spöttischen Blicke Ortegas.

Plötzlich packte der verschlagene Ratsherr zu. Er hatte sich hinter Chan gestellt. Sie hatte nicht damit gerechnet, Ziel seiner Attacke zu werden. Ein Dolch ritzte ihren Hals. Sie stellte die Gegenwehr ein.

“Dieses Mädchen ist es, das die Angreifer da draußen suchen. Diese beiden”, er wies mit einer Bewegung seines Kopfes auf Luritri und Araneon, “haben es heute selbst vor dem Rat zugegeben. Wir sollten ihnen das Mädchen übergeben, damit die Armee wieder abzieht.”

Die Oberste Rätin war erneut aufgestanden. “Lasst das Mädchen sofort los, Ortega!”

“Sonst was?”, entgegnete er. “Wollt ihr wirklich tausende von Menschen Euren idealistischen Überzeugungen opfern?” Ortega spuckte aus.

Finola Meda entgegnete nichts. Sie zog ihre Repetierarmbrust aus dem Futteral und legte an. “Ihr werdet Euren Machenschaften keine weiteren Bürger opfern. Legt den Dolch beiseite!”

Ortega schüttelte den Kopf. Es war still geworden in der Eisenkathedrale. Kein Wimmern, kein Stöhnen, kein Husten. Es war, als hätte die ganze Stadt den Atem angehalten. Dæmonen hatten vor dem Eingang der Kathedrale Stellung bezogen. Sie konnten nicht hinein. Es schien, als würden selbst sie gebannt der Auseinandersetzung lauschen.

Der Dolch Ortegas schnitt in Chans Haut. Der Mann versteckte seinen Kopf hinter ihrem. Sie konnte seinen Schweiß riechen. Spürte seinen Atem in ihrem Nacken.

“Sofort fallen lassen”, rief er. Wenn auch nur jemand zuckt, schneide ich ihr die Kehle durch.”

Finola Meda legte die Armbrust sachte auf den Boden. Sie erhob sich wieder.

Luritri hatte sich angepirscht.

Ein Blick von Ortega. Ein leichtes Kopfschütteln als Drohung.

Die Zayao knurrte. Sie blieb stehen.

Der Ratsherr zog Chan mit sich nach hinten. Stieß gegen eine Wand.

“Ihr da, Dæmonen!” Ortegas Schrei ließ Chans Ohren klingeln. Seine Lippen befanden sich dicht an ihrem Ohr. “Seht her. Ich liefere euch das Mädchen. Dann könnt ihr uns in Ruhe lassen.”

“Nein!” Toshira schrie. “Nur über meine Leiche.”

“Wenn das Euer Wunsch ist.” Ortega lachte.

Drei Männer Ortegas, die bisher in der Menge gestanden hatten, bewegten sich auf Toshira zu.

“Eine Bewegung und das Mädchen ist tot. Ich will, dass ihr alle eure Waffen niederlegt”, rief Ortega.

Widerwillig gehorchten die Kämpfer. Tarodrim. Luritri. Araneon. Vendira. Alle anderen. Nur Toshira stand da, wie vom Donner gerührt. Eine Träne lief über ihr Gesicht. Ihre Lippen bebten vor Zorn. Auch Adriël hielt einen Dolch in der Hand. Einer von Ortegas Männern nahm ihm die Waffe ab.

Adriël verharrte reglos. Sah die ganze Zeit über in Chans Augen, als wollte er jeden noch so kleinen Augenblick festhalten, bevor das Unfassbare geschah. Toshira ließ sich widerstrebend entwaffnen.

“So ist es recht.” Ortegas Stimme troff vor Selbstgefälligkeit. “Und nun, da alle Waffen bei mir sind, können wir zur Tat schreiten.”

Er hob die Stimme. “Ihr da. Gehörnte vor unseren Toren. Werdet Zeuge, dass dieses Mädchen keine Bedrohung für Euch sein wird. Ihr könnt unsere Stadt verschonen.”

Chan spürte die Bewegung. Er setzte zum Schnitt über ihren Hals an. Der Druck der Klinge verstärkte sich fast unmerklich. Sie explodierte. Drückte das Holz des Dolchgriffes von sich weg.

Der Würgegriff Ortegas wurde aufgesprengt. Chan wollte auf Toshira zulaufen. Der Ratsherr hatte die Reflexe eines Kämpfers. Er stellte ihr ein Bein. Warf sich auf sie.

Chan lag auf dem Bauch. Sie versuchte, dem Dolch Einhalt zu gebieten. Spürte die Einstiche in ihrem Nacken. Wieder und wieder trafen die Hiebe sie zwischen die Schulterblätter. Borin war ihr gnädig. Sie spürte nichts, außer matten Schlägen.

Die Menschen um sie herum wirkten wie Statuen. Sie starrten mit schreckgeweiteten Augen auf den Täter.

Chan drehte sich noch einmal auf den Rücken. Sie wollte ihrem Mörder in die Augen sehen.

Der Dolch hing in der Luft. Zwei Ellen über dem Boden. Die Hand Ortegas blutete.

Chan langte sich an den Hals. Sie spürte warmes Blut. Ein wenig. Nur ein Kratzer. Über ihr ragte Ortega auf. Unschlüssig in der Bewegung verharrend. Ein schwarzer Pfeil ragte aus seinem Hals. Ein Bolzen aus seiner Brust. Der Griff von Toshiras Stiefelmesser steckte wie eine falsche Zunge zwischen seinen Zähnen. Er kippte nach hinten.

Der Dolch, der immer noch in der Luft hing, Chans Willen und Instinkt gehorchend, fiel zu Boden.

Der Körper Ortegas schlug seltsam verdreht auf. Etwas Warmes streifte Chan. Es zerplatzte an der Wand hinter Ortega. Ein Feuerball.

Die Dæmonen griffen an. Von außen. Eine große mechanische Schleuder stand auf der Straße. Ortegas Leute verzogen sich. Sie schlüpften durch eine Hintertür nach draußen. Niemand beachtete sie.


Aetheris Band 1-3

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