Читать книгу Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма - Страница 45

Siebentes bis Zehntes Bändchen
V.
Beichte eines redlichen Mannes

Оглавление

Der Theatiner trat bedächtig ein, ohne sich zu sehr über die geräuschvolle Bewegung zu wundern, welche die Besorgnisse über die Gesundheit des Cardinals im Hause veranlaßt hatten.

»Kommt, mein Ehrwürdiger,« sprach Mazarin nach einem letzten Blick in den Bettgang, »kommt und erleichtert mich.«

»Das ist meine Pflicht, Monseigneur,« erwiederte der Theatiner.

»Setzt Euch zuerst bequem, denn ich will mit einer allgemeinen Beichte beginnen; Ihr gebt mir sodann eine gute Absolution, und ich werde mich ruhiger fühlen.«

»Monseigneur,« erwiederte der Ehrwürdige, »Ihr seid nicht so krank, daß eine allgemeine Beichte nothwendig wäre, und überdies ist das zu sehr ermüdend . . . nehmt Euch also in Acht.«

»Ihr nehmt an, sie werde lange währen, mein Ehrwürdiger?«

»Wie sollte ich glauben, es könnte anders sein, wenn man so vollständig gelebt hat, wie Eure Eminenz?«

»Ah! das ist wahr . . . Ja, die Erzählung kann lang werden.«

»Die Barmherzigkeit Gottes ist groß,« näselte der Theatiner.

»Hört,« sprach Mazarin, »ich fange an, selbst darüber zu erschrecken, daß ich so viele Dinge zugelassen habe, welche der Herr mißbilligen dürfte.«

»Nicht wahr?« sagte naiv der Theatiner, indem er von der Lampe sein Gesicht, das so sein und spitzig war, wie das eines Maulwurfs, entfernte. »Die Sünder sind so: Anfangs vergeßlich und dann bedenklich, wenn es zu spät ist.«

»Die Sünder? sagt Ihr mir dieses Wort mit Ironie, und um mir alle die Genealogien vorzuwerfen, die ich auf meine Rechnung habe machen lassen? . . . ich, eines Fischers Sohn?«

»Hm!l« machte der Theatiner.

»Das ist eine erste Sünde, mein Ehrwürdiger, denn ich habe es am Ende geduldet, daß man mich von alten römischen Consuln abstammen ließ. T. Geganius Macerinus I., Macerinus II. und Proculus Macerinus III., von dem die Chronik von Halvander spricht . . . Die Ähnlichkeit von Macerinus und Mazarin war verführerisch. Macerinus, ein Verkleinerungswort, bedeutet ein magerer Mensch. Oh! mein Ehrwürdiger, Mazarin kann heute mager wie Lazarus bedeuten! Seht!«

Und er zeigte seine fleischlosen Arme und seine vom Fieber verzehrten Beine.

»Darin, daß Ihr aus einer Fischerfamilie abstammt, sehe ich nichts für Euch Aergerliches, denn der heilige Peter war auch ein Fischer, und wenn Ihr ein Kirchenfürst seid, so war er das Oberhaupt der Kirche: gehen wir weiter, wenn es Euch beliebt.«

»Um so mehr, als ich mit der Bastille einen gewissen Brunei, einen Priester von Avianon, bedroht habe, der eine Genealogie von Casa Mazarini veröffentlichen wollte, welche viel zu wunderbar war . . . «

»Um wahrscheinlich zu sein.«

»Oh! wenn ich in diesem Sinn gehandelt hätte, mein Ehrwürdiger, wäre ich des Lasters der Hoffart schuldig gewesen und das ist eine andere Sünde.«

»Es war ein Exceß des Geistes, und nie kann man Jemand dergleichen Mißbräuche zum Vorwurf machen. Weiter, weiter!«

»Ich war bei der Hoffart . . . Seht, mein Ehrwürdiger, ich will das nach Todsünden abzutheilen suchen.«

»Ich liebe wohlgeordnete Abtheilungen.«

»Das freut mich. Ihr müßt wissen, daß im Jahr 1630 . . . ach! das sind nun einunddreißig Jahre her!«

»Ihr waret damals neunundzwanzig Jahre, Monseigneur.«

»Ein brausendes Alter! Ich spielte den Soldaten und stürzte mich in Casale ins Musketenfeuer, um zu zeigen, daß ich so gut ritt als ein Officier. Es ist wahr. ich brachte den Spaniern und den Franzosen den Frieden, und das sühnt ein wenig meine Sünde.«

»Ich sehe nicht die geringste Sünde darin, daß man zeigt, man verstehe zu reiten,« erwiederte der Theatiner; »das ist eine Sache, welche von vortrefflichem Geschmack zeugt und unser Gewand ehrt. In meiner Eigenschaft als Christ billige ich, daß Ihr das Blutvergießen verhindert habt; als Ordensgeistlicher bin ich stolz auf den Muth, den ein College von mir an den Tag gelegt.«

Mazarin machte eine demüthige Verbeugung mit dem Kopf.

»Ja,« sagte er, »doch die Folgen!«

»Welche Folgen? . . . «

»Ei! die verdammte Sünde der Hoffart hat endlose Wurzeln . . . Seitdem ich mich so zwischen zwei Heere geworfen, seitdem ich Pulver gerochen und die Linien der Soldaten durchlaufen hatte, schaute ich die Generale ein wenig mitleidig an.«

»Ah!«

»So daß ich seit jener Zeit nicht einen einzigen mehr erträglich fand.«

»Es ist nicht zu leugnen, die Generale, die wir hatten, waren nicht stark,« sprach der Theatiner.

»Oh!« rief Mazarin, »da war der Herr Prinz, und den habe ich sehr gequält!«

»Er ist nicht zu beklagen, er hat genug Ruhm und Vermögen erworben.«

»Es mag sein, was den Herrn Prinzen betrifft; doch Herr von Beaufort zum Beispiel, den ich im Thurm von Vincennes so sehr leiden ließ?«

»Ah! das war ein Rebell und die Sicherheit des Staats heischte es, daß Ihr dieses Opfer brachtet . . . Gehen wir weiter.«

»Ich glaube, daß ich die Hoffart erschöpft habe. Und ich komme zu einer andern Sünde, die ich nur mit Furcht qualificiren würde.«

»Nennt sie immerhin, ich werde sie qualificiren.«

»Eine sehr große Sünde, mein Ehrwürdiger.«

»Wir werden, sehen, Monseigneur.«

»Ihr habt unfehlbar von einem gewissen Verhältnis gehört, in dem ich mit Ihrer Majestät der Königin Mutter gelebt haben soll . . . Die Böswilligen . . . «

»Die Böswilligen, Monseigneur, sind Dummköpfe; . . . mußtet Ihr nicht für das Wohl des Staats und im Interesse des jungen Königs in gutem Einvernehmen mit der Königin leben? Weiter, weiter . . . «

»Ich versichere Euch, daß Ihr mir eine furchtbare Last von der Brust nehmt,« sprach Mazarin.

»Das sind Alles nur Lappereien! sucht ernste Dinge.«

»Es hat viel Ehrgeiz obgewaltet, mein Ehrwürdiger.«

»So geht es bei großen Sachen, Monseigneur.«

»Selbst das Gelüste nach der Tiara.«

»Papst sein heißt der erste Christ sein . . . Warum solltet Ihr das nicht gewünscht haben?«

»Man hat gedruckt, ich habe, um dies zu erreichen, Cambray an die Spanier verkauft.«

»Ihr habt vielleicht selbst Pamphlete gemacht, ohne die Pamphletisten zu sehr zu verfolgen.«

»Dann, mein Ehrwürdiger, ist mein Herz sehr sauber. Ich fühle nur noch leichte Sünden . . . «

»Nennt sie.«

»Das Spiel.«

»Das ist ein wenig weltlich; doch Ihr waret durch Eure hohe Stellung verpflichtet, ein Haus zu machen.«

»Ich gewann gern.«

»Kein Spieler spielt, um zu verlieren.«

»Ich betrog wohl auch ein wenig . . . «

»Ihr waret auf Euren Vortheil bedacht. Weiter.«

»Mein Ehrwürdiger, nun fühle ich nichts mehr auf meinem Gewissen. Gebt mir die Absolution, und meine Seele kann, wenn sie Gott zu sich ruft, Hinderniß zu seinem Thron emporsteigen.«

Der Theatiner rührte weder die Arme, noch die Lippen.

»Worauf wartet Ihr, mein Ehrwürdiger?« sagte Mazarin.

»Ich warte auf das Ende.«

»Das Ende wovon?«

»Von der Beichte, Monseigneur.«

»Ich habe schon geendigt.«

»Oh! nein! Eure Eminenz täuscht sich.«

»Nicht daß ich wüßte.«

»Sucht wohl.«

»Ich habe so gut als möglich gesucht.«

»Dann will ich Euer Gedächtniß unterstützen.«

»Thut das.«

Der Theatiner hustete wiederholt und sagte dann: »Ihr sprecht nicht vom Geiz, was eine andere Todsünde ist, und auch nicht von den Millionen . . . «

»Welche Millionen meint Ihr, mein Ehrwürdiger?«

»Die, welche Ihr besitzt.«

»Mein Vater, dieses Geld gehört mir, warum sollte ich davon sprechen?«

»Seht, hierin sind unsere Ansichten verschieden, Ihr sagt, dieses Geld gehöre Euch, und ich glaube, daß es ein wenig Anderen gehört.«

Mazarin fuhr mit einer kalten Hand über seine Stirne, auf der der Schweiß perlte.

»Wie so?« stammelte er.

»Hört. Eure Eminenz hat sich viel Vermögen . . . im Dienste des Königs erworben . . . «

»Hm! viel ist nicht zu viel.«

»Wie dem sein mag, woher kam dieses Vermögen?«

»Vom Staat.«

»Der Staat ist der König.«

»Aber was schließt Ihr daraus, mein Ehrwürdiger?« fragte Mazarin, der zu zittern anfing,

»Ich kann nicht schließen ohne eine Liste der Güter, die Ihr besitzt . . . Rechnen wir ein wenig, wenn es Euch beliebt: Ihr habt das Bisthum Metz?«

»Ja.«

»Ihr habt die Abteien Saint.Clement, Saint-Arnoud und Saint-Vincent, Alles in Metz?«

»Ja.«

»Ihr habt die Abtei Saint-Denis, ein schönes Gut!«

»Ja, mein Ehrwürdiger.«

»Ihr habt die Abtei Cluny, welche reich ist!«

»Ich habe sie.«

»Ihr habt die von Saint-Metarde in Soissons, hunderttausend Livres Einkünfte!«

»Ich leugne es nicht.«

»Die von Saint-Victor in Marseille, eine der besten im Süden!«

»Ja, mein Vater.«

»Eine gute Million jährlich. Mit den Einkünften des Cardinalats und des Ministeriums heißt zwei Millionen jährlich wenig gesagt.«

»Ei!«

»In zehn Jahren macht das zwanzig Millionen . . . und zwanzig Millionen, zu fünf Procent angelegt, geben durch Progression zwanzig weitere Millionen in zehn Jahren.«

»Wie gut könnt Ihr rechnen für einen Theatiner!«

»Seitdem Eure Eminenz unsern Orden im Jahr 1644 in das Kloster versetzt hat, das wir bei Saint-Germain-des-Prés inne haben, führe ich die Rechnungen der Gesellschaft.«

»Und die meinigen, wie ich sehe, mein Ehrwürdiger.«

»Man muß von Allem ein wenig wissen.«

»Nun, so macht Euern Schluß.«

»Ich schließe daraus, daß Euer Gepäcke ein wenig zu dickleibig ist, als daß Ihr durch die Pforte des Paradieses eingehen könntet.«

»Ich werde verdammt sein?«

»Wenn Ihr nicht zurückgebt, ja.«

Mazarin stieß einen kläglichen Schrei aus.

»Zurückgeben! aber wem denn, guter Gott?«

»Dem Herrn dieses Geldes, dem König!«

»Der König hat mir dies Alles geschenkt!«

»Einen Augenblick Geduld! Der König unterzeichnet die Ordonnanzen nicht!«

Mazarin ging vom Seufzen zum Aechzen über und stammelte:

»Die Absolution!«

»Unmöglich, Monseigneur,« erwiederte der Theatiner, »gebt zurück, gebt zurück!«

»Aber Ihr absolvirt mich doch von allen Sünden, warum nicht von dieser?«

»Weil Euch in dieser Hinsicht absolviren eine Sünde wäre, von der mich der König nie absolviren würde, Monseigneur,« antwortete der Ehrwürdige.

Hiernach verließ der Beichtvater den Bußfertigen mit einer Miene voll Salbung und ging mit demselben Schritt hinaus, mit dem er eingetreten war.

»Oh! mein Gott, mein Gott!« seufzte der Cardinal.

. . . »Kommt, Colbert; ich bin sehr krank, mein Freund.«

Der Graf von Bragelonne

Подняться наверх