Читать книгу Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма - Страница 10

1 bis 4. Bändchen
Einleitung
VII.
Eureka

Оглавление

Schien dem Baron die Gasconnade diesmal zu stark, hatte er sie nicht gehört, oder hatte er sie gehört, und war es ihm nicht unangenehm, das Haus von seinem seltsamen Gaste zu befreie  . . . er folgte Andrée mit den Augen, bis sie verschwunden war, und machte sodann, als ihm das Geräusch ihres Klavieres bewies, daß sie sich im anstoßenden Zimmer beschäftigte, Balsamo das Anerbieten, ihn in die nächste Stadt führen zu lassen.

»Ich habe ein schlechtes Pferd, das vielleicht dabei krepiren wird,« sagte er, »doch es wird an Ort und Stelle kommen, und Sie sind wenigstens sicher, daß Sie eine entsprechende Lagerstätte erhalten. Nicht als ob es in Taverney an einem Zimmer und an einem Bette gebräche, nein, aber ich habe meine eigenen Begriffe von der Gastfreundschaft. Gut oder nichts, das ist mein Wahlspruch.«

»Sie schicken mich also fort?« erwiederte Balsamo, seinen Aerger unter einem Lächeln verbergend, »das heißt mich als Ueberlästigen behandeln.«

»Nein, bei Gott! das heißt Sie als Freund behandeln, mein lieber Gast. Sie hier einzuquartieren hieße im Gegentheil feindselig gegen Sie verfahren. Zu meinem großen Bedauern und zur Entlastung meines Gewissens sage ich Ihnen dies; denn in der That, Sie gefallen mir ungemein.«

»Gefalle ich Ihnen, so nöthigen Sie mich nicht, aufzustehen, während ich müde bin, zu reiten, indeß ich meine Arme ausstrecken und meine Beine in einem Bette von der Erstarrung befreien könnte. Uebertreiben Sie Ihre unbemittelte Lage nicht, soll ich nicht etwa an einen bösen Willen glauben, der mich persönlich betreffen würde.«

»Oh! wenn es sich so verhält, so werden Sie im Schlosse schlafen,« sprach der Baron.

Dann schaute er umher, um La Brie zu suchen, und als er ihn erblickte, rief er ihm zu:

»Vorwärts, alter Schuft!«

La Brie machte schüchtern einige Schritte.

»Vorwärts, beim Teufel! Glaubst Du, daß das rothe Zimmer sich anbieten läßt?«

»Ganz gewiß, gnädiger Herr, denn es ist das, welches Herr Philipp bewohnt, wenn er nach Taverney kommt.«

»Es kann sehr gut für einen armen Teufel von einem Lieutenant sein, der drei Monate bei einem zu Grunde gerichteten Vater zubringen will, und sehr schlecht für einen reichen, vornehmen Herrn, der vierspännig mit Extrapost fährt.«

»Ich versichere Sie, Herr Baron, es wird ganz vortrefflich sein,« versetzte Balsamo.

Der Baron machte eine Grimasse, als wollte er sagen: »Schon gut, ich weiß was daran ist.«

Dann sprach er laut:

»Gib also dem Herrn das rothe Zimmer, da der Herr für immer von der Lust, nach Taverney zurückzukehren, geheilt sein will. Sie wollen also durchaus hier über Nacht bleiben?«

»Ja.«

»Doch warten Sie  . . . es gäbe ein Mittel.«

»Wozu?«

»Daß Sie den Weg nicht zu Pferde machen müßten.«

»Welchen Weg?«

»Den Weg, der von hier nach Bar-le-Duc führt.«

Balsamo erwartete die Entwicklung des Vorschlags.

»Nicht wahr, Postpferde haben Sie hierher gebracht?«

»Allerdings, wenn es nicht etwa Satan gewesen ist.«

»Ich dachte Anfangs, es wäre dies möglich, denn ich glaube, Sie stehen nicht ganz schlecht mit ihm.«

»Sie erweisen mir unendlich mehr Ehre, als ich verdiene.«

»Nun, die Pferde, die Ihren Wagen gebracht haben, können ihn auch wieder fortführen«

»Nein, denn es bleiben nur noch zwei von den vieren übrig. Der Wagen ist schwer, und die Postpferde müssen schlafen.«

»Abermals ein Grund. Sie legen offenbar einen Werth darauf, hier über Nacht zu bleiben.«

»Es liegt mir daran, Sie morgen wiederzusehen. Ich will Ihnen meine Dankbarkeit bezeigen.«

»Sie haben ein ganz einfaches Mittel zu diesem Behufe.«

»Welches?«

»Da Sie so gut mit dem Teufel sind, so bitten Sie ihn, mich den Stein der Weisen finden zu lassen.«

»Mein Herr Baron, wenn Ihnen so viel daran gelegen wäre  . . .«

»An dem Stein der Weisen! Bei Gott! hätte ich ihn!«

»Dann müßten Sie sich an eine Person wenden, die nicht der Teufel ist.«

»Wer ist diese Person?«

»Ich, wie Corneille, ich weiß nicht in welcher Komödie sagt, die er mir gerade vor hundert Jahren recitirte, während wir in Paris über den Pont-Neuf gingen.«

»La, Brie! alter Schuft! suche eine Kerze und leuchte dem Herrn,« rief der Baron, der das Gespräch zu einer solchen Stunde und mit einem solchen Menschen gefährlich zu finden anfing.

La Brie beeilte sich, zu gehorchen, und während er die Nachsuchung vornahm, deren Erfolg eben so zweifelhaft war, als hätte es dem Steine der Weisen gegolten, rief er Nicole, welche zuerst hinaufgehen und das rothe Zimmer auslüften sollte.

Nicole ließ Andrée allein, oder Andrée war vielmehr entzückt, diese Gelegenheit zu finden, ihre Kammerfrau zu entlassen, denn sie fühlte das Bedürfniß, nur mit ihren Gedanken zusammen zu sein.

Der Baron wünschte Balsamo gute Nacht und legte sich schlafen.

Balsamo zog seine Uhr: er erinnerte sich des Versprechens, das er Althotas geleistet hatte. Der Gelehrte schlief bereits zwei und eine halbe Stunde statt zwei Stunden. Es waren dreißig Minuten verloren. Er fragte daher La Brie, ob der Wagen immer noch an demselben Orte stehe.

La Brie antwortete, wenn er nicht allein weggegangen sei, so müsse er noch dort stehen.

Balsamo erkundigte sich, was aus Gilbert geworden.

La Brie versicherte, Gilbert sei ein Taugenichts, der wenigstens seit einer Stunde schlafen gegangen.

Balsamo entfernte sich, um Althotas zu wecken, nachdem er zuvor die Topographie des Weges, der nach dem rothen Zimmer führte, studiert hatte.

Herr von Taverney hatte hinsichtlich der Mittelmäßigkeit dieses Zimmers nicht gelogen: die Ausstattung entsprach der der übrigen Räume des Schlosses.

Eine eichene Bettstätte und darauf eine Decke von altem, grünem, gelbgewordenem Damast, der Tapete mit Blumengehängen ähnlich; ein eichener Tisch mit gedrehten Füßen; ein großer, steinerner Kamin aus der Zeit von Ludwig XIII. herstammend, dem der Winter eine gewisse Ueppigkeit verleihen konnte, während ihm die Abwesenheit des Feuers, der Mangel an Feuerböcken und anderen Geräthschaften, der Mangel an Holz und die sonderbare Ausfüllung mit alten Zeitungen das Aussehen eines höchst traurigen Sommers verliehen; dies war das Mobiliar, dessen glücklicher Eigenthümer Balsamo für eine Nacht sein sollte.

Wir fügen zwei Stühle und einen Schrank von grau angemaltem Holz mit ausgehöhlten Füllungen bei.

Während La Brie etwas Ordnung in dieses Zimmer zu bringen suchte, das von Nicole gelüftet worden war, welche sich nach dieser Operation wieder entfernt hatte, weckte Balsamo Althotas und kehrte sodann in das Haus zurück.

Vor dem Zimmer von Andrée blieb er stehen, um zu horchen. In dem Augenblick wo Andrée den Speisesaal verließ, bemerkte sie, daß sie dem geheimnißvollen Einfluß entging, den der Reisende über sie ausübte. Und um dies bis auf den Gedanken zu bekämpfen, setzte sie sich an das Klavier.

Die Töne gelangten durch die geschlossene Thüre zu Balsamo.

Balsamo war, wie gesagt, vor dieser Thüre stehen geblieben.

Nach einem Augenblick machte er mehrere abgerundete Geberden, welche man für eine Beschwörung hätte halten können, und die ohne Zweifel auch eine solche waren, denn von einem Gefühle, ähnlich dem berührt, welches sie bereits erfahren hatte, hörte Andrée sachte auf, ihre Melodie zu spielen, ließ ihre Hände an der Seite herabfallen und wandte sich mit einer langsamen, starren Bewegung nach der Thüre, wie eine Person, die einem fremden Einfluß folgt und Dinge erfüllt, welche ihr nicht durch ihren eigenen Willen geboten werden.

Balsamo lächelte im Schatten, als ob er durch die geschlossene Thüre hätte sehen können.

Es war dies ohne Zweifel Alles, was Balsamo wünschte, und er errieth, daß dieser Wunsch erfüllt wurde, denn er streckte die linke Hand aus und stieg, als er unter dieser Hand das Geländer gefunden hatte, die steile, plumpe Treppe hinauf, welche zu dem rothen Zimmer führte.

In demselben Maaße, in dem er sich entfernte, wandte sich Andrée mit einer langsamen, steifen Bewegung von der Thüre ab und kehrte zu dem Klaviere zurück. Als Balsamo die letzte Stufe der Treppe erreichte, konnte er die ersten Noten der unterbrochenen Melodie hören, welche Andrée wieder aufgenommen hatte

Balsamo trat in das rothe Zimmer und entließ La Brie.

La Brie war offenbar ein guter Diener und gewohnt, auf ein Zeichen zu gehorchen. Als er jedoch ein paar Schritte nach der Thüre gemacht hatte, blieb er stehen.

»Nun?« fragte Balsamo.

La Brie steckte seine Hand in seine Westentasche und schien etwas in der Tiefe dieser Tasche zu befühlen, antwortete aber nicht.

»Habt Ihr mir etwas zu sagen, mein Freund?« fragte Balsamo sich ihm nähernd.

La Brie schien eine heftige Anstrengung gegen sich selbst zu machen, zog seine Hand aus seiner Tasche und erwiederte:

»Ich will Ihnen sagen, mein Herr, daß Sie sich ohne Zweifel diesen Abend geirrt haben.«

»Ich!« versetzte Balsamo, »und worin, mein Freund?«

»Darin, daß Sie mir ein Vierundzwanzig-Sous-Stück zu geben glaubten, und ein Vierundzwanzig-Livres-Stück gaben.«

Und er öffnete seine Hand und zeigte einen neuen, funkelnden Louis d’or.

Balsamo schaute den alten Diener mit einer Bewunderung an, aus der hervorzugehen schien, daß er im Durchschnitt vor den Menschen keine große Achtung in Beziehung auf Redlichkeit hatte.

»And honest!« sagte er, wie Hamlet.

Und er griff ebenfalls in seine Tasche und legte einen zweiten Louis d’or neben den ersten. Die Freude von La Brie bei dem Anblicke dieser glänzenden Großmuth, läßt sich kaum begreifen. Seit wenigstens zwanzig Jahren hatte er kein Gold mehr gesehen.

Damit er sich für den glücklichen Eigenthümer eines solchen Schatzes hielt, mußte ihm Balsamo denselben aus der Hand nehmen und selbst in seine Tasche stecken.

Er verbeugte sich bis auf den Boden und wollte sich rückwärts entfernen, als Balsamo ihn zurückhielt.

»Was ist Morgens Gewohnheit im Schlosse?« fragte dieser.

»Herr von Taverney bleibt lange im Bette liegen, mein Herr, doch Fräulein Andrée steht frühzeitig auf.«

»Um wie viel Uhr?«

»Gegen sechs Uhr.«

»Wer schläft über diesem Zimmer?«

»Ich, mein Herr.«

»Und unter demselben?«

»Niemand. Unter diesem Zimmer ist die Hausflur.«

»Gut, ich danke, mein Freund,«

»Gute Nacht, mein Herr,«

»Gute Nacht; wacht darüber, daß mein Wagen in Sicherheit ist.«

»Oh! seien Sie unbesorgt.«

»Solltet Ihr Lärm hören oder Licht erblicken, so erschreckt nicht darüber. Der Wagen wird von einem alten, kraftlosen Diener bewohnt, den ich mitführe. Empfehlt Herrn Gilbert, ihn nicht zu stören; ich bitte, sagt ihm auch, er möge sich morgen früh nicht entfernen, ehe ich ihn gesprochen habe. Werdet Ihr dieses Alles wohl behalten, mein Freund?«

»Oh! ja, gewiß. Doch sollte uns der Herr so bald verlassen?«

»Je nachdem,« sprach Balsamo mit einem Lächeln. »Ich würde wohl daran thun, mich morgen Abend in Bar-le-Duc einzufinden.«

La Brie stieß einen Seufzer der Resignation aus, warf einen letzten Blick auf das Bett und näherte die Kerze dem Herde, um dem großen, feuchten Zimmer, in Ermanglung von Holz, durch das Verbrennen alter Papiere etwas Wärme zu geben.

Doch Balsamo hielt ihn zurück

»Nein,« sagte er, »laßt alle diese alten Zeitungen, wo sie sind; wenn ich nicht schlafe, werde ich mich damit ergötzen, daß ich sie lese.«

La Brie verbeugte sich und ging hinaus.

Balsamo näherte sich der Thüre und horchte auf die Tritte des alten Dieners, welche die Treppe krachen machten. Bald erschollen diese Tritte über seinem Kopfe; La Brie war in seine Stube zurückgekehrt.

Dann ging der Baron an das Fenster.

Seinem Fenster gegenüber, im andern Flügel des Pavillon, war eine Mansarde mit schlecht geschlossenen Vorhängen beleuchtet. Es war die von Legay. Die Zofe legte langsam ihr Kleid und ihr Halstuch ab. Wiederholt öffnete sie das Fenster und neigte sich in den Hof, um hinauszusehen.

Balsamo betrachtete sie mit einer Aufmerksamkeit, die er ihr ohne Zweifel bei dem Abendbrod nicht hatte zugestehen wollen.

»Seltsame Aehnlichkeit,« murmelte er.

In diesem Augenblick erlosch das Licht der Mansarde, obgleich die Bewohnerin derselben noch nicht zu Bette gegangen war. Balsamo blieb auf die Mauer gelehnt.

Das Klavier erklang immer noch.

Der Baron schien zu horchen, ob sich kein anderes Geräusch mit dem des Instrumentes vermische  . . . Als er sich überzeugt hatte, daß die Harmonie allein unter dem allgemeinen Stillschweigen wachte, öffnete er wieder seine Thüre, welche La Brie geschlossen hatte, stieg behutsam die Treppe hinab und machte sachte die Thüre des Salon auf, welche sich geräuschlos auf ihren Angeln drehte.

Andrée hörte nichts.

Sie ließ ihre schönen, mattweißen Hände auf dem vergelbten Elfenbein hingehen; ihr gegenüber befand sich ein Spiegel in einem geschnitzten Parquet, dessen geschuppte Vergoldung unter einer Lage grauer Farbe verschwanden war.

Die Melodie, welche Andrée spielte, hatte einen schwermüthigen Ausdruck. Uebrigens waren es mehr einfache Accorde, als eine Melodie. Sie improvisirte ohne Zweifel und wiederholte auf dem Klavier die Erinnerungen ihres Geistes oder die Träume ihrer Einbildungskraft. Ihr durch den Aufenthalt in Taverney so traurig gestimmter Geist verließ vielleicht für den Augenblick das Schloß, um sich in den ganz mit lustigen Kostschülerinnen bevölkerten ungeheuren, schattigen Gärten des Annonciaden-Klosters von Nancy zu verirren. Wo er auch für den Augenblick sein mochte, ihr umherschweifender, halb verschleierter Blick verlor sich in dem vor ihr angebrachten düsteren Spiegel, der die Finsterniß wiedergab, die in diesem großen Zimmer das Licht der auf dem Klaviere stehenden, einzigen Kerze, welche die Tonkünstlerin beleuchtete, nicht zu zerstreuen vermochte.

Zuweilen hielt sie plötzlich an, dann erinnerte sie sich der seltsamen Vision des Abends und der unbekannten Eindrücke in Folge davon. Denn ehe ihr Geist etwas in dieser Hinsicht genau ermittelt und festgestellt, hatte ihr Herz geschlagen, hatte ein Schauer ihre Glieder durchlaufen. Sie bebte, als ob sie, obgleich in diesem Augenblick vereinzelt, die Berührung eines belebten Wesens gestreift und durch dieses Streifen in Unruhe versetzt hätte.

Plötzlich, während sie sich von diesen seltsamen Eindrücken Rechenschaft zu geben suchte, fühlte sie dieselben abermals. Ihre ganze Person schauerte, als würde sie von einem elektrischen Schlage berührt. Ihre Blicke bekamen Bestimmtheit, ihr Geist stellte sich gleichsam fest, und sie sah etwas wie eine Bewegung im Spiegel.

Es war die Thüre des Salon, die sich geräuschlos öffnete.

Hinter dieser Thüre erschien ein Schatten.

Andrée bebte, ihre Finger verirrten sich auf den Tasten.

Nichts war indessen natürlicher, als diese Erscheinung.

Konnte der Schatten, der sich, noch in die Finsterniß getaucht, unmöglich erkennen ließ, nicht der von Herrn von Taverney, oder der von Nicole sein? Hatte nicht La Brie, ehe er sich schlafen legte, wegen irgend eines Geschäftes in den Zimmern umherzugehen und in den Salon einzutreten? Das kam häufig bei ihm vor, und bei solchen Runden machte der bescheidene, treue Diener nie Lärmen.

Doch das Mädchen sah mit den Augen der Seele, daß es weder die eine, noch die andere der drei Personen war.

Der Schatten näherte sich mit lautlosem Tritte und machte sich in der Finsternis immer mehr unterscheidbar. Als er in dem Kreise anlangte, den das Licht umfaßte, erkannte Andrée den mit seinem bleichen Gesichte und seinem schwarzen Sammetrocke so beängstigenden Fremden.

Er hatte ohne Zweifel aus einem geheimnißvollen Beweggrunde das seidene Kleid, das er trug, abgelegt.6

Sie wollte sich umwenden, schreien.

Doch Balsamo streckte seine Arme aus, und sie rührte sich nicht.

Sie sprach mit einer Anstrengung:

»Mein Herr, mein Herr! im Namen des Himmels, was wollen Sie?«

Balsamo lächelte, der Spiegel wiederholte diesen Ausdruck seiner Physiognomie, und Andrée zog ihn gierig ein.

Doch er antwortete nicht.

Andrée versuchte es noch einmal, sich zu erheben, aber es gelang ihr nicht; eine unüberwindliche Kraft, eine Erstarrung, welche nicht ohne Reiz war, fesselten sie an ihren Stuhl, während ihr Blick gleichsam auf den magischen Spiegel genietet blieb.

Die neue Empfindung erschreckte sie, denn sie fühlte sich gänzlich in die Gewalt dieses Menschen gegeben, und dieser Mensch war ein Unbekannter.

Sie machte eine übermenschliche Anstrengung und wollte um Hülfe rufen; ihr Mund öffnete sich; aber Balsamo streckte seine beiden Hände über dem Haupte des jungen Mädchens aus, und kein Ton kam aus diesem Munde hervor.

Andrée blieb stumm; ihre Brust füllte sich mit einer gewissen wunderbaren Wärme, welche langsam bis zu ihrem Gehirne aufstieg und sich wie ein Dunst mit bewältigenden Wirbeln entrollte.

Das Mädchen hatte weder mehr Kraft, noch Willen; es ließ seinen Kopf auf seine Schulter zurückfallen.

In diesem Augenblick kam es Balsamo vor, als hörte er ein leichtes Geräusch in der Gegend des Fensters; er wandte sich rasch um und glaubte außerhalb das Gesicht eines Menschen sich von der Scheibe entfernen zu sehen.

Balsamo runzelte die Stirne, und sonderbarer Weise schien derselbe Eindruck sich auf dem Antlitz des Mädchens wiederzugeben.

Dann wandte er sich abermals gegen Andrée, senkte seine beiden Hände, die er beständig über ihrem Haupte gehalten hatte, erhob sie wieder mit einer salbungsreichen Geberde, senkte sie auf’s Neue, häufte einige Secunden lang fortwährend niederdrückende electrische Säulen auf das Mädchen und sprach:

»Schlafen Sie.«

Als sie sich noch unter diesem Zauber sträubte, wiederholte er mit dem Tone der Herrschaft:

»Schlafen Sie! schlafen Sie, ich will es haben.«

Von da an wich Alles diesem mächtigen Willen. Andrée stützte den Ellbogen auf das Klavier, legte den Kopf auf ihre Hand und entschlummerte.

Dann ging Balsamo rückwärts hinaus, zog die Thüre an sich, und man konnte ihn die Treppe hinaufsteigen und in sein Zimmer zurückkehren hören.

Sobald die Thüre des Salon sich hinter ihm geschlossen hatte, erschien das Gesicht, das Balsamo zu sehen geglaubt, wieder an den Scheiben.

Es war das Gesicht von Gilbert.

6

 Bekanntlich ist die Seide eine schlechte Leiterin und stößt die Electricät zurück. Es ist beinahe unmöglich, eine Person, welche Seide an sich trägt, zu magnetisiren.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

Подняться наверх