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Siebentes bis Zehntes Bändchen
XXII.
Von dem bemerkenswerthen Unterschied, den d’Artagnan zwischen dem Herrn Intendanten und Monseigneur dem Oberintendanten fand

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Herr Colbert wohnte in der Rue Neuve des Petits-Champs, in einem Hause, das Beautru gehört hatte.

Die Beine von d’Artagnan legten den Weg in einer kleinen Viertelstunde zurück.

Als er zu dem neuen Günstling kam, war der Hof voll von Bogenschützen und Polizeileuten, welche hier erschienen, entweder um Glück zu wünschen, oder um sich zu entschuldigen, je nachdem er das Lob oder den Tadel wählen würde. Das Gefühl der Schmeichelei ist instinctartig bei den Leuten von verächtlicher Lebensstellung; sie haben diesen Sinn, wie das wilde Thier den des Geruchs oder des Gehörs hat. Diese Leute, oder vielmehr ihr Anführer hatte begriffen, man würde Herrn Colbert ein Vergnügen machen, wenn man ihm meldete, auf welche Art sein Name während des Gemenges ausgesprochen worden.

D’Artagnan traf gerade in dem Augenblick ein, wo der Anführer der Schaarwache seinen Bericht erstattete. D’Artagnan blieb bei der Thüre hinter den Bogenschützen stehen.

Dieser Officier nahm Colbert bei Seite, trotz seines Widerstandes und obgleich er seine dicken Augenbrauen zusammenzog..

»Mein Herr,« sagte er, »falls Ihr wirklich gewünscht hättet, daß das Volk Gerechtigkeit an den zwei Verräthern übe, wäre es weise gewesen, uns davon in Kenntnis zu setzen, denn trotz unseres Schmerzes, Euch zu mißfallen oder Euren Ansichten entgegenzuhandeln, hatten wir am Ende unsern Befehl zu vollziehen.«

»Dreifacher Dummkopf!« erwiederte Colbert wüthend, indem er seine buschigen, rabenschwarzen Haare schüttelte, »was erzählt Ihr mir da! Wie! ich sollte, die Idee einer Meuterei gehabt haben! Seid Ihr ein Narr, oder betrunken!«

»Aber, mein Herr, man rief: »»Es lebe Colbert!« entgegnete der Anführer der Schaarwache.

»Eine Hand voll Verschwörer . . . «

»Nein, nein, eine Volksmasse.«

»Oh! wahrhaftig,« sagte Colbert mit freudigem Gesicht; »eine Volksmasse rief: »»Es lebe Colbert!«« Seid Ihr dessen, was Ihr mir erzählt, sicher, mein Herr?«

»Man hatte nur die Ohren zu öffnen, oder vielmehr zu schließen, so furchtbar war das Geschrei.«

»Und Ihr sagt, es sei Volk, wahres Volk gewesen?«

»Gewiß, Herr; nur hat uns dieses wahre Volk geschlagen.«

»Oh! sehr gut,« fuhr Colbert, ganz sich seinen Gedanken überlassend, fort. »Ihr denkt also, das Volk allein habe die Verurtheilten verbrennen wollen?«

»Oh! ja, Herr.«

»Das ist etwas Anderes . . . Ihr habt also kräftig Widerstand geleistet?«

»Drei von unseren Leuten sind erstickt worden.«

»Ihr habt wenigstens Niemand getödtet?«

»Es sind einige Meuterer auf dem Platze geblieben, darunter einer, der kein gewöhnlicher Mensch war.«

»Wer?«

»Ein gewisser Menneville, auf den die Polizei längst ein wachsames Auge hatte.«

»Menneville!« rief Colbert, »derjenige, welcher in der Rue de la Huchette einen braven Mann, der ein fettes Huhn verlangte, getödtet hat?«

»Ja, Herr, derselbe.«

»Und dieser Menneville rief auch: Es lebe Colbert! er auch?«

»Stärker als alle Andere . . . . wie ein Wüthender.«

Die Stirne von Colbert wurde wolkig und überzog sich mit Runzeln. Die Glorie des Ehrgeizes, welche sein Gesicht beleuchtete, erlosch wie das Feuer der Johanniswürmchen, die man unter dem Gras zertritt.

»Was sagtet Ihr denn,« sprach der enttäuschte Intendant, »die Initiative sei vom Volk gekommen? Menneville war mein Feind, ich hätte ihn henken lassen, er wußte es wohl; Menneville war im Solde des Abbé Fouquet . . . die ganze Sache kommt von Fouquet: weiß man nicht, daß die Verurtheilten seine Jugendfreunde waren?«

»Das ist wahr,« dachte d’Artagnan, »und ich habe nun Aufklärung über meine Zweifel. Ich wiederhole, Herr Fouquet kann sein, was man will, doch er ist ein galanter Mann.«

»Und,« fuhr Colbert fort, »Ihr glaubt sicher zu sein, daß Menneville todt ist?«

D’Artagnan dachte, es sei dies für ihn der Augenblick, aufzutreten.

»Vollkommen, mein Herr,« erwiederte er vorschreitend.

»Ah! Ihr seid es?« sagte Colbert.

»In Person,« antwortete der Musketier mit seinem ungezwungenen Ton; »es scheint, Ihr hattet in Menneville ein hübsches Feindchen.«

»Nicht ich, mein Herr, hatte einen Feind, sondern der König.«

»Doppeltes Thier!« dachte d’Artagnan, »Du spielst den Hochmüthigen und den Heuchler gegen mich. »Nun!» sagte er, »ich bin sehr glücklich, dem König einen so guten Dienst geleistet zu haben; wollt Ihr die Güte haben, es Seiner Majestät zu melden, Herr Intendant?«

»Welchen Auftrag gebt Ihr mir, und was wollt Ihr, daß ich melden soll, mein Herr? Ich bitte, sprecht deutlich,« sagte Colbert mit einer scharfen, zum Voraus ganz mit Feindseligkeit geladenen Stimme.

»Ich gebe Euch keinen Auftrag,« entgegnete d’Artagnan mit der Ruhe, welche die Spötter nie verläßt. »Ich dachte nur, es wäre Euch leicht, Seiner Majestät zu melden, ich, der ich mich zufällig dort befunden, habe Herrn Menneville sein Recht angedeihen lassen und die Dinge wieder in Ordnung gebracht.«

Colbert riß die Augen weit auf und befragte mit dem Blick den Anführer der Schaarwache.

»Ah! das ist wahr,« rief dieser, »der Herr war unser Retter.«

»Warum sagtet Ihr mir nicht, mein Herr, Ihr kommet, um mir das zu erzählen.« erwiederte Colbert mißgünstig: »Alles erklärte sich, und zwar besser für Euch, als für jeden Anderen.«

»Ihr irrt Euch, Herr Intendant, ich kam durchaus nicht, um Euch das zu erzählen.«

»Aber das ist eine Heldenthat, mein Herr.«

»Oh!« entgegnete der Musketier mit gleichgültig gern Ton, »die große Gewohnheit stumpft den Geist ab.«

»Sagt, welchem Umstand habe ich die Ehre Eures Besuches zu verdanken?«

»Ganz einfach dem, daß mir der König zu Euch zu gehen befohlen hat.«

»Ah!« sprach Colbert, der wieder seine entschiedene Haltung annahm, weil er sah, daß d’Artagnan ein Papier aus seiner Tasche zog, »ah! um Geld von mir zu verlangen.«

»Ganz richtig, mein Herr.«

»Ich bitte, wollt einen Augenblick hier warten, ich expedire die Meldung der Schaarwache.«

D’Artagnan drehte sich ziemlich übermüthig auf seinen Absätzen um. und machte, als er sich nach dieser ersten Drehung wieder Colbert gegenüber befand, eine Verbeugung, wie sie Arlequin hätte machen können; dann nahm er eine zweite Evolution vor und wandte sich mit ruhigem Schritt nach der Thüre.

Colbert staunte über diesen kräftigen Widerstand, an den er nicht gewöhnt war. In der Regel hatten die Kriegsleute, wenn sie zu ihm kamen, ein solches Geldbedürfniß, daß, und hätten ihre Füße im Marmor Wurzel fassen müssen, ihre Geduld sich nicht erschöpfte.

Ging d’Artagnan geraden Wegs zum König? Würde er sich über einen schlechten Empfang beklagen, oder seine That erzählen? Das war ein ernster Stoff zu ernstem Nachdenken.

In jedem Fall war der Augenblick, d’Artagnan wegzuschicken, schlecht gewählt, kam er nun im Auftrag des Königs, kam er in seinem eigenen Auftrag. Der Musketier hatte einen zu großen Dienst, und zwar vor zu kurzer Zeit geleistet, als daß er schon vergessen sein sollte.

Colbert dachte auch, es wäre besser, allen Hochmuth abzuschütteln und d’Artagnan zurückzurufen.

»He! Herr d’Artagnan,« rief Colbert, »wie, Ihr verlaßt mich so?«

D’Artagnan wandte sich um und erwiederte:

»Warum nicht? Wir haben, denke ich, nichts mehr mit einander zu thun?«

»Ihr müßt doch wenigstens Geld erheben, da Ihr eine Anweisung habt.«

»Nicht im Geringsten, mein lieber Herr Colbert.«

»Aber Ihr habt doch eine Anweisung? Und wie Ihr einen Degenstich für den König gebt, wenn man Euch auffordert, so bezahle ich, wenn man mir eine Anweisung präsentirt. Gebt sie.«

»Unnöthig, mein lieber Herr Colbert,« entgegnete d’Artagnan. der sich innerlich über die Verwirrung freute, die er in die Gedanken von Colbert brachte; »die Anweisung ist bezahlt.«

»Bezahlt! durch wen?«

»Durch den Oberintendanten.«

Colbert erbleichte.

»Erklärt Euch,« sagte er mit gepreßter Stimme; »wenn Ihr bezahlt seid, warum zeigt Ihr mir das Papier?«

»Folge des Befehls, von dem Ihr so eben so treuherzig sprachet, Herr Colbert; der König befahl mir ein Quartal von der Pension zu erheben, die er mir gnädigst aussetzen will . . . «

»Bei mir?’

»Nicht gerade. Der König sagte mir: »»Geht zu Herrn Fouquet; der Oberintendant wird vielleicht kein Geld haben, dann geht zu Herrn Colbert.««

Das Gesicht von Colbert heiterte sich einen Augenblick auf; doch es war mit seiner unglückseligen Physiognomie, wie mit dem stürmischen Himmel, der bald strahlend, bald düster wie die Nacht erscheint, je nachdem der Blitz glänzt, oder die Wolke vorüberzieht.

»Und . . . es fand sich Geld beim Oberintendanten?« fragte er.

»Nicht wenig Geld.« erwiederte d’Artagnan, »so muß ich wenigstens glauben, da Herr Fouquet. statt mir ein Quartal von fünftausend Livres zu bezahlen . . . «

»Ein Quartal von fünftausend Livres,« rief Colbert ebenso verwundert, als es Fouquet gewesen, über den Umfang einer Summe, mit der der Dienst eines Soldaten bezahlt werden sollte; »das würde also eine Pension von zwanzigtausend Livres machen?«

»Ganz richtig. Herr Colbert; Teufel! Ihr rechnet wie der selige Pythagoras; ja, zwanzigtausend Livres.«

»Zehnmal der Gehalt eines Intendanten der Finanzen; ich mache Euch mein Compliment,« sagte Colbert mit einem giftigen Lächeln.

»Oh!« rief d’Artagnan, »der König hat sich entschuldigt, daß er mir so wenig gebe, und mir versprochen es später gut zu machen, wenn er reich wäre; doch vollenden wir, da ich Eile habe.«

»Ja, und gegen die Erwartung des Königs hat Euch der Oberintendant bezahlt?«

»Wie Ihr Euch gegen die Erwartung des Königs geweigert habt, mich zu bezahlen.«

»Ich habe mich nicht geweigert, mein Herr, ich habe Euch gebeten, zu warten; und Ihr sagt, Herr Fouquet habe Euch Eure fünftausend Livres bezahlt?«

»Ja, das hättet Ihr nicht gethan; und er that noch etwas Besseres, der liebe Herr Fouquet.«

»Was denn?«

»Er bezahlte mir die Gesammtsumme und sagte, für den König seien die Kassen immer voll.«

»Die Gesammtsumme! Herr Fouquet bezahlte Euch zwanzigtausend Livres, statt fünftausend?«

»Ja, mein Herr.«

»Und warum dies?«

»Um mir drei Besuche bei der Kasse der Oberintendanz zu ersparen; ich habe zwanzigtausend Livres hier in meiner Tasche, in sehr schönem, ganz neuem Gold. Ihr seht also, daß ich gehen kann, da ich Eurer durchaus nicht bedarf und nur der Form wegen hierhergekommen bin,« sprach d’Artagnan.

Und er klopfte lachend an seine Taschen und zeigte hierdurch Colbert zweiunddreißig herrliche Zähne, so weiß wie Zähne von fünfundzwanzig Jahren, welche in ihrer Sprache zu sagen schienen: »Setzt, uns Zweiunddreißig kleine Colbert vor, und wir werden sie sehr gern verspeisen.«

Die Schlange ist ebenso tapfer als der Löwe, der Sperber ebenso muthig als der Adler, das läßt sich nicht bezweifeln. Selbst diejenigen Thiere, welche man feige genannt hat, sind, wenn es sich um ihre Verteidigung handelt, tapfer. Colbert hatte keine Furcht vor den zweiunddreißig Zähnen von d’Artagnan; er stemmte sich an und sagte plötzlich:

»Mein Herr, der Herr Oberintendant war nicht berechtigt, zu thun, was er gethan hat.«

»Was sagt Ihr?« versetzte d’Artagnan.

»Ich sage, daß Eure Anweisung . . . Wollt mir Eure Anweisung zeigen, wenn es Euch beliebt?«

»Sehr gern; hier ist sie.«

Colbert nahm das Papier mit einem Eifer, den d’Artagnan nicht ohne Unruhe, und besonders nicht ohne ein gewisses Bedauern, die Anweisung abgegeben zu haben, bemerkte.

»Nun! mein Herr, » sagte Colbert, »die königliche Ordonnanz lautet, wie folgt:

»»Nach Sicht bezahle man an Herrn d’Artagnan die Summe von fünftausend Livres, welche ein Quartal der Pension bildet, die ich ihm ausgesetzt habe.««

»Das steht in der That geschrieben,« sprach d’Artagnan, Ruhe heuchelnd.

»Nun! der König war Euch nur fünftausend Livres schuldig, warum hat man Euch mehr gegeben?«

»Weil man mehr hatte und man mir mehr geben wollte; das geht Niemand etwas an.«

»Es ist natürlich,« sagte Colbert mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, »Ihr kennt die Gebräuche des Rechnungswesens nicht; doch, mein Herr, wenn Ihr tausend Livres zu bezahlen habt, was thut Ihr?«

»Ich habe nie tausend Livres zu bezahlen,« antwortete d’Artagnan.

»Wenn Ihr aber,« rief Colbert zornig, »wenn Ihr aber eine Bezahlung zu leisten hättet, so würdet Ihr nur bezahlen, was Ihr schuldig seid.«

»Das beweist nur Eines: daß Ihr nämlich Eure besondern Gewohnheiten im Rechnungsgeschäft habt, während Herr Fouquet die seinigen hat.«’

»Die meinigen, mein Herr, sind gut.«

»Ich leugne es nicht.«

»Und Ihr habt erhalten, was man Euch nicht schuldig war?«

Das Auge von d’Artagnan schleuderte einen Blitz.

»Was man mir schuldig war, wollt Ihr sagen, Herr Colbert; denn wenn ich erhalten hätte, was man mir gar nicht schuldig war, so hätte ich einen Diebstahl begangen.«

Colbert antwortete auf diese Spitzfindigkeit nicht.

»Ihr seid also der Kasse fünfzehntausend Livres schuldig,« sagte er, von seiner eifersüchtigen Hitze fortgerissen,

»Ihr gebt mir wohl Credit,« erwiederte d’Artagnan mit seiner ungebührlichen Ironie.

»Keineswegs, mein Herr.«

»Gut! wie so? . . . Werdet Ihr mir meine drei Rollen wieder abnehmen?«

»Ihr werdet sie meiner Kasse wiederersetzen.«

»Ich? Ah! Herr Colbert, zählt nicht hierauf.«

»Der König braucht sein Geld, mein Herr.«

»Und ich brauche das Geld des Königs.«

»Es mag sein; doch Ihr werdet die betreffende Summe wiedererstatten.«

»Durchaus nicht. Ich habe immer sagen hören, beim Rechnungswesen, wie Ihr es nennt, gebe ein guter Kassier nie zurück und nehme nie zurück.«

»Dann werden wir sehen, mein Herr, was der König sagt, dem ich diese Quittung zeigen werde, welche beweist, daß Herr Fouquet nicht nur bezahlt, was er nicht schuldig ist, sondern daß er nicht einmal die Quittung für das behält, was er bezahlt.«

»Ah!« rief d’Artagnan. »ich begreife nun, warum Ihr mir dieses Papier abgenommen habt, Herr Colbert.«

Colbert begriff nicht ganz, was Alles an Drohung in seinem auf eine gewisse Weise ausgesprochenen Namen lag.

»Ihr werdet den Nutzen später sehen erwiederte er, indem er das Papier in seinen Fingern in die Höhe hob.

»Oh!« rief d’Artagnan, der das Papier mit einer raschen Geberde wieder an sich riß, »ich verstehe das vollkommen und brauche zu diesem Ende nicht zu warten.«

Und er steckte das Papier, das er erhascht hatte, wieder in die Tasche.

»Mein Herr! mein Herr!« rief Colbert . . . »diese Gewaltthat . . . «

»Geht doch! darf man auf die Manieren eines Soldaten merken!« erwiederte der Musketier; »empfangt meinen Handkuß, lieber Herr Colbert!«

Und er lachte dem zukünftigen Minister ins Gesicht und ging weg.

»Dieser Mann wird mich anbeten,« murmelte er; »Schade, daß ich seine Gesellschaft verlassen muß,«

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