Читать книгу Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма - Страница 2

1 bis 4. Bändchen
Einleitung
II.
Ich bin, der ich bin

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Mitten in einer Lichtung, welche durch das Alter kahl gewordene Birken bildeten, erhob sich das Erdgeschoß von einem jener in Trümmer liegenden Schlösser, welche die Feudalherren einst in Europa umher bei der Rückkehr von den Kreuzzügen ausstreuten.


Die Vorhallen mit ihren schönen Zierrathen von gediegener Bildhauerarbeit, welche in jeder Höhlung, statt der verstümmelten und an den Fuß der Mauer gestürzten Statue, ein Buschwerk von Heidekraut oder wilden Blumen verbargen, hoben von einem bleichen Himmel ihre durch den Einsturz ausgezackten Gewölbe ab.

Als der Reisende die Augen öffnete, sah er sich vor den feuchten, moosigen Stufen des Hauptsäulenganges; auf der ersten von diesen Stufen stand aufrecht das Gespenst mit der knochigen Hand, das ihn hierher geführt hatte.

Ein langes Schweißtuch umhüllte dasselbe vom Kopf bis zu den Füßen; unter den Falten des Tuches funkelten seine Augenhöhlen ohne Blick, seine fleischlose Hand war gegen das Innere der Ruine ausgestreckt und schien dem Reisenden als Ziel seines Ganges einen Saal anzudeuten, dessen Erhöhung über dem Boden die inneren Theile verbarg, während man in seinen eingesunkenen Gewölben ein dumpfes, geheimnißvolles Licht zittern sah.

Der Reisende neigte sein Haupt als Zeichen der Einwilligung. Das Gespenst stieg langsam, eine Stufe nach der andern und ohne Geräusch in die Ruine; der Unbekannte folgte ihm mit demselben ruhigen, feierlichen Schritte, nach dem er stets seinen Gang geregelt hatte, stieg ebenfalls eine nach der andern die eilf Stufen hinauf, auf denen ihm das Gespenst vorangegangen war, und trat ein.

Hinter ihm schloß sich so geräuschvoll als eine von Erz vibrirende Mauer die Thüre der Haupthalle.

Am Eingang eines kreisförmigen, von drei Lampen mit grünlichem Wiederscheine beleuchteten Saales blieb das Gespenst stehen.

Zehn Schritte von ihm blieb der Reisende ebenfalls stehen.

»Oeffne die Augen,« sagte das Gespenst.

»Ich sehe,« antwortete der Unbekannte.

Sodann mit einer steifen, stolzen Geberde ein zweischneidiges Schwert unter seinem Leichentuche hervorziehend, schlug das Gespenst an eine eherne Säule, welche den Schlag durch ein metallisches Brüllen erwiederte.

Sogleich erhoben sich rings im Saale umher Platten, und zahllose Gespenster, dem ersten ähnlich, erschienen, jedes mit einem zweischneidigen Schwerte bewaffnet, und nahmen Platz auf kreisförmigen Stufen, wo besonders der grünliche Schimmer der drei Lampen wiederstrahlte, und wo sie, durch ihre Kälte und ihre Unbeweglichkeit mit dem Steine vermischt, Bildsäulen auf ihren Piedestalen zu sein schienen.

Jede von diesen Bildsäulen hob sich seltsam auf der schwarzen Draperie hervor, welche die Wände bedeckte.

Sieben Stühle waren vor die erste Stufe gestellt; auf diesen Stühlen saßen sechs Gespenster, welche Häupter zu sein schienen, während der siebente Stuhl leer war.

Derjenige, welcher auf dem Stuhle in der Mitte saß, stand auf und sprach, indem er sich gegen die Versammlung wandte:

»Wie viel sind wir hier, meine Brüder?«

»Dreihundert,« antworteten die Gespenster mit einer Stimme, welche im Saale donnerte und sich beinahe in demselben Augenblick an dem Leichenbehänge der Wände brach.

»Dreihundert, von denen jeder zehntausend Verbündete vertritt,« sagte der Präsident, »dreihundert Schwerter, welche so viel werth sind, als drei Millionen Dolche.«

Dann sich an den Reisenden wendend fragte er:

»Was verlangst Du?«

»Das Licht zu sehen,« antwortete dieser.

»Die Pfade, welche auf den Feuerberg führen, sind rauh und hart; fürchtest Du Dich nicht, dieselben zu betreten?«

»Ich fürchte nichts.«

»Hast Du einmal einen Schritt vorwärts gemacht, so ist es Dir nicht mehr gestattet, umzukehren Bedenke dies.«

»Ich werde nur stille stehen, wenn ich das Ziel berührt habe.«

»Bist Du bereit, zu schwören?«

»Sprecht mir den Schwur vor und ich werde ihn wiederholen.«

Der Präsident erhob die Hand und sprach mit langsamem, feierlichem Tone folgende Worte:

»Im Namen des gekreuzigten Sohnes schwöret, die fleischlichen Bande zu brechen, welche Euch noch an Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, Frau, Verwandte, Freunde, Geliebtinnen, Könige, Wohlthäter und an irgend ein Wesen binden, dem Ihr Treue, Gehorsam, Dankbarkeit oder Dienstbarkeit gelobt habt.«

Der Reisende wiederholte mit fester Stimme die Worte, die ihm von dem Präsidenten vorgesprochen wurden, welcher zum zweiten Paragraphen des Schwures überging und gleich langsam und feierlich fortfuhr:

»Von diesem Augenblicke an seid Ihr von dem dem Vaterlande und den Gesetzen geleisteten angeblichen Eide frei; schwöret also dem neuen Haupte, das Ihr anerkennt, zu enthüllen, was Ihr gesehen oder gethan, gelesen oder gehört, erfahren oder errathen habt, und sogar das, was sich Euren Augen nicht bieten würde, zu erforschen und zu erspähen.«

Der Präsident schwieg und der Unbekannte wiederholte die Worte, die er gehört hatte.

Dann fuhr der Präsident, ohne den Ton zu verändern, fort:

»Ehret und achtet die Aqua Tosana als ein rasches, sicheres, nothwendiges Mittel, um die Erde durch den Tod oder durch die Verblödung derjenigen zu reinigen, welche die Wahrheit zu erniedrigen oder unsern Händen zu entreißen suchen.«

Ein Echo hätte nicht getreuer diese Worte wiedergegeben, als es der Unbekannte that; der Präsident fuhr fort:

»Flieht Spanien, flieht Neapel, flieht jedes verfluchte Land, flieht die Versuchung, irgend etwas von dem, was Ihr hören oder sehen werdet, zu enthüllen, denn der Blitz trifft nicht rascher, als Euch, wo Ihr auch immer sein möget, das unsichtbare und unvermeidliche Messer erreichen wird.«

»Lebet im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.«

Trotz der Drohung, welche diese letzten Zeilen enthielten, war es unmöglich, eine Bewegung auf dem Antlitz des Unbekannten wahrzunehmen, der das Ende des Schwures und die Anrufung, die ihm folgte, mit eben so ruhigem Tone aussprach, als er den Ansang gesprochen hatte.

»Und nun umhüllt die Stirne des Aufzunehmenden mit der heiligen Binde,« sagte der Präsident.

Zwei Gespenster näherten sich dem Unbekannten; dieser neigte das Haupt, und eines von ihnen legte auf seine Stirne ein aurorfarbiges Band, das mit silbernen Charakteren beladen war, unter denen das Bild von Unserer Lieben Frau von Loretto sichtbar wurde; das andere Gespenst knüpfte hinter ihm die zwei Enden unten am Halse.

Dann entfernten sie sich und ließen den Unbekannten abermals allein.

»Was verlangst Du?« sprach der Präsident zu ihm.

»Drei Dinge,« antwortete der Candidat.

»Welche Dinge?«

»Die eiserne Hand, das feurige Schwert, die diamantene Wage.«

»Warum wünschest Du die eiserne Hand?«

»Um die Tyrannen zu ersticken.«

»Warum wünschest Du das feurige Schwert?«

»Um den Unreinen von der Erde zu verjagen.«

»Warum wünschest Du die diamantene Wage?«

»Um die Geschicke der Menschheit abzuwägen.«

»Bist Du für die Proben vorbereitet?«

»Der Starke ist zu Allem vorbereitet.«

»Die Proben! die Proben!« riefen mehrere Stimmen.

»Kehre Dich um,« sagte der Präsident.

Der Unbekannte gehorchte und sah sich gegenüber einen Menschen, der bleich wie der Tod, geknebelt und gebunden war.

»Was siehst Du?« fragte der Präsident.

»Einen Verbrecher oder ein Opfer.«

»Es ist ein Verräther, der, nachdem er den Eid geleistet, den Du geleistet hast, das Geheimniß des Ordens offenbarte.«

»Es ist also ein Verbrecher.«

»Ja; welche Strafe hat er verdient?«

»Den Tod.«

Die dreihundert Gespenster wiederholten: »Den Tod!«

In demselben Augenblick wurde der Verurtheilte trotz übermenschlicher Gegenwehr in die Tiefen des Saales fortgezogen; der Reisende sah, wie er sich in den Händen seiner Henker krümmte und sträubte; er hörte seine pfeifende Stimme durch das Hinderniß des Knebels, Ein Dolch funkelte und wiederstrahlte wie ein Blitz im Schimmer der Lampen; dann hörte man einen matten Stoß, und das Geräusch eines schwerfällig aus den Boden fallenden Körpers erscholl dumpf und schauervoll.

»Es ist Gerechtigkeit geschehen,« sprach der Unbekannte, sich gegen den furchtbaren Kreis umwendend, der mit gierigen Blicken durch die Schweißtücher dieses Schauspiel verschlungen hatte.

»Du billigst also die Hinrichtung, welche so eben stattgefunden hat?« sagte der Präsident.

»Ja, wenn derjenige, welcher den Streich erhalten, wirklich schuldig war.«

»Und Du würdest auf den Tod jedes Menschen trinken, der, wie er, die Geheimnisse der heiligen Verbindung verriethe?«

»Ich würde trinken.«

»Was für ein Getränke es auch sein möchte?«

»Was für eines es auch sein möchte.«

»Bringt die Schale,« sprach der Präsident.

Einer von den zwei Henkern näherte sich dem Aufzunehmenden und reichte ihm einen rothen, lauen Saft in einem Menschenschädel, der auf einem bronzenen Fuße befestigt war.

Der Unbekannte nahm die Schale aus den Händen des Henkers, erhob sie über seinen Kopf und sprach:

»Ich trinke auf den Tod jedes Menschen, der die Geheimnisse der heiligen Verbindung verräth.«

Dann senkte er die Schale zur Höhe seiner Lippen, leerte sie bis auf den letzten Tropfen und gab sie kalt demjenigen zurück, welcher sie ihm gereicht hatte.

Ein Gemurmel des Erstaunens durchlief die Versammlung, und die Gespenster schienen sich einander durch ihre Leichentücher anzuschauen.

»Es ist gut,« sprach der Präsident. »Die Pistole!«

Ein Gespenst näherte sich dem Präsidenten, in einer Hand eine Pistole, in der andern eine bleierne Kugel und eine Ladung Pulver haltend.

Der Aufzunehmende wandte kaum seine Augen nach dem Gespenste.

»Du gelobst also der heiligen Versammlung leidenden Gehorsam?« fragte der Präsident.

»Ja«

»Sogar wenn dieser Gehorsam an Dir selbst geübt werden müßte?«

»Derjenige, welcher hier eintritt, gehört nicht sich, sondern Allen.«

»Du wirst also gehorchen, welcher Befehl Dir auch von mir gegeben werden mag?«

»Ich werde gehorchen.«

»Auf der Stelle?«

»Auf der Stelle.«

»Ohne Zögern?«

»Ohne Zögern.«

»Nimm die Pistole und lade sie.«

Der Unbekannte nahm die Pistole, goß das Pulver in den Lauf, setzte einen Pfropf darauf und ließ dann die Kugel hineinfallen, die er mit einem zweiten Pfropf befestigte, wonach er Pulver auf die Pfanne schüttete.

Alle die dunkeln Bewohner dieses seltsamen Ortes schauten ihn mit einem düsteren Stillschweigen an, das nur durch das Geräusch des an die Bogen der Gewölbe anprallenden Windes unterbrochen wurde.

»Die Pistole ist geladen,« sprach kalt der Unbekannte.

»Bist Du dessen sicher?« fragte der Präsident.

Ein Lächeln zog über die Lippen des Aufzunehmenden, und dieser nahm den Ladstock und ließ ihn in den Lauf des Gewehres fallen, aus dem er zwei Zoll hervorragte.

Der Präsident bedeutete durch ein Zeichen, daß er überzeugt sei.

»Ja,« sagte er, »sie ist in der That geladen, und gut geladen.«

»Was soll ich thun?« fragte der Unbekannte.

»Spanne.«

Der Unbekannte spannte die Pistole, und man hörte unter dem tiefen Stillschweigen, das die Zwischenräume des Zwiegespräches begleitete, das Krachen des Hahnen.

»Nun halte die Mündung der Pistole an Deine Stirne,« fuhr der Präsident fort.

Der Unbekannte gehorchte, ohne zu zögern.

Ein tieferes Stillschweigen als je lagerte sich über der Versammlung; die Lampen schienen zu erbleichen; diese Gespenster waren wirklich Gespenster, denn keines von ihnen hatte Athem.

»Feuer!« sagte der Präsident.

Der Drücker rührte sich, der Stein funkelte auf der Batterie; aber nur das Pulver der Pfanne entzündete sich und kein Geräusch begleitete seine ephemere Flamme.

Ein Schrei der Bewunderung entströmte beinahe jeder Brust, und der Präsident streckte mit einer instinktartigen Bewegung die Hand gegen den Unbekannten aus.

Doch zwei Proben genügten ohne Zweifel den Anspruchsvollsten nicht, und einige Stimmen riefen:

»Den Dolch! den Dolch!«

»Ihr verlangt ihn?« fragte der Präsident.

»Ja, den Dolch! den Dolch!« wiederholten dieselben Stimmen.

»Bringt den Dolch,« sprach der Präsident.

»Es ist unnöthig,« sagte der Unbekannte, verächtlich den Kopf schüttelnd.

»Wie, unnöthig!« rief die Versammlung.

»Ja, unnöthig!« entgegnete der Auszunehmende mit einer Stimme, welche alle andere Stimmen bedeckte; »ich wiederhole es Euch, denn Ihr verliert eine kostbare Zeit.«

»Was sagst Du da?« rief der Präsident.

»Ich sage, daß ich alle Eure Geheimnisse kenne, daß die Proben, denen Ihr mich unterwerft, Kinderspiele sind, unwürdig, einen Augenblick ernste Wesen zu beschäftigen. Ich sage, daß dieser ermordete Mensch nicht todt ist, ich sage, daß das Blut, das ich getrunken, in einem aus seiner Brust liegenden und unter seinen Kleidern verborgenen Schlauche enthaltener Wein war, ich sage, daß das Pulver und die Kugeln in dem Augenblick, wo ich den Hahnen spannte, in den Kolben gefallen sind. Nehmt also Eure ohnmächtige Waffe zurück, denn sie taugt nur dazu, Feige zu erschrecken. Stehe auf, lügnerischer Leichnam, denn Du wirst die Starken nicht einschüchtern.«

Ein furchtbarer Schrei erhob sich und machte die Gewölbe schallen.

»Du kennst unsere Geheimnisse,« rief der Präsident; »Du bist also ein Seher oder ein Verräther?«

»Wer bist Du?« fragten dreihundert Stimmen, während zu gleicher Zeit zwanzig Schwerter in den Händen der nächsten Gespenster funkelten und durch eine regelmäßige Bewegung, wie es die einer eingeübten Phalanx gewesen wäre, sich senkten und auf der Brust des Unbekannten vereinigten.

Aber lächelnd, ruhig, das Haupt erhebend und seine Haare schüttelnd, welche nur durch das Band gehalten wurden, das man um seine Stirne gewickelt hatte, sprach er:

»Ego sum qui sum, ich bin, der ich bin.«

Dann ließ er seine Augen auf der menschlichen Mauer, welche ihn enge umschloß, umherlaufen; bei seinem gebieterischen Blicke sanken die Schwerter durch ungleiche Bewegungen nieder, je nachdem diejenigen, welche der Unbekannte mit diesem Blicke traf, sogleich seinem Einflusse wichen, oder ihn zu bekämpfen suchten.

»Du hast ein unkluges Wort ausgesprochen,« sagte der Präsident; »ohne Zweifel sprachst Du es nur, weil Du das Gewicht desselben nicht kennst.«

Der Fremde schüttelte lächelnd den Kopf und erwiederte:

»Ich habe geantwortet, was ich antworten muß.«

»Woher kommst Du denn?« fragte der Präsident.

»Ich komme von dem Lande, von dem das Licht kommt.«

»Unsere Instructionen melden uns, Du kommest von Schweden.«

»Wer von Schweden kommt, kann vom Orient kommen,« antwortete der Fremde.

»Zum zweiten Male, wir kennen Dich nicht. Wer bist Du?«

»Wer ich bin?  . . .« versetzte der Unbekannte; »ich werde es Euch sogleich sagen, da Ihr Euch stellt, als begriffet Ihr mich nicht; zuvor aber will ich Euch sagen, wer Ihr selbst seid.«

Die Gespenster bebten und ihre Schwerter schlugen an einander, während sie von ihrer linken Hand in ihre rechte übergingen und sich bis zu der Höhe der Brust des Unbekannten erhoben.

»Vor Allem Du,« fuhr der Unbekannte, die Hand gegen den Präsidenten ausstreckend, fort, »Du, der Du zu mir sprichst, und der Du Dich für einen Gott hältst und nur ein Vorläufer bist, Du, der Präsident der schwedischen Kreise  . . . ich werde Dir Deinen. Namen sagen, damit ich nicht nöthig habe, Dir die der Andern zu nennen: Swedenborg, haben Dir die Engel, welche vertraulichen Umgang mit Dir pflegen, nicht geoffenbart, daß derjenige, welchen Du erwartetest, sich auf den Weg begeben?«

»Das ist wahr,« antwortete der Präsident, sein Leichentuch erhebend, um den Sprechenden besser zu sehen, »sie haben es mir gesagt.«

Und derjenige, welcher gegen alle Gebräuche der Gesellschaft sein Leichentuch erhob, zeigte hiedurch das ehrwürdige Gesicht und den weißen Bart eines achtzigjährigen Greises.

»Gut,« sprach der Fremde; »zu Deiner Linken ist der Vertreter des englischen Kreises, welcher in der Loge Caledonia präsidirt. Heil, Mylord! wenn das Blut Eures Ahnen in Euch fortlebt, darf England hoffen, daß sich das erloschene Licht wieder entzünden wird.«

Die Schwerter senkten sich; der Zorn fing an dem Erstaunen Platz zu machen.

»Ah! Ihr seid es, Kapitän,« fuhr der Unbekannte, sich an das letzte Haupt zur Linken des Präsidenten wendend, fort; »in welchem Hafen habt Ihr Euer schönes Schiff gelassen, dem Ihr zugethan seid, wie einer Geliebten? Es ist eine brave Fregatte, nicht wahr, die Providence und ein Name, der Amerika Glück bringen wird?«

Dann sich an denjenigen wendend, welcher rechts vom Präsidenten stand:

»Nun ist es an Dir, Prophet von Zürich, schau’ mir in’s Antlitz, Du, der, Du die physiognomische Wissenschaft bis zur Divination getrieben hast, und sage laut, ob Du nicht in meinem Gesichte den Beweis meiner Sendung erkennst?«

Derjenige, an welchen er sich wandte, wich einen Schritt zurück.

»Auf,« sprach er weiter, indem er sich an seinen Nachbar wandte, »auf, Abkömmling von Pelagius, es handelt sich darum, zum zweiten Male die Mauren aus Spanien zu vertreiben. Das wird etwas Leichtes sein, wenn die Castilier nicht für immer das Schwert des Cid verloren haben.«

Das fünfte Haupt blieb stumm und unbeweglich; es war, als hätte es die Stimme des Unbekannten in Stein verwandelt.

»Und mir,« versetzte das sechste Haupt, den Worten des Unbekannten, der es zu vergessen schien, entgegenkommend, »und mir hast Du nichts zu sagen?«

»Doch,« antwortete der Reisende, indem er einen von jenen durchdringenden Blicken, welche die Herzen ergründen, auf ihn heftete, »doch, ich habe Dir zu sagen, was Jesus zu Judas gesagt hat, und werde es Dir auch sogleich sagen.«

Derjenige, zu welchem er sprach, wurde weißer als sein Leichentuch, während ein die ganze Versammlung durchlaufendes Gemurmel von dem Fremden Rechenschaft über diese sonderbare Anschuldigung zu fordern schien.

»Du vergißt den Vertreter von Frankreich,« sagte der Präsident.

»Dieser ist nicht unter uns,« antwortete stolz der Fremde, »und Du weißt es wohl, Du, der Du sprichst, da sein Sitz hier leer ist. Erinnere Dich nun, daß die Fallen denjenigen lächeln machen, welcher in der Finsterniß sieht, welcher trotz der Elemente handelt und trotz des Todes lebt.«

»Du bist jung,« entgegnete der Präsident, »und Du sprichst mit dem Ansehen eines Gottes. Bedenke ebenfalls, die Kühnheit betäubt nur die unentschlossenen oder unwissenden Menschen.«

Ein Lächeln erhabener Verachtung trat auf die Lippen des Fremden und er sprach:

»Ihr seid insgesammt unentschlossen, da Ihr nicht auf mich zu wirken vermöget; Ihr seit insgesammt unwissend, da Ihr nicht wißt, wer ich bin, während ich weiß, wer Ihr seid; ich werde also bei Euch mit der Kühnheit allein siegen; doch wozu dient die Kühnheit demjenigen, welcher allmächtig ist?«

»Die Probe dieser Macht,« rief der Präsident; »gebt uns die Probe.«

»Wer hat Euch zusammenberufen?« sprach der Unbekannte, von der Rolle des Befragten zu der des Fragenden übergehend.

»Nicht ohne Zweck,« sagte der Fremde, sich an den Präsidenten und die fünf Häupter wendend, »nicht ohne Zweck seid Ihr gekommen, Ihr von Schweden, Ihr von London, Ihr von New-York, Ihr von Zürich, Ihr von Madrid, Ihr Alle endlich,« fuhr er sich an die Menge wendend fort, »nicht ohne Zweck seid Ihr von den vier Welttheilen gekommen, um Euch in dem Allerheiligsten des furchtbaren Glaubens zu versammeln.«

»Allerdings nicht,« antwortete der Präsident, »wir kommen demjenigen entgegen, welcher ein geheimnißvolles Reich im Orient gegründet, die zwei Hemisphären in einer Gemeinschaft des Glaubens vereinigt und die brüderlichen Hände des Menschengeschlechts mit einander verschlungen hat.«

»Gibt es ein gewisses Zeichen, an welchem Ihr ihn zu erkennen im Stande seid?«

»Ja,« sprach der Präsident, »und Gott hat die Gnade gehabt, es mir durch die Vermittelung seiner Engel zu enthüllen.«

»Also kennt Ihr allein dieses Zeichen?«

»Ich allein kenne es.«

»Ihr habt dieses Zeichen Niemand enthüllt?«

»Niemand in der Welt.«

»Nennt es ganz laut.«

Der Präsident zögerte.

»Nennt es,« wiederholte der Fremde mit befehlendem Tone, »nennt es, denn der Augenblick der Offenbarung ist gekommen.«

Der Präsident antwortete:

»Er wird auf seiner Brust einen diamantenen Stern tragen, und auf diesem Stern werden die drei ersten Buchstaben eines nur ihm allein bekannten Wahlspruches funkeln.«

»Wie heißen diese drei Buchstaben?«

»L. P. D.«

Der Fremde schob mit einer raschen Bewegung seinen Rock und seine Weste auf die Seite, und auf seinem Hemde von seinem Batist erschien glänzend wie ein flammendes Gestirn der diamantene Stern und auf diesem funkelten die drei Buchstaben in Rubin.

»Er!!« rief der Präsident erschrocken; »sollte er es sein?«

»Derjenige, welchen die Welt erwartet?« fragten ängstlich die Häupter.

»Der Großkophta?« murmelten dreihundert Stimmen.

»Nun!« rief der Fremde mit dem Ausdrucke des Triumphes, »werdet Ihr mir nun glauben, wenn ich Euch zum zweiten Male wiederhole: Ich bin, der ich bin.«

»Ja,« sagten die Gespenster sich niederwerfend.

»Sprecht, Meister,« riefen der Präsident und die fünf Häupter; »sprecht, und wir werden gehorchen.«

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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