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Siebentes bis Zehntes Bändchen
X.
Die Lection von Herrn d’Artagnan

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Raoul sand am andern Tag Herrn d’Artagnan nicht, wie er gehofft hatte. Er traf nur Planchet, der eine große Freude äußerte, als er den jungen Mann wiedersah, dem er ein paar kriegerische Complimente zu machen wußte, welche nicht ganz nach dem Gewürzkrämer rochen. Als aber Raoul am zweiten Tag von Vincennes mit fünfzig Dragonern zurückkam, die ihm der Herr Prinz anvertraut hatte, erblickte er auf der Place Baudoyer einen Mann, der, die Nase hoch, ein Haus anschaute, wie man ein Pferd anschaut, das man zu kaufen Lust hat.

Dieser Mann, der einen bürgerlichen, aber wie ein militärisches Wamms zugeknöpften Rock, einen kleinen Hut auf dem Kopf und einen mit Chagrin verzierten langen Degen an der Seite trug, wandte den Kopf sogleich um, als er den Tritt der Pferde hörte, und schaute das Haus nicht mehr an, um die Dragoner zu betrachten.

Es war ganz einfach Herr d’Artagnan; d’Artagnan zu Fuß; d’Artagnan die Hände auf dem Rücken, der die Dragoner ein wenig die Revue passiren ließ, nachdem er die Gebäude in Augenschein genommen hatte. Kein Mann, kein Nestel, kein Hufeisen entging seiner Inspection,

Raoul marschirte an der Seite seiner Truppe; d’Artagnan erblickte ihn zuletzt.

»Ei!« machte er, »ei! Mordioux!«

»Ich täusche mich nicht,« rief Raoul und spornte sein Pferd,

»Nein, Du täuschest Dich nicht; guten Morgen!« erwiederte der Musketier.

Und Raoul drückte seinem alten Freund liebevoll die Hand.

»Nimm Dich in Acht,« sagte d’Artagnan, »das zweite Pferd der fünften Reihe wird vor dem Pont Marie ein Hufeisen verlieren; es hat nur noch zwei Nägel am rechten Vorderfuß.«

»Wartet auf mich,« sprach Raoul, »ich komme zurück.«

»Du verlässest Deine Abtheilung?«

»Der Cornett kann meine Stelle einnehmen.«

»Du wirst mit mir zu Mittag speisen.«

»Sehr gern, Herr d’Artagnan.«

»Dann geschwinde, steige ab oder laß mir ein anderes Pferd geben.«

»Ich will lieber zu Fuß mit Euch zurückkehren.«

Raoul benachrichtigte schleunigst den Cornett, der sogleich seine Stelle einnahm, gab sein Pferd einem der Dragoner und ergriff ganz freudig den Arm von Herrn d’Artagnan, der ihm bei allen seinen Evolutionen mit der Zufriedenheit eines Kenners zuschaute.

»Und Du kommst von Vincennes?« fragte er zuerst.

»Ja, Herr Chevalier.«

»Der Cardinal?«

»Ist sehr krank; man sagt sogar, er sei gestorben.«

»Stehst Du gut mit Herrn Fouquet?« fragte d’Artagnan, indem er durch eine verächtliche Bewegung der Achseln bewies, daß ihn der Tod von Mazarin nicht übermäßig angriff.

»Mit Herrn Fouquet?« versetzte Raoul. »Ich kenne ihn nicht.«

»Desto schlimmer, desto schlimmer; denn ein neuer König sucht sich immer Ergebene zu machen,«

»Oh! der König ist mir nicht abhold,« entgegnete der junge Mann.

»Ich spreche nicht von der Krone,« sagte d’Artagnan, »sondern vom König. Der König ist Herr Fouquet, nun da der Cardinal todt . . . Du mußt Dich gut mit Herrn Fouquet stehen, wenn Du nicht Dein ganzes Leben schimmeln willst, wie ich geschimmelt habe . . . Du hast allerdings glücklicher Weise andere Gönner.«

»Den Herrn Prinzen vor Allem.«

»Abgenützt, abgenützt, mein Freund.«

»Den Herrn Grasen de la Fère.«

»Athos! oh! das ist etwas Anderes; ja, Athos . . . und wenn Du in England einen guten Weg machen willst, kannst Du keine bessere Adresse haben. Ich darf sogar ohne zu große Eitelkeit behaupten, daß ich selbst einiges Ansehen beim Hof von Karl II. habe. Das ist ein König, der gefällt mir.«

»Ah!« machte Raoul mit der naiven Neugierde wohl geborener junger Leute, welche gern die Erfahrung und die Tapferkeit reden hören.

»Ja, ein König, der sich belustigt, es ist wahr, der aber das Schwert in die Hand zu nehmen und die ersprießlichen Namen zu schätzen gewußt hat. Athos steht gut mit Karl II. Nimm dort Dienst, sage ich Dir, und laß ein wenig diese knauserischen Steuerpächter, welche eben so gut mit französischen Händen, als mit italienischen Fingern stehlen; laß den kleinen weinerlichen König, der uns eine Regierung von Franz II. geben wird. Kennst Du die Geschichte, Raoul?«

»Ja, Herr Chevalier.«

»Du weißt also, daß Franz II. immer Ohrenweh hatte?«

»Nein, ich wußte das nicht!«

»Daß Karl IV. immer Kopfweh hatte?«

»Oh!«

»Und Heinrich III. immer Bauchweh?«

Raoul lachte.

»Nun! mein lieber Freund, Ludwig XIV. hat immer Herzweh; es ist kläglich anzuschauen, wenn ein König vom Morgen bis zum Abend seufzt und nicht einmal im Tage: Alle Wetter! oder: Stern und Element! oder irgend so etwas, was den Geist erweckt, ausruft.«

»Deshalb habt Ihr den Dienst verlassen, Herr?« fragte Raoul.

»Ja.«

»Aber Ihr selbst, lieber Herr d’Artagnan, Ihr schüttet das Kind mit dem Bade aus; Ihr werdet kein Glück machen.«

»Oh! ich,« entgegnete d’Artagnan mit leichtem Ton, »ich bin versorgt. Ich habe einiges Vermögen von Hause aus.«

Raoul schaute ihn an. Die Armuth von d’Artagnan war sprichwörtlich. Ein Gascogner, überbot er an Dürftigkeit alle Gasconnaden von Frankreich und Navarra; Raoul hatte hundertmal Hiob und d’Artagnan nennen hören, wie man die Zwillingsbrüder Romulus und Remus nennt,

D’Artagnan gewahrte diesen Blick der Verwunderung.

»Nun! Dein Vater wird Dir gesagt haben, daß ich in England gewesen bin?«

»Ja, Herr Chevalier.«

»Und daß ich dort einen glücklichen Fund gemacht habe?«

»Nein, Herr, das wußte ich nicht.«

»Ja, einer meiner guten Freunde, ein sehr vornehmer Herr, der Vicekönig von Schottland und Irland, machte, daß ich eine Erbschaft auffand.«

»Eine Erbschaft?«

»Ja, eine ziemlich runde.«

»Somit seid Ihr reich?«

»Nun . . . «

»Empfangt meine aufrichtigen Glückwünsche.«

»Ich danke . . . Sieh, hier ist mein Haus.«

»Auf der Grève?«

»Ja, Du liebst dieses Quartier nicht?«

»Im Gegentheil . . . das Wasser ist schön anzuschauen ., . Oh! das hübsche, alterthümliche Haus!«

»Das Bild Unserer Lieben Frau, es ist eine alte Schenke, die ich seit zwei Tagen in ein Haus verwandelt habe.«

»Aber die Schenke ist immer noch offen?«

»Ja wohl!«

»Und Ihr, wo wohnt Ihr?«

»Ich wohne bei Planchet.?«

»Ihr sagtet mir aber so eben: Sieh, hier ist mein Haus.«

»Ich sagte dies, weil es wirklich mein Haus ist, denn ich habe es gekauft.«

»Ah!« machte Raoul.

»Zehn Procent, mein lieber Raoul; ein vortreffliches Geschäft: ich habe das Haus um dreißigtausend Livres gekauft; es hat einen Garten nach der Rue de la Mortellerie; die Schenke ist mit dem ersten Stock um tausend Livres vermiethet; der Speicher im zweiten Stock um fünfhundert Livres.«

»Geht doch!«

»Ganz gewiß.«

»Ein Speicher um fünfhundert Livres? Das ist ja nicht bewohnbar.«

»Man bewohnt es auch nicht; doch Du stehst, daß dieser Speicher zwei Fenster nach dem Platze hat.«

»Ja, Herr.«

»Nun wohl, so oft man rädert, hängt, viertheilt, oder verbrennt, werden diese Fenster bis zu zwanzig Pistolen vermiethet.«

»Oh!« machte Raoul mit Abscheu.

»Nicht wahr, das ist ekelhaft?« sagte d’Artagnan.

»Oh!« wiederholte Raoul.

»Es ist ekelhaft, aber es ist so . . . Diese Pariser Maulaffen sind zuweilen wahre Menschenfresser. Ich begreife nicht, daß Christen solche Speculationen machen können,«

»Das ist wahr.«

»Ich, was mich betrifft, verschlöße, wenn ich dieses Haus bewohnen würde, an Hinrichtungstagen Alles, bis auf die Schlüssellöcher; aber ich bewohne es nicht.«

»Und Ihr vermiethet diesen Speicher um fünfhundert Livres?«

»An den rohen Schenkwirt, der ihn wieder in Aftermiethe gibt . . . Ich sagte also fünfzehnhundert Livres.«

»Das natürliche Interesse des Geldes, fünf Procent.«

»Ganz richtig. Es bleiben mir noch das hintere Hauptgebäude, Magazine, Wohnungen und Keller, welche jeden Winter unter Wasser gesetzt sind, zweihundert Livres, und der Garten, der sehr schön, sehr gut angepflanzt, sehr unter den Mauern und dem Schatten des Portals von Saint-Gervais-Saint-Protais verborgen ist, dreizehnhundert Livres.«

»Dreizehnhundert Livres, oh! das ist königlich.«

»Höre die Geschichte: Ich muthmaße, daß irgend ein Canonicus des Kirchspiels (jeder dieser Herren ist ein Krösus), ich muthmaße also, daß ein Canonicus des Kirchspiels diesen Garten gemiethet hat, um sich darin zu erlustigen. Der Miethsmann hat den Namen Godard angegeben . . . Das ist ein falscher Name oder ein wahrer Name; ist er wahr, so ist es ein Canonicus; ist er falsch, so ist es ein Unbekannter; wozu soll ich das wissen? Er bezahlt immer zum Voraus . . . Ich hatte auch vorhin, als ich Dir begegnete, den Gedanken, ein Haus auf der Place Baudoyer zu kaufen, dessen Hintertheile sich mit meinem Garten verbinden ließen und ein herrliches Eigenthum bilden würden. Deine Dragoner haben mich von meinem Gedanken abgebracht. Doch laß uns den Weg durch die Rue de la Vannerie nehmen, und wir kommen gerade zu Meister Planchet.«

D’Artagnan beschleunigte seine Schritte, und führte wirklich Raoul zu Planchet in ein Zimmer, das der Spezereihändler seinem ehemaligen Herrn abgetreten hatte. Planchet war ausgegangen, doch das Mittagsbrod wurde aufgetragen. Es herrschte bei dem Spezereihändler noch ein Ueberest von Regelmäßigkeit, von militärischer Pünktlichkeit.

D’Artagnan brachte Raoul wieder auf das Kapitel seiner Zukunft.

»Dein Vater hält Dich streng,« sagte er.

»Gerecht, Herr Chevalier.«

»Oh! ich weiß, daß Athos gerecht ist, aber vielleicht zähe.«

»Eine königliche Hand, Herr d’Artagnan.«

»Ohne Umstände, Junge: wenn Du einige Pistolen brauchst, so ist der alte Musketier da.«

»Lieber Herr d’Artagnan . . . «

»Du spielst wohl ein wenig?«

»Nie.«

»Glück bei Frauen also? . . . Du erröthest . . . Oh! kleiner Aramis! Mein Lieber, das kostet noch mehr als das Spiel. Es ist wahr, daß man sich schlägt, wenn man verloren hat, und das ist eine Ausgleichung, … Bah! der kleine weinerliche König läßt die Leute, welche vom Leder ziehen, Strafe bezahlen. Welche Regierung, mein armer Raoul, welche Regierung . . . Wenn mau bedenkt, daß man zu meiner Zeit die Musketiere in den Häusern belagerte, wie Hektor und Priamus in der Stadt Troja; und dann weinten die Weiber, und dann lachten die Mauern, und fünfhundert Kerle klatschten in die Hände und riefen: Schlagt todt! schlagt todt! wenn es sich Nicht um einen Officier handelte. Mordioux! Ihr Leute werdet das nicht sehen.«

»Ihr urtheilt so strenge über den König, Herr d’Artagnan, und Ihr kennt ihn kaum.«

»Ich! höre, Raoul, Tag für Tag, Stunde für Stunde, merke Dir wohl meine Worte, sage ich Dir voraus, was er thun wird. Ist der Cardinal todt, so wird er weinen; gut: das ist das, was er am wenigsten Albernes thun kann, besonders wenn er nicht an eine Thräne denkt.«

»Hernach?«

»Hernach wird er sich eine Pension von Herrn Fouquet aussetzen lassen, und in Fontainebleau Verse für irgend eine Mancini machen, der die Königin die Augen ausreißt. Siehst Du, die Königin ist eine Spanierin und hat Frau Anna von Oesterreich zur Schwiegermutter. Ich kenne das . . . die Spanierinnen aus dem Hause Oesterreich.«

»Hernach?«

»Hernach, wenn er den Schweizern die silbernen Borden hat abreißen lassen, läßt er die Musketiere zu Fuß setzen, weil Hafer und Heu für ein Pferd täglich fünf Sous kosten.«

»Oh! sagt das nicht.«

»Was liegt mir daran, nicht wahr, ich bin nicht mehr Musketier? Mag man zu Pferd oder zu Fuß sein, mag man eine Spicknadel, einen Bratspieß, einen Degen, oder gar nichts tragen, mir gleichviel!«

»Lieber Herr d’Artagnan, ich flehe Euch an, sprecht nicht schlimm vom König. Ich bin, gleichsam in seinem Dienst, und mein Vater würde es mir sehr verargen, wenn ich, selbst aus Eurem Mund, für Seine Majestät beleidigende Worte angehört hätte.«

»Dein Vater! . . . Ei! das ist ein Vertheidiger jeder wurmstichigen Sache . . . Bei Gott! ja, Dein Vater ist ein Braver, ein Cäsar! aber ein Mann ohne Blick.«

»Ah! mein guter Chevalier,« erwiederte Raoul lachend, »Ihr werdet wohl nun auch Böses von meinem Vater, von dem Mann sagen, den Ihr den großen Athos nanntet; Ihr seid heute in einer schlimmen Laune, und der Reichthum macht Euch herb, wie andere Leute die Armuth.«

»Du hast bei Gott Recht; ich bin ein Wicht und schwatze ungereimtes Zeug; ich bin ein unglücklicher alter Kerl, ein durchlöcherter Panzer, ein Stiefel ohne Sohle, ein Sporn ohne Rädchen; doch mache mir das Vergnügen, Raoul, sprich etwas aus.«

»Was, lieber Herr d’Artagnan?«

»Sage: Mazarin war ein Lumpenkerl.«

»Er ist vielleicht todt.«

»Ein Grund mehr; ich sage war; wenn ich nicht hoffte, er wäre todt, würde ich Dich bitten, zu sagen: Mazarin ist ein Lumpenkerl; sage es, ich bitte Dich, mir zu Liebe.«

»Ich will es wohl.«

»Sprich also.«

»Mazarin war ein Lumpenkerl,« sagte Raoul, dem Musketier zulächelnd, der sich belustigte, wie in seinen schönen Tagen.

»Einen Augenblick Geduld,« fuhr der Musketier fort. »Du hast den ersten Satz ausgesprochen, nun kommt der Schluß, Wiederhole, Raoul, wiederhole: aber ich werde Mazarin bedauern.«

»Chevalier!«

»Du kannst es nicht sagen . . . so werde ich es zweimal für Dich sagen.«

»Aber ich werde Mazarin bedauern!«

Sie lachten noch und stritten über diese Abfassung eines Glaubensbekenntnisses, als einer von den Ladendienern des Spezereihändlers eintrat und sagte:

»Hier ist ein Brief für Herrn d’Artagnan.«

»Ich danke . . . Laß sehen!« rief der Musketier.

»Die Handschrift des Herrn Grafen,« sprach Raoul.

»Ja, ja,« sagte d’Artagnan. Und, er entsiegelte den Brief.

»Lieber Freund,« schrieb Athos, »man hat mich im Auftrag des Königs gebeten, Euch suchen zu lassen.«

»Mich!« rief d’Artagnan und ließ das Papier auf den Tisch fallen.

Raoul hob es auf und las laut weiter:

»Beeilt Euch . . . Seine Majestät fühlt ein großes Bedürfnis, Euch zu sprechen, und erwartet Euch im Louvre.«

»Mich!« wiederholte der Musketier.

»He!, he!« sagte Raoul.

»Hoho! rief d’Artagnan. Was soll das bedeuten?«

Der Graf von Bragelonne

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