Читать книгу Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма - Страница 19

1 bis 4. Bändchen
Einleitung
XVI.
Der Baron von Taverney erlaubt endlich eine kleine Ecke der Zukunft im Helldunkel zu erblicken

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Der Erste, der die Ohnmacht der Frau Dauphine bemerkte, war, wie gesagt, der Baron von Taverney; er stand auf der Lauer, unruhiger, als irgend Jemand, übe r das, was zwischen ihr und dem Zauberer Vorgehen würde. Er hatte den Schrei gehört, den Ihre Königliche Hoheit ausgestoßen, er hatte gesehen, wie Balsamo aus dem Gebüsche stürzte, und war herbeigelaufen.

Mit dem ersten Worte hieß die Prinzessin ihr die Caraffe zeigen, mit dem zweiten hieß sie dem Zauberer nichts Böses zufügen. Es war Zeit, dieses Gebot ergehen zu lassen: Philipp von Taverney stürzte schon wie ein gereizter Löwe auf seiner Spur fort, als die Stimme der Dauphine ihn zurückhielt.

Da näherte sich ihre Ehrendame ebenfalls und befragte sie deutsch; auf alle ihre Fragen antwortete sie jedoch nichts, wenn nicht, daß sich Balsamo durchaus nicht gegen die Achtung verfehlt habe; aber, ohne Zweifel angestrengt durch den langen Weg und den Sturm am vorhergehenden Tage, sei sie von einem nervösen Fieber befallen worden.

Diese Antworten wurden Herrn von Rohan übersetzt, der Erläuterungen erwartete, aber keine Frage zu machen wagte.

Bei Hofe begnügt man sich mit einer halben Antwort; die der Dauphine befriedigte nicht, schien aber Jedermann zu befriedigen. Hienach näherte sich Philipp und sprach:

»Madame, um den Befehlen Eurer Königlichen Hoheit zu gehorchen, komme ich zu meinem großen Bedauern und erinnere sie daran, daß die halbe Stunde, die sie sich hier aufzuhalten gedachte, abgelaufen ist und daß die Pferde bereit stehen.«

»Gut, mein Herr,« sagte sie mit einer reizenden Geberde kränklicher Nachlässigkeit, »doch ich gehe von meinem ersten Plane ab. Ich bin unfähig, in diesem Augenblick abzureisen  . . . Es scheint mir, ein paar Stunden Schlaf und Ruhe würden mich wiederherstellen.«

Der Baron erbleichte. Andrée schaute ihren Vater ängstlich an.

»Eure Hoheit weiß, wie sehr ein Lager in diesem Hause ihrer unwürdig ist,« stammelte der Baron von Taverney.

»Oh! ich bitte Sie, mein Herr,« antwortete die Dauphine mit dem Tone einer Frau, welche einer Ohnmacht nahe ist, »Alles wird gut sein, wenn ich nur ruhe.«

Andrée verschwand sogleich, um ihr Zimmer bereit halten zu lassen. Es war nicht das größte, es war vielleicht auch nicht das geschmückteste, aber in dem Zimmer eines aristokratischen Mädchens, wie Andrée, und sollte es auch arm sein, wie es Andrée war, findet sich immer etwas Zierliches, das den Blick einer andern Frau erfreut.

Jeder beeiferte sich nun um die Dauphine, doch sie machte ein Zeichen mit der Hand, als hätte sie nicht die Kraft zu sprechen, als wünschte sie allein zu sein.

Da entfernte sich Jedermann zum zweiten Male.

Marie Antoinette folgte Allen mit den Augen, bis der letzte Flügel eines Frackes und die letzte Schleppe eines Frauenkleides verschwunden waren; dann ließ sie träumerisch ihr bleiches Haupt auf ihre Hand fallen.

Waren es nicht in der That gräßliche Weissagungen, die sie in Frankreich begleiteten? Das Zimmer, wo sie in Straßburg angehalten, das erste, in welches sie den Fuß auf den Boden setzte, wo sie Königin sein sollte, dieses Zimmer, dessen Tapete die Niedermetzelung der unschuldigen Kinder darstellte; der Sturm, der am Abend zuvor einen Baum in der Nahe ihres Wagens zerschmettert hatte, und endlich die Weissagungen eines so außerordentlichen Mannes, worauf die mystische Erscheinung folgte, deren Geheimniß Niemand zu enthüllen die Dauphine entschlossen schien!

Nach Verlauf von zehn Minuten kehrte Andrée zurück. Sie beabsichtigte, zu melden, das Zimmer sei bereit. Man dachte nicht, das Verbot der Prinzessin erstrecke sich auch auf sie, und sie konnte unter die Laube dringen.

Sie blieb einige Augenblicke vor der Prinzessin stehen und wagte es nicht, zu sprechen, so sehr schien Ihre Königliche Hoheit in eine tiefe Träumerei versunken.

Endlich erhob Marie Antoinette das Haupt und machte mit der Hand Andrée ein Zeichen.

»Das Zimmer Ihrer Hoheit ist bereit,« sagte diese; »nur bitten wir sie  . . .«

Die Dauphine ließ das Mädchen nicht vollenden.

»Großen Dank, mein Fräulein,« sprach sie. »Ich bitte, rufen Sie die Gräfin Langershausen und dienen Sie uns als Führerin.«

Andrée gehorchte; die alte Ehrendame kam eilig herbei.

»Geben Sie mir den Arm, meine gute Brigitte, denn in der That, ich fühle mich nicht kräftig genug, um allein zu gehen,« sagte die Dauphine deutsch.

Die Gräfin gehorchte. Andrée machte eine Bewegung, sie zu unterstützen.

»Verstehen Sie denn Deutsch, mein Fräulein?« fragte Marie Antoinette.

»Ja, Madame, und ich spreche sogar ein wenig,« antwortete Andrée deutsch.

»Vortrefflich« rief die Dauphine voll Freude. »Oh! wie das gut mit meinen Plänen übereinstimmt.«

Andrée wagte es nicht, ihren Gast nach diesen Plänen zu fragen, trotz ihres Verlangens, dieselben kennen zu lernen.

Die Dauphine stützte sich auf den Arm von Frau von Langershausen und ging mit kleinen Schritten vorwärts. Ihre Kniee schienen unter ihr zu weichen.

Als sie aus dem Gebüsche hervorkam, hörte sie die Stimme von Herrn von Rohan, welcher sagte:

»Wie, Herr von Stainville, trotz des Verbotes dringen Sie darauf, mit Ihrer Königlichen Hoheit zu sprechen?«

»Es muß sein,« antwortete mit festem Tone der Gouverneur, »und ich bin überzeugt, sie wird mir vergeben.«

»In der That, mein Herr, ich weiß nicht, ob ich soll  . . .«

»Laßen Sie unsern Gouverneur vor, Herr von Rohan,« sagte die Dauphine, mitten in der Oeffnung des Gebüsches wie unter einem grünen Bogen erscheinend; »kommen Sie, Herr von Stainville.«

Jedermann verbeugte sich vor dem Befehle von Marie Antoinette, und man trat bei Seite, um den Schwager des allmächtigen Ministers, der damals ganz Frankreich regierte, vorbeizulassen.

Herr von Stainville schaute umher, als forderte er eine geheime Unterredung. Marie Antoinette begriff, daß der Gouverneur ihr etwas allein zu sagen hatte; doch ehe sie nur den Wunsch geäußert, mit ihm unter vier Augen zu sein, hatte sich Jeder entfernt.

»Depeche von Versailles, Madame,« sagte mit halber Stimme Herr von Stainville und überreichte der Dauphine einen Brief, den er bis jetzt unter seinem gestickten Hute verborgen gehalten hatte.

Die Dauphine nahm ihn und las auf dem Umschlag:

»An den Herrn Baron von Stainville, Gouverneur von Straßburg.«

»Der Brief ist nicht für mich, sondern für Sie, mein Herr,« sagte sie, »entsiegeln Sie ihn und lesen Sie ihn mir vor, wenn er überhaupt etwas enthält, was mich interessirt.«

»Der Brief ist allerdings an meine Adresse, Madame, doch sehen Sie, hier auf dieser Ecke steht das zwischen mir und meinem Schwager, Herrn von Choiseul, verabredete Zeichen, welches andeutet, daß der Brief für Eure Hoheit allein bestimmt ist.«

»Oh!. das ist wahr, ein Kreuz; ich sah es nicht; geben Sie.«

Die Prinzessin öffnete den Brief und las folgende Zeilen:

Die Vorstellung von Madame Dubarry ist entschieden, wenn Sie eine Pathin9 findet. Wir hoffen noch, daß sie keine finden wird. Das sicherste Mittel, diese Vorstellung kurz abzuschneiden, wäre, wenn Ihre Königliche Hoheit die Frau Dauphine sich beeilen würde. Ist Ihre Königliche Hoheit die Frau Dauphine einmal in Versailles, so wird es Niemand wagen, eine solche Ungeheuerlichkeit vorzuschlagen.«

»Sehr gut!« sagte die Dauphine, nicht nur ohne die geringste Aufregung zu zeigen, sondern auch ohne daß es schien, als hätte ihr dieser Brief das mindeste Interesse eingeflößt.

»Wird sich Eure Königliche Hoheit zu Ruhe begeben?« fragte schüchtern Andrée.

»Nein, ich danke, mein Fräulein,« erwiederte die Erzherzogin; »die frische Luft hat mich wieder belebt; sehen Sie, wie stark und heiter gestimmt ich nun bin.«

Sie schob den Arm der Gräfin zurück und machte ein paar Schritte mit derselben Geschwindigkeit und derselben Kraft, als ob nichts vorgefallen wäre.

»Meine Pferde,« sagte sie, »ich reise ab.«

Herr von Rohan schaute ganz erstaunt Herrn von Stainville an und schien ihn mit dem Blicke um eine Erläuterung dieser plötzlichen Veränderung zu fragen.

»Der Herr Dauphin wird ungeduldig,« sagte der Gouverneur dem Cardinal in das Ohr.

Die Lüge wurde mit so viel Geschicklichkeit an den Mann gebracht, daß sie Herr von Rohan für eine Indiscretion hielt und sich damit begnügte.

Was Andrée betrifft, so hatte sie ihr Vater daran gewöhnt, jede Laune eines gekrönten Hauptes zu ehren; sie war also nicht erstaunt über diesen Widerspruch von Marie Antoinette; als diese sich gegen sie umwandte und auf ihrem Antlitz nur den Ausdruck einer unaussprechlichen Sanftmuth wahrnahm, sagte sie auch zu ihr:

»Ich danke, mein Fräulein, Ihre Gastfreundschaft hat mich innig gerührt.«

Dann sich an den Baron wendend sprach die Dauphine:

»Mein Herr, Sie mögen erfahren, daß ich, als ich Wien verließ, das Gelübde that, das Glück des ersten Franzosen zu machen, den, ich, die Grenze von Frankreich berührend, begegnen würde. Dieser Franzose ist Ihr Sohn  . . . Doch damit ist nicht gesagt, daß ich hiebei stehen bleibe und daß das Fräulein  . . . wie heißt doch Ihre Tochter, mein Herr?«

»Andrée, Euere Hoheit.«

»Und daß Fräulein Andrée vergessen sein soll.«

»Oh! Eure Hoheit,« sagte das Mädchen.

»Ja, ich will ein Ehrenfräulein aus ihr machen; nicht wahr, mein Herr, wir sind im Stande, unsere Proben abzulegen?« fuhr die Dauphine, sich an Herrn von Taverney wendend, fort.

»Oh! Eure Hoheit,« rief der Baron, denn dieses Wort verwirklichte alle seine Träume; »von dieser Seite sind wir nicht unruhig: wir haben mehr Adel, als Reichthum. Doch ein so hohes Glück  . . .«

»Gebührt Ihnen  . . . der Bruder wird den König im Heere vertheidigen, die Schwester wird der Dauphine zu Hause dienen; der Vater gibt dem Sohne Rathschläge der Loyalität, der Tochter Rathschläge der Tugend  . . . und so werde ich würdige Diener haben, nicht wahr, mein Herr?« fuhr Marie Antoinette fort, indem sie sich an den jungen Mann wandte, der nur niederknieen konnte, indeß die Aufregung seine Stimme auf den Lippen erstickte.

»Aber  . . .« murmelte der Baron, dem zuerst die Fähigkeit der Ueberlegung kam.

»Ja, ich begreife,« erwiederte die Dauphine, »nicht wahr, Sie haben Vorbereitungen zu treffen?«

»Allerdings, Madame,« sprach Taverney.

»Ich gebe dies zu, doch diese Vorbereitungen können nicht lange dauern.«

Ein trauriges Lächeln, das über die Lippen von Andrée und Philipp schwebte und bitter auf denen des Barons sich abzeichnete, hielt sie auf diesem Wege zurück, der für die Eitelkeit der Taverney grausam wurde.

»Nein, gewiß nicht, wenn ich nach Ihrem Verlangen, mir zu gefallen, urtheile,« fügte die Dauphine bei. »Uebrigens warten Sie, ich lasse Ihnen eine von meinen Carrossen hier, sie wird Sie in meinem Gefolge führen  . . . Herr Gouverneur kommen Sie mir zu Hülfe.«

Der Gouverneur näherte sich.

»Ich lasse Herrn von Taverney, den ich mit Fräulein Andrée nach Paris nehme, eine Carrosse zurück,« sagte die Dauphine. »Ernennen Sie Jemand, der diese Carrosse begleiten und als zu den meinigen gehörend anerkennen lassen soll.«

»Auf der Stelle, Madame,« antwortete der Baron von Staiville; »treten Sie vor, Herr von Beausire.«

»Ein junger Mann von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren mit sicherem Gang, lebhaften und gescheiten Augen trat aus den Reihen der Escorte hervor und näherte sich den Hut in der Hand.

»Sie werden eine Carrosse für Herrn von Taverney zurückbehalten und dieselbe sodann begleiten,« sagte der Gouverneur.

»Seien Sie dafür besorgt, daß sie uns bald einholt,« sprach die Dauphine; »ich bevollmächtige Sie, wenn es sein muß, die Relais zu verdoppeln.«

Der Baron und seine Kinder verwirrten sich in Ausdrücken des Dankes.

»Diese plötzliche Abreise ist Ihnen nicht zu unangenehm, nicht wahr, mein Herr?« fragte die Dauphine.

»Wir sind zu den Befehlen Eurer Hoheit,« antwortete der Baron.

»Gott befohlen!« sprach die Dauphine mit einem Lächeln. »In den Wagen, meine Herren!  . . . Herr Philipp, zu Pferde!«

Philipp küßte seinem Vater die Hand, umarmte seine Schwester und schwang sich in den Sattel.

Eine Viertelstunde nachher blieb von dieser ganzen, wie die Wolke am vorhergehenden Tage wirbelnden, Cavalcade in der Allee von Taverney nichts mehr übrig, wenn nicht ein junger Mann, der auf dem Weichsteine am Thor saß und bleich und traurig mit gierigem Auge die letzten Staubmassen verfolgte, welche in der Ferne auf der Landstraße die raschen Füße der Pferde aufjagten.

Dieser junge Mann war Gilbert.

Der Baron, der mit Andrée allein geblieben, hatte mittlerweile das Wort noch nicht finden können.

Es war ein sonderbares Schauspiel, das der Salon von Taverney bot.

Die Hände gefaltet, dachte Andrée an die Menge seltsamer, unerwarteter, unerhörter Ereignisse, welche plötzlich ihr so ruhiges Leben durchzogen hatten, und glaubte zu träumen.

Der Baron riß an seinen grauen Augbrauen, aus deren Mitte lange, gekrümmte Haare hervorsprangen, und zerknitterte seinen Jabot.

Nicole schaute, an die Thüre gelehnt, ihre Gebieter an.

La Brie ließ die Arme hängen, sperrte den Mund auf und schaute Nicole an.

Der Baron erwachte zuerst.

»Verruchter!« rief er La Brie zu, »Du bleibst hier wie eine Bildsäule, und dieser Edelmann, dieser Gefreite vom Hause des Königs wartet außen.«

La Brie machte einen Seitensprung, verwickelte sein linkes Bein mit dem rechten, und verschwand stolpernd.

Einen Augenblick nachher kam er zurück.

»Gnädiger Herr,« sagte er, »der Edelmann ist unten.«

»Was macht er?«

»Er läßt sein Pferd Pimpinellen fressen.«

»Laß ihn machen. Und die Carrosse?«

»Die Carrosse ist in der Allee.«

»Angespannt?«

»Mit vier Pferden. Oh! die schönen Thiere, gnädiger Herr! Sie fressen die Granatbäume im Blumengarten ab.«

»Die Pferde des Königs haben das Recht, zu fressen, was sie wollen. Doch wie steht es mit dem Zauberer?« »Der Zauberer ist verschwunden, gnädiger Herr.«

»Und hat die Tafel gedeckt zurückgelassen? Das ist nicht glaublich, er wird wiederkommen, oder irgend Jemand für ihn.«

»Ich glaube es nicht,« sagte La Brie, »Gilbert hat ihn mit seinem Fourgon wegfahren sehen.«

»Gilbert hat ihn mit seinem Fourgon wegfahren sehen?« wiederholte der Baron nachdenkend.

»Ja, gnädiger Herr.«

»Dieser Taugenichts von einem Gilbert sieht Alles. Geh’ und packe.«

»Es ist bereits geschehen.«

»Wie, es ist bereits geschehen?«

»Ja; sobald ich den Befehl der Frau Dauphine hörte, ging ich in das Schlafzimmer des Herrn Baron und packte seine Kleider und seine Wäsche ein.«

»In was mischst Du Dich, Bursche?«

»Bei Gott! gnädiger Herr, ich glaubte wohl zu thun, wenn ich Ihren Wünschen zuvorkommen würde.«

»Dummkopf! geh’, hilf meiner Tochter.«

»Ich danke, mein Vater, ich habe Nicole.«

Der Baron dachte abermals nach.

»Dreifacher Schuft,« sagte er zu La Brie, »Eines ist unmöglich!«

»Was, gnädiger Herr?«

»Und woran Du nicht gedacht hast, denn Du denkst an nichts.«

»Sagen Sie es, gnädiger Herr.«

»Daß Ihre Hoheit abgereist ist, ohne Herrn von Beausire etwas zurückzulassen, oder daß der Zauberer verschwunden, ohne Gilbert mit einem Worte zu beauftragen.«

In diesem Augenblick hörte man etwas wie ein kurzes Pfeifen im Hofe.

»Gnädiger Herr,« sagte La Brie.

»Nun?«

»Man ruft.«

»Wer dies?«

»Der Herr.«

»Der Gefreite des Königs?10«

»Ja, und dort ist auch Gilbert; er geht umher, als ob er etwas zu sagen hätte.«

»Also vorwärts, Thier.«

La Brie gehorchte mit seiner gewöhnlichen Eile.

»Mein Vater,« sagte Andrée, sich dem Baron nähernd, »ich begreife, was Sie zu dieser Stunde peinigt. Sie wissen, ich habe etwa dreißig Louis d’or und die schöne mit Diamanten besetzte Uhr, welche Maria Leczinska meiner Mutter geschenkt hat.«

»Ja, mein Kind, ja, es ist gut,« erwiederte der Baron, »doch behalte es, Du brauchst ein schönes Kleid für Deine Vorstellung; einstweilen ist es meine Sache, Mittel aufzusuchen. Stille, hier kommt La Brie.«

»Gnädiger Herr,« rief er eintretend und in einer Hand einen Brief, in der andern zehn Goldstücke haltend, »gnädiger Herr, hier ist das, was die Dauphine für mich zurückgelassen hat, zehn Louis d’or!«

»Und dieser Brief, Halunke?«

»Ah! dieser Brief ist für Sie; er kommt vom Zauberer.

»Vom Zauberer, und wer hat ihn Dir übergeben?«

»Gilbert.«

»Ich sagte es Dir, doppeltes Vieh; gib, gib geschwinde.«

Der Baron entriß den Brief La Brie, öffnete ihn hastig und las leise:

»Herr Baron, seit eine so erhabene Hand dieses Geschirr in Ihrem Hause berührt hat, gehört es Ihnen; behalten Sie es als eine Reliquie und denken Sie zuweilen an Ihren dankbaren Gast.«

»Joseph Balsamo.«

»La Brie!« rief der Baron, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte.

»Gnädiger Herr?«

»Gibt es keinen guten Goldschmied in Bar-le-Duc?«

»Oh ja, denjenigen, welcher den silbernen Becher von Fräulein Andrée wieder gelöthet hat.«

»Es ist gut. Andrée stelle den Becher, aus dem Ihre Hoheit getrunken, bei Seite, und laß den übrigen Service in den Wagen bringen. Und Du, Schafskopf, lauf’ in den Keller und setze dem Edelmann vor, was noch von gutem Wein übrig ist.«

»Eine Flasche, gnädiger Herr,« sagte La Brie mit tiefer Schwermuth.

»Mehr braucht man nicht.«

La Brie entfernte sich.

»Auf, Andrée,« fuhr der Baron, seine Tochter bei beiden Händen fassend, fort; »auf, Muth, mein Kind. Wir gehen an den Hof; es gibt dort viele erledigte Titel, viele Abteien zu vergeben, nicht wenig Regimenter ohne einen Obersten und eine gute Anzahl brachliegende Pensionen. Der Hof ist ein schönes, trefflich durch die Sonne erleuchtetes Land. Stelle Dich immer auf die Seite, wo sie scheinen wird, meine Tochter, denn Du bist hübsch anzuschauen. Gehe, mein Kind, gehe.«

Andrée entfernte sich ebenfalls, nachdem sie ihrem Vater die Stirne geboten hatte.

Nicole folgte ihr.

»Hollah! Ungeheuer von einem La Brie,« rief Taverney, der zuletzt hinausging, »sorge gut für den Herrn Gefreiten, hörst Du?«

»Ja, gnädiger Herr,« antwortete La Brie aus der Tiefe des Kellers.

»Ich,« fuhr der Baron fort, während er in sein Zimmer eilte, »ich will meine Papiere ordnen  . . . In einer Stunde müssen wir aus diesem Loche sein, Andrée, hörst Du wohl! Endlich werde ich Taverney also verlassen und zwar durch die gute Thüre. Was für ein braver Mann ist doch dieser Zauberer! Wahrhaftig ich werde abergläubisch wie ein Teufel! Beeile Dich doch, elender La Brie.«

»Gnädiger Herr, ich mußte im Finstern herumtappen. Es fand sich kein Licht mehr im Schlosse.«

»Es war, wie es scheint, Zeit,« sagte der Baron.

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 Eine Dame von hinreichend vornehmem Stande, um vorstellen zu können.

10

 In Frankreich hatte ein solcher Rittmeisterrang.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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