Читать книгу Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма - Страница 18

1 bis 4. Bändchen
Einleitung
XV.
Magie

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Balsamo verbeugte sich ehrfurchtsvoll, doch beinahe in demselben Augenblick erhob er wieder seinen geistreichen, ausdrucksvollen Kopf, heftete, obgleich mit Achtung, seinen klaren Blick auf die Dauphine und erwartete stillschweigend, was sie ihn fragen würde.

»Wenn Sie es sind, von dem Herr von Taverney gesprochen hat,« sagte Marie Antoinette, »so nähern Sie sich, mein Herr, damit wir sehen können, wie ein Zauberer beschaffen ist.«


Balsamo machte noch einen Schritt und verbeugte sich zum zweiten Male.

»Sie treiben das Gewerbe des Wahrsagens, mein Herr,« sprach die Dauphine, und schaute Balsamo mit einer vielleicht größeren Neugierde an, als sie ihm hatte zugestehen wollen, während sie in kleinen Schlucken ihre Milch trank.

»Ich treibe kein Gewerbe damit, Madame, aber ich weissage,« entgegnete Balsamo.

»Wir sind in einem erleuchteten Glauben erzogen worden,« sprach die Dauphine, »und die einzigen Geheimnisse, denen wir Vertrauen schenken, sind die Geheimnisse der katholischen Religion.«

»Diese sind allerdings ehrwürdig,« versetzte Balsamo mit tiefem Ernste. »Aber hier ist der Herr Cardinal von Rohan, der Eurer Hoheit, obgleich ein Kirchenfürst, sagen wird, daß dies nicht die einzigen Geheimnisse sind, welche Achtung verdienen.«

Der Cardinal bebte, er hatte seinen Namen Niemand genannt, Niemand hatte ihn ausgesprochen, und dennoch kannte ihn der Fremde.

Marie Antoinette schien diesen Umstand nicht zu bemerken und fuhr fort:

»Sie werden wenigstens gestehen, mein Herr, daß es die einzigen sind, die man nicht bestreitet.«

»Madame,« entgegnete Balsamo mit derselben Achtung, aber auch mit derselben Festigkeit, »neben dem Glauben ist die Gewißheit.«

»Sie sprechen ein wenig dunkel, mein Herr Zauberer; ich bin eine gute Französin dem Herzen, aber noch nicht dem Geiste nach, und ich begreife die Feinheiten der Sprache nicht sehr gut: es ist nicht zu leugnen, man hat mir gesagt, Herr von Bièvre werde mich Alles dies lehren. Doch mittlerweile bin ich genöthigt, Sie zu bitten, minder räthselhaft zu sein, wenn ich Sie verstehen soll.«

»Und ich,« sprach Balsamo mit einem schwermüthigen Lächeln den Kopf schüttelnd, »ich bitte Eure Hoheit um Erlaubniß, dunkel bleiben zu dürfen. Es wäre mir zu peinlich, einer so großen Fürstin eine Zukunft enthüllen zu müssen, die vielleicht nicht ihren Hoffnungen entsprechen dürfte.«

»Oh! oh! das ist ernst,« versetzte Marie Antoinette; »der Herr will wohl meine Neugierde reizen, in der Hoffnung, ich werde von ihm verlangen, daß er mir wahrsage.«

»Gott behüte mich im Gegentheil, daß ich dazu gezwungen werde,« sagte Balsamo mit kaltem Tone. »Ja, nicht wahr?« sprach die Dauphine lachend; »denn das würde Sie sehr in Verlegenheit setzen.«

Doch das Lachen der Dauphine erlosch, ohne daß das Lachen irgend eines Höflings ein Echo dazu gab. Jedermann unterlag dem Einflusse des seltsamen Mannes, der in diesem Augenblick den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit bildete.

»Gestehen Sie es offenherzig,« sagte die Dauphine.

Balsamo verbeugte sich ohne zu antworten.

»Sie haben doch meine Ankunft Herrn von Taverney vorhergesagt?« fuhr Marie Antoinette mit einer leichten Bewegung der Ungeduld fort.

»Ja, Madame, ich.«

»Wie dies, Baron?« fragte die Dauphine, welche allmälig das Bedürfniß fühlte, eine andere Stimme sich in das Gespräch mischen zu hören, das sie unternommen zu haben vielleicht bedauerte, aber dennoch nicht aufgeben wollte.

»Oh! mein Gott, Madame, auf die einfachste Weise, indem er in ein Glas Wasser schaute,« antwortete der Baron.

»Ist das wahr?« fragte die Dauphine, zu Balsamo zurückkehrend.

»Ja, Madame,« sagte dieser.

»Das ist Ihr Zauberbuch, es ist wenigstens unschuldig  . . . möchten Ihre Worte ebenso klar sein!«

Der Cardinal lächelte.

Der Baron näherte sich und sprach:

»Die Frau Dauphine wird von Herrn von Bièvre nichts zu lernen haben.«

»Oh! mein lieber Wirth,« rief die Dauphine heiter, »schmeicheln Sie mir nicht, oder schmeicheln Sie mir besser, ich habe etwas ziemlich Mittelmäßiges gesagt, wie mir scheint. Kehren wir zu dem Herrn zurück.«

Und Marie Antoinette wandte sich gegen Balsamo um, zudem sie eine unwiderstehliche Macht hinzuziehen schien, wie es uns zuweilen nach einem Orte hinzieht, wo uns irgend ein Unglück erwartet.

»Könnten Sie, da Sie die Zukunft für diesen Herrn in einem Glase Wasser gelesen haben, für mich nicht in einer Caraffe lesen?«

»Vollkommen, Madame.«

»Warum weigerten Sie sich so eben?«

»Weil die Zukunft unsicher ist, Madame, und wenn ich darin eine Wolke sehen würde  . . .«

Balsamo schwieg.

»Nun?« fragte die Dauphine.

»Nun, es wäre mir, wie ich bereits zu sagen die Ehre gehabt habe, schmerzlich, Eure Königliche Hoheit zu betrüben.«

»Sie kennen mich schon, oder sehen Sie mich zum ersten Male?«

»Ich habe die Ehre gehabt, Eure Königliche Hoheit noch als Kind in ihrem Geburtslande bei Ihrer erhabenen Mutter zu sehen.«

»Sie haben meine Mutter gesehen?«

»Ich habe diese Ehre gehabt; es ist eine erhabene, mächtige Königin.«

»Kaiserin, mein Herr.«

»Ich wollte sagen Königin dem Herzen und dem Geiste nach, und dennoch  . . .«

»Ausstellungen, mein Herr, und zwar in Beziehung auf meine Mutter!« sagte die Dauphine mit Verachtung.

»Die größten Herzen haben Schwächen, Madame, besonders wenn sie glauben, es handle sich um das Glück ihrer Kinder.«

»Die Geschichte wird hoffentlich keine einzige Schwäche bei Maria Theresia nachweisen.«

»Weil die Geschichte nicht erfahren wird, was nur der Kaiserin Maria Theresia, Eurer Königlichen Hoheit und mir bekannt ist.«

»Wir Drei haben mit einander ein Geheimniß, mein Herr,« versetzte die Dauphine verächtlich lächelnd.

»Ja, wir Drei, Madame,« antwortete Balsamo ruhig, »ja, wir Drei.«

»Lassen Sie dieses Geheimniß hören, mein Herr.«

»Wenn ich es sage, ist es keines mehr.«

»Gleichviel, sprechen Sie immerhin.«

»Eure Hoheit wünscht es?«

»Ich will es.«

Balsamo verbeugte sich und sprach:

»In dem Palaste von Schönbrunn ist ein Cabinet, das man das sächsische nennt, wegen der herrlichen Porzellanvasen, die es enthält.«

»Ja,« sagte die Dauphine, »weiter?«

»Dieses Cabinet bildet einen Theil der Privatwohnung Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Theresia.«

»Ja.«

»In diesem Cabinet führt sie gewöhnlich ihre vertrauliche Correspondenz.«

»Ja.«

»Auf einem herrlichen Schreibtisch von Boule8, der dem Kaiscr Franz I. von König Ludwig XV. geschenkt wurde.«

»Bis dahin ist Alles wahr, was Sie sagen, mein Herr, doch Jedermann kann dies wissen.«

»Eure Hoheit wolle Geduld fassen. Eines Tags, es war Morgens gegen sieben Uhr und die Kaiserin noch nicht aufgestanden, trat Eure Hoheit in dieses Cabinet durch eine Thüre, die ihr ausschließlich gehörte, denn unter den erhabenen Töchtern Ihrer Majestät der Kaiserin war Euere Hoheit der Liebling.«

»Hernach, mein Herr?«

»Eure Hoheit näherte sich dem Schreibtisch. Eure Hoheit muß sich dessen erinnern, es ist gerade fünf Jahre her.«

»Fahren Sie fort.«

»Eure Hoheit näherte sich dem Schreibtisch, auf welchem ein offener Brief lag, den die Kaiserin am Tage vorher geschrieben hatte.«

»Nun?«

»Nun! Eure Hoheit las diesen Brief.«

Die Dauphine erröthete leicht.

»Und nachdem Sie ihn gelesen hatte, war Eure Hoheit ohne Zweifel unzufrieden über einige Ausdrücke; denn sie nahm die Feder und . . .«

Die Dauphine schien ängstlich zu warten, Balsamo fuhr fort:

»Und strich mit eigener Hand drei Worte aus.«

»Und diese drei Worte hießen?« rief die Dauphine lebhaft.

»Es waren die ersten des Briefes.«

»Ich frage Sie nicht nach dem Platze, wo sie standen, sondern was ihre Bedeutung gewesen?«

»Ohne Zweifel ein zu großer Beweis von Zuneigung für die Person, an die der Brief gerichtet war; deshalb die Schwäche, von der ich sagte, man habe Ihre erhabene Mutter wenigstens in einem Punkte derselben beschuldigen können.«

»Sie erinnern sich also dieser drei Worte?«

»Ich erinnere mich derselben.«

»Können Sie mir sie wiederholen?«

»Gewiß.«

»Wiederholen Sie die Worte,«

»Laut?«

»Ja.«

»Meine liebe Freundin.«

Marie Antoinette erbleichte und biß sich auf die Lippen.

»Soll ich Eurer Königlichen Hoheit nun sagen, an wen dieser Brief gerichtet war?« fragte Balsamo.

»Nein, aber Sie sollen es mir aufschreiben.«

Balsamo zog aus seiner Tasche eine Art von Denkbuch mit goldenem Schlosse, schrieb auf eines von seinen Blättern ein paar Worte mit einem Stifte von demselben Metalle, riß das Blatt heraus und reichte es, sich verbeugend, der Prinzessin.

Marie Antoinette nahm das Blatt, entfaltete und las es:

Der Brief war adressirt an die Geliebte von König Ludwig XV., an die Frau Marquise von Pompadour.

Die Dauphine erhob ihren erstaunten Blick auf diesen Mann mit den so bestimmten Worten, mit der so reinen und so wenig bewegten Stimme, welcher, obgleich sich tief verbeugend, sie zu beherrschen schien.

»Alles dies ist wahr, mein Herr,« sagte sie, »und obgleich ich nicht weiß, durch welches Mittel Sie diese Einzelnheit erkundet haben, so wiederhole ich doch, da ich nicht zu lügen verstehe: es ist wahr.«

»Dann erlaube mir Eure Hoheit, mich zurückzuziehen, und begnüge sich mit dieser unschuldigen Probe von meinem Wissen.«

»Nein, mein Herr,« versetzte die Dauphine gereizt, »je gelehrter Sie sind, desto mehr Werth lege ich auf meine Weissagung. Sie haben mir nur von der Vergangenheit gesprochen, und was ich von Ihnen fordere, ist die Zukunft.«

Die Prinzessin sprach diese paar Worte mit einer fieberhaften Aufregung, die sie vergebens vor ihren Zuhörern zu verbergen suchte.

»Ich bin bereit,« sagte Balsamo, »und dennoch bitte ich Eure Königliche Hoheit noch einmal, mich nicht zu bedrängen.«

»Ich habe nie zweimal wiederholt: Ich will es, und Sie werden sich erinnern, mein Herr, daß ich dies bereits einmal gesagt habe.«

»Lassen Sie mich wenigstens das Orakel befragen, Madame,« entgegnete Balsamo mit flehendem Tone. »Ich werde dann erfahren, ob ich die Wahrsagung Eurer Königlichen Hoheit enthüllen kann.«

»Mag sie schlecht oder gut sein, ich will sie wissen, hören Sie, mein Herr?« sprach Marie Antoinette mit wachsender Gereiztheit. »Ist sie gut, so glaube ich nicht daran und halte sie für eine Schmeichelei; ist sie schlecht, so werde ich sie als eine Warnung betrachten, und wie sie auch sein mag  . . . ich verspreche, daß ich Ihnen Dank dafür weiß. Fangen Sie also an.«

Die Prinzessin sprach diese Worte mit einem Tone, der weder Einwendung noch Zögerung zuließ.

Balsamo nahm die runde Caraffe mit dem kurzen, engen Hals, von der wir bereits gesprochen, und stellte sie auf eine goldene Schale.

So beleuchtet, strahlte das Wasser von falben Reflexen, welche, vermischt mit dem Perlmutter der Wände und dem Diamant des Mittelpunkts, den aufmerksamen Blicken des Wahrsagers eine Bedeutung zu bieten schienen.

Jeder schwieg.

Balsamo erhob in seinen Händen die krystallene Caraffe, betrachtete sie einen Augenblick aufmerksam und stellte sie wieder, den Kopf schüttelnd, auf den Tisch.

»Nun?« fragte die Dauphine.

»Ich kann nicht sprechen,« sagte Balsamo.

Das Gesicht der Prinzessin nahm einen Ausdruck an, der sichtbar bedeutete: »Sei unbesorgt; ich weiß, wie man diejenigen, welche schweigen wollen, sprechen macht.«

»Weil Sie mir nichts zu sagen haben?« entgegnete sie laut.

»Es gibt Dinge, die man den Fürsten nie sagen muß, Madame,« erwiederte Balsamo mit einem Tone, aus dem hervorging, daß er selbst den Befehlen der Dauphine zu widerstehen entschlossen war.

»Besonders,« sprach diese, »wenn die Dinge, ich wiederhole es, sich in das Wort nichts übersetzen.«

»Das ist es nicht, was mich zurückhält, Madame, im Gegentheil.«

Die Dauphine lächelte verächtlich.

Balsamo schien verlegen; der Cardinal fing an, ihm in das Gesicht zu lachen, und der Baron näherte sich brummend.

»Ah! Ah!« sagte er, »mein Zauberer ist bereits abgenutzt: das hat nicht lange gedauert. Wir brauchen nun nur noch alle diese goldenen Tassen sich in Rebenblätter verwandeln zusehen, wie in dem orientalischen Mährchen.«

»Einfache Rebenblätter wären mir lieber gewesen, als diese ganze Auskramung des Herrn, in der Absicht, mir vorgestellt zu werden,’« sagte Marie Antoinette.

»Madame,« entgegnete Balsamo äußerst bleich, »wollen Sie sich gnädigst erinnern, daß ich diese Ehre nicht nachgesucht habe.«

»Ei! mein Herr, es war nicht schwer zu errathen, daß ich Sie zu sehen verlangen würde.«

»Verzeihen Sie, Madame, er glaubte gut zu handeln,« sprach Andrée mit leiser Stimme.

»Und ich sage Ihnen, daß er Unrecht gehabt hat,« entgegnete die Prinzessin so, daß sie nur von Balsamo und Andrée gehört werden konnte. »Man erhebt sich nicht dadurch, daß man einen Greis demüthigt; und wenn sie aus dem zinnernen Becher eines Edelmanns trinken kann, so nöthigt man eine Dauphine von Frankreich nicht, aus dem goldenen Pokale eines Charlatan zu trinken.«

Balsamo fuhr schauernd auf, als ob ihn eine Schlange gebissen hätte, und sprach mit bebender Stimme:

»Madame, ich bin bereit, Sie mit Ihrem Schicksal bekannt zu machen, da Sie Ihre Verblendung dasselbe wissen zu wollen antreibt.«

Balsamo sprach diese Worte mit einem so festen und zugleich so drohenden Tone, daß die Anwesenden eine eisige Kälte ihre Adern durchlaufen fühlten.

Die junge Erzherzogin erbleichte sichtbar.

»Geben Sie ihm kein Gehör, meine Tochter,« sprach deutsch die alte Dame zu Marie Antoinette.

»Lassen Sie Ihre Hoheit hören, sie hat wissen wollen, und so soll sie wissen,« versetzte Balsamo in derselben Sprache.

Diese Worte, in einem fremden Idiom gesprochen, das nur einige Personen verstanden, machte die Lage der Dinge noch geheimnisvoller.

»Vorwärts,« sagte die Dauphine, den Versuchen ihrer alten Hofmeisterin widerstehend, »vorwärts, er spreche. Wenn ich ihn nun schweigen hieße, so würde er glauben, ich habe Furcht.«

Balsamo hörte diese Worte und ein düsteres, aber flüchtiges Lächeln schwebte über seine Lippen.

»Es ist, wie ich sagte,« murmelte er, »ein prahlerischer Muth.«

»Sprechen Sie,« rief die Dauphine, »sprechen Sie, mein Herr.«

»Eure Hoheit verlangt also immer noch, daß ich spreche.«

»Ich gehe nie von einer Entscheidung ab.«

»Doch zu Ihnen allein, Madame.«

»Es sei,« sagte die Dauphine, »ich will ihn in seine letzte Verschanzung zurückdrängen. Entfernen Sie sich.«

Und auf ein Zeichen, welches begreiflich machte, daß der Befehl allgemein war, zog sich Jedermann zurück.

»Das ist ein Mittel wie irgend ein anderes, um eine Privataudienz zu erhalten, nicht wahr, mein Herr?« sagte die Dauphine, sich gegen Balsamo umwendend.

»Suchen Sie mich nicht zu reizen, Madame,« versetzte der Fremde; »ich bin nichts als ein Werkzeug, dessen sich Gott bedient, um Sie zu erleuchten. Beleidigen Sie das Glück, es wird Ihnen zurückgeben, denn es weiß sich wohl zu rächen. Ich übersetze nur seine Launen. Lassen Sie also nicht mehr auf mir den Zorn lasten, der bei Ihnen von meinem Zögern herrührt, als Sie mich die Mißgeschicke bezahlen lassen werden, deren unseliger Herold ich nur bin.«

»Es scheint also, es sind Mißgeschicke?« versetzte die Dauphine, besänftigt durch den ehrfurchtsvollen Ausdruck von Balsamo und entwaffnet durch seine scheinbare Resignation.

»Ja, Madame, und zwar sehr große Mißgeschicke.«

»Nennen Sie mir alle.«

»Ich werde es versuchen.«

»Nun?«

»Fragen Sie mich.«

»Vor Allem: wird meine Familie glücklich leben?«

»Welche? diejenige, welche Sie verlassen, oder diejenige, welche Sie erwartet?«

»Oh! meine wahre Familie, meine Mutter Maria Theresia, mein Bruder Joseph, meine Schwester Caroline.«

»Ihr Unglück wird sie nicht berühren.«

»Dieses Unglück betrifft also mich persönlich?«

»Sie und Ihre neue Familie.«

Können Sie mich über dieses Unglück erleuchten?«

»Ich kann es.«

»Die königliche Familie besteht aus drei Prinzen?«

»Ja«

»Dem Herzog von Berry, dem Grafen von Provence und dem Grafen von Artois.«

»Ganz richtig.«

»Was wird das Schicksal dieser drei Prinzen sein?«

»Sie werden alle drei regieren.«

»Ich werde also keine Kinder haben?«

»Sie werden haben.«

»Dann sind es also keine Söhne?«

»Es sind Söhne unter den Kindern, die Sie haben werden«

»Es wird mich folglich der Schmerz treffen, sie sterben zu sehen?«

»Sie werden beklagen, daß der Eine todt ist, Sie werden beklagen, daß der Andere lebt.«

»Wird mich mein Gemahl lieben?«

»Er wird Sie lieben.«

»Sehr?«

»Zu sehr!«

»Doch ich frage Sie, welches Unglück kann mich bei der Liebe meines Gemahls und der Unterstützung meiner Familie treffen?«

»Der eine und die andere werden Ihnen fehlen.«

»Dann bleibt mir die Liebe und die Unterstützung des Volkes.«

»Die Liebe und Unterstützung des Volkes!  . . . das ist der Ocean während der Windstille  . . . Haben Sie den Ocean während eines Sturmes gesehen, Madame?«

»Indem ich das Gute thue, hindere ich den Sturm, sich zu erheben, oder wenn er sich erhebt, erhebe ich mich mit ihm.«

»Je höher die Welle ist, desto tiefer ist der Abgrund, den sie aushöhlt.«

»Gott wird mir bleiben.«

»Gott beschützt die Häupter nicht, die er selbst verurtheilt hat.«

»Was sagen Sie da, mein Herr? Werde ich nicht Königin sein?«

»Im Gegentheil, Madame, möchte es dem Himmel gefallen, daß Sie es nicht würden!«

Die junge Frau lächelte verächtlich.

»Hören Sie, Madame, und erinnern Sie sich,« sprach Balsamo.

»Ich höre,« versetzte die Dauphine.

»Haben Sie die Tapete des ersten Zimmers, in welchem Sie bei Ihrer Ankunft in Frankreich schliefen, wahrgenommen?« fuhr der Prophet fort.

»Ja, mein Herr,« antwortete die Dauphine schauernd.

»Was stellte diese Tapete vor?«

»Eine Niedermetzelung, die der unschuldigen Kinder.«

»Gestehen Sie, daß die schreckensvollen Gesichter der Metzeler Eurer Königlichen Hoheit im Gedächtniß geblieben sind?«

»Ich gestehe es, mein Herr.«

»Haben Sie während des Sturmes nichts bemerkt?«

»Der Blitz schlug zu meiner Linken in einen Baum, der beim Fallen beinahe meinen Wagen zerschmetterte.«

»Das sind Vorzeichen,« sprach Balsamo mit düsterem Tone.

»Traurige Vorzeichen?«

»Mir scheint, es wäre schwer, sie anders zu deuten.«

Die Dauphine ließ ihr Haupt auf ihre Brust sinken, erhob es jedoch nach einem Augenblicke des Nachdenkens und Stillschweigens wieder und fragte:

»Wie wird mein Gemahl sterben?«

»Ohne Kopf.«

»Wie wird der Graf von Provence sterben?«

»Ohne Beine.«

»Wie wird der Graf von Artois sterben?«

»Ohne Hof.«

»Und ich?«

Balsamo schüttelte den Kopf.

»Sprechen Sie,« rief die Dauphine, »sprechen Sie.«

»Ich habe nichts mehr zu sagen.«

»Aber ich will, daß Sie sprechen!« rief Marie Antoinette bebend.

»Haben Sie Mitleid, Madame!«

»Oh! sprechen Sie!«

»Nie, Madame, nie! . . .«

»Sprechen Sie, mein Herr,« sagte Marie Antoinette mit drohendem Tone; »sprechen Sie, oder ich sage, daß Alles dies nur eine lächerliche Komödie ist. Und nehmen Sie sich wohl in Acht, man spielt nicht so mit einer Tochter von Maria Theresia, mit einer Frau, die das Leben von dreißig Millionen Menschen in ihren Händen hält.«

Balsamo blieb stumm.

»Ah! Sie wissen nicht mehr,« sagte die Prinzessin verächtlich die Achseln zuckend, »oder vielmehr, Ihre Einbildungskraft ist erschöpft.«

»Ich weiß Alles, sage ich Ihnen, Madame,« versetzte Balsamo, »und da Sie es durchaus wollen . . .«

»Ja, ich will es.«

Balsamo nahm die Caraffe, welche immer noch auf der goldenen Schale stand, und stellte sie in eine düstere Vertiefung der Laube, wo einige scheinbare Felsen eine Grotte bildeten. Dann ergriff er die Erzherzogin bei der Hand und zog sie unter den schwarzen Schatten des Gewölbes.

»Sind Sie bereit?« sagte er zu der Prinzessin, welche diese heftige Handlung beinahe erschreckt hatte.

»Ja.«

»So knieen Sie nieder, knieen Sie nieder, und Sie werden in der geeigneten Stellung sein, um Gott zu bitten, er möge Ihnen die furchtbare Entwickelung ersparen, die Sie sehen werden.«

Die Dauphine gehorchte maschinenmäßig und ließ sich auf ihre Kniee nieder.

Balsamo berührte mit seinem Stäbchen die krystallene Kugel, in der sich ohne Zweifel irgend eine düstere, furchtbare Gestalt hervorhob.

Die Dauphine versuchte es, aufzustehen, wankte einen Augenblick, fiel zurück, stieß einen furchtbaren Schrei aus und wurde ohnmächtig.

Der Baron lief herbei, die Prinzessin war ohne Bewußtsein.

Nach einigen Minuten kam sie wieder zu sich.

Sie fuhr mit ihren Händen über die Stirne, wie es eine Person thut, die ihre Erinnerungen zu sammeln sucht.

Dann rief sie plötzlich mit einem Ausdruck unbeschreiblichen Schreckens:

»Die Caraffe! die Caraffe!«

Der Baron bot sie ihr, das Wasser war durchsichtig und ohne einen einzigen Flecken.

Balsamo war verschwunden.

8

 Boule, 1732 in sehr dürftigen Umständen in Paris gestorben, berühmt wegen seiner Fertigkeit, in Holz zu schneiden. Der Uebers.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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