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1 bis 4. Bändchen
Einleitung
XIV.
Marie Antoinette Josephe

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Es war in der That keine Zeit zu verlieren, wie Balsamo gesagt hatte; ein gewaltiges Geräusch von Wagen, von Stimmen und Pferden erscholl auf dem sonst so friedlichen Wege, der von der Straße nach dem Hause des Baron von Taverney führte.

Man sah nun drei Carrossen, wovon die eine, mit Vergoldungen und mythologischen Basreliefs beladen, trotz ihrer Pracht nicht minder staubig, nicht minder mit Koth bespritzt war, als die andern, vor das große Thor fahren, das Gilbert offen hielt, dessen weit aufgesperrte Augen und fieberhaftes Zittern lebhafte Aufregung bei dem Anblick von so viel Herrlichkeit andeuteten.

Zwanzig Cavaliere, alle jung und glänzend, reihten sich bei dem Hauptwagen auf, als, unterstützt von einem schwarz gekleideten Mann, der auf seinem Rocke das große Band des Ordens trug, ein junges Mädchen von fünfzehn bis sechzehn Jahren ausstieg, das ohne Puder, aber mit einer Einfachheit frisirt war, welche ihr Haar nicht abhielt, sich einen Fuß über ihre Stirne zu erheben.

Marie Antoinette, denn sie war es, kam nach Frankreich mit einem Rufe der Schönheit, den nicht immer die Prinzessinnen brachten, die den Thron unserer Könige zu theilen bestimmt waren. Es ließ sich schwer eine feste Ansicht über ihre Augen fassen, die, ohne gerade schön zu sein, nach ihrem Willen alle Ausdrücke und besonders die so sehr entgegengesetzten der Sanftmuth und der Verachtung annahmen; ihre Nase war gut geformt; ihre Oberlippe war schön, aber zu dick, zu sehr hervorstehend und zuweilen herabfallend schien ihre Unterlippe, ein aristokratisches Erbtheil von siebenzehn Cäsaren, nur auf eine entsprechende Weise zu diesem hübschen Gesichte zu stehen, wenn dieses hübsche Gesicht Zorn oder Entrüstung ausdrücken wollte. Ihr Teint war bewunderungswürdig; man sah das Blut unter dem zarten Gewebe ihrer Haut hinlaufen; ihre Brust, ihr Hals, ihre Schultern waren von außerordentlicher. Schönheit, ihre Hände königlich. Sie hatte zwei verschiedene Gänge: der eine, den sie annahm, war fest, edel und etwas eilig; der andere, dem sie sich hingab, war weich, wiegend und so zu sagen schmeichelnd. Nie hat eine Frau eine Verbeugung mit mehr Anmuth gemacht. Nie hat eine Königin mit mehr Wissen gegrüßt. Sie bückte den Kopf ein einziges Mal für zehn Personen und gab in dieser einzigen Verbeugung Jedem das, was ihm gebührte.

Marie Antoinette hatte an diesem Tag ihren Frauenblick, ihr Frauenlächeln und sogar das Lächeln der glücklichen Frau; sie war entschlossen, an diesem Tage wo möglich nicht mehr Dauphine zu werden. Die süßeste Ruhe herrschte auf ihrem Gesicht, das reizendste Wohlwollen belebte ihre Augen. Sie trug ein Kleid von weißer Seide, und ihre schönen, entblößten Arme hielten ein Mäntelchen von dichten Spitzen.

Kaum hatte sie den Fuß auf die Erde gesetzt, als sie sich umwandte, um einer ihrer Ehrendamen, die das Alter etwas beschwerte, aus dem Wagen zu helfen; dann schlug sie den Arm aus, den ihr der Mann mit dem schwarzen Kleide und dem blauen Bande bot, und schritt vorwärts, frei, die Luft einathmend und die Augen umherwerfend, als wollte sie bis in die geringsten Einzelnheiten die seltene Freiheit genießen, die sie sich gab.

»Oh! die schöne Lage! die schönen Bäume! das hübsche Häuschen!« sagte sie. »Wie glücklich muß man in dieser guten Luft und unter diesen Bäumen sein, unter denen man so trefflich verborgen ist.«

In diesem Augenblick erschien Philipp von Taverney, gefolgt von Andrée, die mit ihren langen, in Flechten gewundenen Haaren und in einer Robe von leinblüthfarbiger Seide ihren Arm dem Baron gab, der ein schönes Kleid von königsblauem Sammet, einen Ueberrest seiner ehemaligen Herrlichkeit trug. Es versteht sich von selbst, daß der Baron gemäß der Ermahnung von Balsamo sein großes Band vom Heiligen-Ludwigs-Orden nicht vergessen hatte.

Die Dauphine blieb stehen, sobald sie die zwei Personen erblickte, die auf sie zukamen.

Um die junge Prinzessin gruppirte sich ihr Hof: Officiere, die ihre Pferde am Zügel hielten, und Höflinge, den Hut in der Hand, die Arme auf einander stützend und leise flüsternd.

Philipp von Taverney näherte sich der Dauphine, bleich vor innerer Bewegung und mit einem schwermüthigen Adel.

»Madame,« sprach er, »wenn es Euere Königliche Hoheit erlaubt, werde ich die Ehre haben, ihr den Herrn Baron von Taverney-Maison-Rouge und Fräulein Claire-Andrée von Taverney, meine Schwester, vorzustellen?«

Der Baron verbeugte sich tief und wie ein Mann, der Königinnen zu grüßen weiß. Andrée entwickelte alle Anmuth zierlicher Schüchternheit, die ganze, so schmeichelhafte Höflichkeit einer aufrichtigen Ehrfurcht.

Marie Antoinette schaute die zwei jungen Leute an, und da sie sich dessen erinnerte, was ihr Philipp von der Armuth ihres Vaters gesagt hatte, so errieth sie ihr Leiden.

»Madame,« sprach der Baron mit einem Tone voll Würde, »Eure Königliche Hoheit erweist dem Schlosse Taverney zu viel Ehre; eine so niedrige Wohnung ist nicht würdig, so viel Adel und Schönheit aufzunehmen.«

»Ich weiß, daß ich bei einem alten Soldaten Frankreichs bin,« antwortete die Dauphine, »und meine Mutter, die Kaiserin Maria Theresia, welche viel Krieg geführt, hat mir gesagt, in Ihrem Lande seien die Reichsten an Ruhm beinahe immer die Aermsten an Geld.«

Und sie reichte mit einer unbeschreiblichen Anmuth ihre Hand Andrée, welche sie niederknieend küßte.

Ganz und gar von seinem vorherrschenden Gedanken erfüllt, erschrak indessen der Baron über die große Anzahl von Leuten, welche sein kleines Haus füllen und der Stühle entbehren sollten.

Die Dauphine entzog ihn sogleich der Verlegenheit.

»Meine Herren,« sagte sie, sich an die Personen wendend, die ihr Gefolge bildeten, »Sie sollen weder die Anstrengung meiner Launen ertragen, noch das Vorrecht einer Dauphine genießen. Ich bitte Sie, erwarten Sie mich hier; in einer halben Stunde komme ich zurück. Begleiten Sie mich, meine gute Langershausen,« sagte sie deutsch zu derjenigen von ihren Frauen, welche sie beim Aussteigen aus dem Wagen unterstützt hatte. »Folgen Sie uns, mein Herr,« sprach sie zu dem schwarz gekleideten Mann.

Unter einem einfachen Kleide bot dieser eine merkwürdige Eleganz; er war ein Mann von höchstens dreißig Jahren, von schönem Gesicht und anmuthigen Manieren. Er trat zurück, um die Prinzessin vorübergehen zu lassen.

Marie Antoinette nahm an ihre Seite Andrée und machte Philipp ein Zeichen, neben seine Schwester zu kommen.

Was den Baron betrifft, so befand er sich bei dem ohne Zweifel hochgestellten Mann, dem die Dauphine die Ehre, sie zu begleiten, bewilligte.

»Sie sind also ein Taverney-Maison-Rouge?« sagte dieser, während er mit einer ganz aristokratischen Impertinenz seinen herrlichen Jabot von englischen Spitzen schüttelte,

»Soll ich mein Herr oder Monseigneur antworten?« fragte der Baron mit einer Impertinenz, welche in keiner Beziehung hinter der des schwarz gekleideten Edelmannes zurückblieb.

»Sagen Sie ganz einfach mein Prinz,« erwiederte dieser, »oder Eure Eminenz, wenn Sie lieber wollen.«

»Nun ja, Eure Eminenz, ich bin ein Taverney-Maison-Rouge, und dies ein wahrer,« sprach der Baron, ohne gänzlich den spöttischen Ton aufzugeben, den er so selten verlor.

Die Eminenz, welche den Takt der vornehmen Herren besaß, gewahrte leicht, daß sie es mit etwas Anderem, als einem Krautjunker zu thun hatte.

»Dieses Haus ist Ihr Sommeraufenthalt?« fuhr sie fort.

»Sommer- und Winteraufenthalt,« versetzte der Baron, der mißfälligen Fragen ein Ende machen wollte, aber jede von seinen Antworten mit einer tiefen Verbeugung begleitete,

Philipp wandte sich von Zeit zu Zeit voll Unruhe nach seinem Vater um. Das Haus schien in der That drohend und ironisch zu nahen, um unbarmherzig seine Armuth zu zeigen. Schon streckte der Baron mit Resignation seine Hand nach der von Gästen verlassenen Schwelle aus, als die Dauphine sich gegen ihn umwandte und sprach:

»Entschuldigen Sie, mein Herr, wenn ich nicht in das Haus eintrete; diese Schatten gefallen mir so sehr, daß ich gern mein Leben darunter hinbringen würde. Ich bin der Zimmer etwas müde, in Zimmern empfängt man mich seit fünfzehn Jahren, mich, die ich nur die Luft, den Schatten und den Wohlgeruch der Blumen liebe.«

Dann sich an Andrée wendend:

»Mein Fräulein, Sie werden mir wohl unter diese schönen Bäume eine Tasse Milch bringen lassen?«

»Eure Hoheit,« sprach der Baron erbleichend, »wie sollte man es wagen, Ihnen einen so traurigen Imbiß anzubieten?«

»Es ist mit frischen Eiern eine Liebhaberei von mir. Frische Eier und Milchwerk waren meine Festmahle in Schönbrunn.«

Plötzlich erschien La Brie, strahlend und von Stolz aufgeblasen, unter einer prächtigen Livree, eine Serviette in der Faust, vor einer Jasminlaube, nach deren Schatten es die Dauphine seit einigen Augenblicken zu gelüsten schien.

»Ihre Hoheit ist bedient,« sprach er mit einer unbeschreiblichen Mischung von würdevollem Ausdruck und Ehrfurcht.

»Oh! es scheint, ich bin bei einem Zauberer,« rief lachend die Prinzessin.

Und sie eilte mit hastigen Schritten nach der duftenden Laube.

Aeußerst unruhig vergaß der Baron die Etiquette, trennte sich von der Seite des schwarz gekleideten Herrn und lief der Dauphine nach.

Philipp und Andrée schauten sich mit einer Mischung von Erstaunen und Bangigkeit an, wobei übrigens die Bangigkeit vorherrschend war.

Als die Dauphine unter die grünen Bögen gelangte, stieß sie einen Schrei des Erstaunens aus.

Der Baron, der hinter ihr kam, gab einen Seufzer der Befriedigung von sich.

Andrée ließ ihre Hände mit einer Miene fallen, welche bezeichnete:

»Mein Gott! was soll das bedeuten?«

Die junge Dauphine sah aus einem Winkel ihres Auges diese ganze Pantomime: sie besaß einen Geist, der fähig war, solche Geheimnisse zu begreifen, wenn ihr Herz sie dieselben nicht schon hatte errathen lassen.

Unter dem Geschlinge von Jasmin, blühendem Geisblatt und Waldreben, deren knotige Stämme tausend dichte Zweige trieben, stand eine ovale Tafel bereit glänzend sowohl durch den Schimmer der Damastleinwand, die sie bedeckte, als auch durch das Geschirr von ciselirtem Vermeil, das wiederum die Leinwand bedeckte.

Zehn Gedecke erwarteten zehn Gäste.

Ein ausgesuchter, aber seltsam zusammengesetzter Imbiß fesselte von Anfang an die Blicke der Dauphine.

Es waren erotische Früchte in Zucker eingemacht, Confituren aus allen Ländern, Zwiebacke aus Alep, Orangen von Malta, Limonen und Cedrats von einer unerhörten Größe, und Alles dies ruhte auf weiten Schalen. Die reichsten Weine der Farbe nach, die edelsten dem Ursprunge nach, funkelten in allen Nuancen von Rubin und Topas in vier bewunderungswürdigen, in Persien geschnittenen und gravirten Caraffen.

Die Milch, welche die Dauphine verlangt hatte, füllte eine Kanne von Vermeil.

Die Dauphine schaute umher und erblickte unter ihren Wirthen nur bleiche, bestürzte Gesichter.

Die Leute vom Gefolge bewunderten und ergötzten sich, ohne zu begreifen, aber auch ohne daß sie zu begreifen suchten.

»Sie erwarteten mich also, mein Herr?« fragte die Dauphine den Baron von Taverney.

»Ich, Madame?« stammelte dieser.

»Allerdings; in zehn Minuten trifft man keine solche Vorbereitungen, und ich bin erst seit zehn Minuten bei Ihnen.«

Sie vollendete ihren Satz dadurch, daß sie La Brie anschaute, was sagen wollte:

»Besonders wenn man einen einzigen Bedienten hat.«

»Madame,« antwortete der Baron, »ich erwartete wirklich Eure Königliche Hoheit, oder vielmehr, ich war von Ihrer Ankunft benachrichtigt.«

Die Dauphine wandte sich gegen Philipp und fragte:

»Hatte Ihnen der Herr denn geschrieben?«

»Nein, Madame.«

»Niemand wußte, daß ich bei Ihnen anhalten sollte, mein Herr, nicht einmal ich selbst, möchte ich beinahe sagen, denn ich verbarg mir meinen Wunsch, um nicht hier die Beschwerde zu veranlassen, die ich veranlasse, und ich sprach erst in der vergangenen Nacht davon mit Ihrem Herrn Sohn, der noch vor einer Stunde bei mir war und nur einige Minuten vor mir ankommen konnte.«

»In der That, Madame, kaum eine Viertelstunde.«

»Dann hat Ihnen dies irgend eine Fee enthüllt, etwa die Pathin des Fräuleins,« fügte die Dauphine bei und schaute lächelnd Andrée an.

»Madame,« sprach der Baron, der Prinzessin einen Stuhl anbietend, »nicht eine Fee hat mich von diesem Glücke benachrichtigt, sondern  . . .«

»Sondern?« wiederholte die Prinzessin, als sie den Baron zögern sah.

»Meiner Treue! ein Zauberer!«

»Ein Zauberer! wie dies?«

»Ich weiß es nicht, denn ich mische mich nicht in die Zauberei, aber ihm, Madame, habe ich es zu verdanken, daß ich Eure Königliche Hoheit ziemlich anständig empfangen kann,« sagte der Baron.

»Dann können wir nichts berühren,« sprach die Dauphine, »da der Imbiß, den wir vor uns haben, das Werk der Hererei ist, und Seine Eminenz beeilte sich zu sehr, diese Straßburger Pastete zu öffnen, von der wir sicherlich nichts essen werden,« fügte sie bei, indem sie sich an den schwarz gekleideten Herrn wandte. »Und Sie, meine liebe Freundin,« sprach sie zu ihrer Hofmeisterin, »mißtrauen Sie diesem Cyperwein und machen Sie es wie ich.«

Bei diesen Worten goß die Prinzessin aus einer kugelrunden Caraffe mit kurzem Halse Wasser in einen goldenen Becher.

»In der That,« sprach Andrée mit einem gewissen Schrecken, »in der That, Ihre Hoheit hat vielleicht Recht.«

Philipp zitterte vor Erstaunen; er wußte nicht, was am Tage vorher vorgefallen war, schaute abwechselnd seinen Vater und seine Schwester an, und suchte aus ihren Blicken zu errathen, was sie selbst nicht erriethen.

»Das ist gegen die Dogmen, und der Herr Cardinal ist im Begriff zu sündigen,« sagte die Dauphine.

»Madame,« entgegnete der Prälat, »wir sind zu weltlich, wir Kirchenfürsten, um an den himmlischen Zorn in Beziehung auf Victualien zu glauben, und zu menschlich besonders, um brave Hexenmeister zu verbrennen, die uns mit so guten Dingen füttern.«

»Scherzen Sie nicht, Monseigneur,« sagte der Baron. »Ich schwöre Eurer Eminenz, daß der Urheber von Allem dem ein wahrer Hexenmeister ist, der mir erst vor einer Stunde die Ankunft Ihrer Königlichen Hoheit und die meines Sohnes prophezeit hat.«

»Erst vor einer Stunde!« fragte die Dauphine.

»Ja, höchstens.«

»Und seit einer Stunde haben Sie Zeit gehabt, diesen Tisch bestellen zu lassen, die vier Welttheile in Contribution zu setzen, um diese Früchte zu vereinigen, diese Weine von Tockai, von Constantia, Cypern und Malaga herbeizuschaffen? In diesem Fall mein Herr sind Sie mehr Hexenmeister, als Ihr Hexenmeister.«

»Nein Madame, er ist es, und immer er.«

»Wie! immer er?«

»Ja, er hat diese Tafel, so wie sie ist, aus der Erde hervorspringen lassen!«

»Ihr Wort, mein Herr?« fragte die Prinzessin.

»So wahr ich ein Edelmann bin!« antwortete der Baron.

»Ah bah!« rief der Cardinal mit dem ernsthaftesten Tone und verließ seinen Teller; »ich glaubte, Sie scherzten.«

»Nein, Eure Eminenz.«

»Sie haben einen Zauberer bei sich, einen wahren Zauberer?«

»Einen wahren Zauberer!  . . . und ich würde nicht staunen, wenn das Gold aus dem dieses Geschirr besteht, von seiner Schöpfung wäre.«

»Sollte er den Stein der Weisen kennen!« rief der Cardinal, die Augen glänzend vor Begierde.

»Oh! wie das den Herrn Cardinal entzückt, der ihn sein ganzes Leben gesucht hat, ohne ihn finden zu können,« sprach die Prinzessin.

»Ich gestehe Eurer Hoheit,« erwiederte die weltliche Eminenz, »daß ich nichts ansprechender finde, als die übernatürlichen Dinge, nichts interessanter, als die unmöglichen Dinge.«

»Ah! es scheint, ich habe die verwundbare Stelle berührt,« sagte die Dauphine; »jeder große Mann hat seine Geheimnisse, besonders wenn er Diplomat ist. Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Cardinal, ich bin ebenfalls sehr stark in der Zauberei und errathe zuweilen, wenn nicht unmögliche, wenn nicht übernatürliche, doch wenigstens . . . unglaubliche Dinge.«

Das war ohne Zweifel ein nur für den Cardinal allein begreifliches Räthsel, denn er zeigte sich sichtbar verlegen. Allerdings hatte sich das so sanfte Auge der Dauphine, während sie mit ihm sprach, von einem jener Blitze entzündet, welche bei ihr einen inneren Sturm ankündigten.

Es erschien jedoch nur der Blitz allein, nichts donnerte. Die Dauphine bewältigte sich und fuhr fort:

»Hören Sie, Herr von Taverney, um das Fest vollständig zu machen, zeigen Sie uns Ihren Zauberer. Wo ist er? in welche Schachtel haben Sie ihn gesteckt?«

»Madame,« antwortete der Baron, »er würde eher mich und mein Haus in eine Schachtel stecken.«

»In der That, Sie reizen meine Neugierde,« sagte Marie Antoinette, »ich will ihn durchaus sehen.«

Der Ton, in welchem diese Worte ausgesprochen wurden, ließ, obgleich er den Zauber behielt, den Marie Antoinette ihren Worten zu geben wußte, keine Erwiederung zu. Der Baron, der mit seinem Sohne und seiner Tochter stehen geblieben war, um die Dauphine zu bedienen, begriff dies vollkommen. Er machte La Brie ein Zeichen, der statt zu bedienen, die erhabenen Gäste anschaute und sich durch dieses Anschauen für zwanzig Jahre rückständigen Lohnes bezahlt zu machen schien.

»Benachrichte den Herrn Baron Joseph Balsamo,« sagte der Baron Taverney zu seinem Diener, »daß Ihre Königliche Hoheit die Frau Dauphine ihn zu sehen wünsche.«

La Brie entfernte sich.

»Joseph Balsamo!« sprach die Dauphine; »was für ein sonderbarer Name ist das?«

»Joseph Balsamo!« wiederholte träumerisch der Cardinal; »mir scheint, ich kenne diesen Namen.«

Es verliefen fünf Minuten, ohne daß Jemand daran dachte, das Stillschweigen zu brechen.

Plötzlich bebte Andrée: sie hörte lange, ehe es für die anderen Ohren merkbar war, einen Tritt, der unter der Laube herbeikam.

Die Zweige schoben sich auseinander, und Joseph Balsamo erschien gerade vor Marie Antoinette.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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