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Siebentes bis Zehntes Bändchen
XVII.
Eine Viertelstunde Verzug

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Zum zweiten Mal an diesem Tage außerhalb seines Hauses, fühlte sich Fouquet minder schwer und minder unruhig, als man hätte glauben sollen.

Er wandte sich gegen Pelisson, der mit ernster Miene in seinem Winkel im Wagen über eine gute Beweisführung gegen die Hitze von Colbert nachdachte.

»Mein lieber Pelisson,« sagte Fouquet, »es ist sehr Schade, daß Ihr kein Weib seid.«

»Ich glaube im Gegentheil, es ist ein Glück,« erwiederte Pelisson, »denn, Monseigneur, ich bin ungemein häßlich.«

»Pelisson! Pelisson!« rief der Oberintendant, »Ihr wiederholt zu oft, daß Ihr häßlich seid, um nicht glauben zu machen, es bereite Euch dies viel Kummer.«

»In der That, viel, Monseigneur; es gibt keinen Menschen, der unglücklicher ist, als ich; ich war schon, die Blattern haben mich häßlich gemacht; ich bin eines großen Mittels der Verführung beraubt; als Euer erster, oder beinahe erster Commis habe ich Eure Interessen zu wahren, und wenn ich in diesem Augenblick hübsch wäre, würde ich Euch einen wichtigen Dienst leisten.«

»Welchen?«

»Ich würde zum Aufseher des Palastes gehen und ihn verführen, denn er ist ein galanter Mann von verliebter Natur; dann würde ich unsere zwei Gefangenen wegbringen.«

»Ich hoffe dies wohl selbst noch thun zu können, obschon ich keine hübsche Frau bin,« sagte Fouquet.

»Einverstanden, Monseigneur; doch Ihr werdet Euch bedeutend gefährden.«

»Oh!« rief plötzlich Fouquet mit einer jener geheimen Aufwallungen, wie sie im Herzen das edle Blut der Jugend oder die Erinnerung an eine süße Gemüthsbewegung besitzen, »oh! ich kenne eine Frau, welche bei dem Gouverneur der Conciergerie die Person spielen wird, der wir bedürfen.«

»Ich kenne fünfzig, Monseigneur, fünfzig Trompeter, welche das Weltall von Eurer Großmuth, von Eurer Aufopferung für Eure Freunde unterrichten und Euch folglich früher oder später in’s Verderben stürzen werden.«

»Ich spreche nicht von diesen Frauen, Pelisson, ich spreche von einem edlen und schönen Geschöpf, das mit dem Geiste seines Geschlechts den Werth und die Kaltblütigkeit des unsern verbindet; ich spreche von einer Frau, welche schön genug ist, daß sich die Mauern des Gefängnisses verbeugen, um sie zu begrüßen, von einer Frau, welche verschwiegen genug ist, daß Niemand ahnen kann, wer sie abgeschickt hat.«

»Ein Schatz,« sagte Pelisson; »Ihr würdet da dem Herrn Gouverneur der Conciergerie ein herrliches Geschenk machen. Teufel! Monseigneur, es könnte geschehen, daß man ihm den Kopf abschlüge, doch er hätte dann vor seinem Tod ein Liebesglück gehabt, wie es vor ihm nie ein Mann gefunden haben würde.«

»Und ich füge bei,« sprach Fouquet, »daß man dem Concierge des Palastes nicht den Kopf abschlagen würde, denn er bekäme von mir meine Pferde, um sich zu flüchten, und fünfmal hundert tausend Livres, um anständig und ehrenhaft in England zu leben; ich füge bei, daß die Frau, meine Freundin, ihm nur die Pferde und das Geld geben würde. Suchen wir diese Frau’ auf, Pelisson.«

Der Oberintendant streckte die Hand nach der Schnur von Seide und Gold aus, welche im Innern seines Wagens angebracht war. Pelisson hielt ihn zurück.

»Monseigneur,« sagte er, »Ihr werdet mit Aufsuchung dieser Frau ebenso viel Zeit verlieren, als Columbus brauchte, um die neue Welt zu finden. Wir haben nur zwei Stunden, um unsern Zweck zu erreichen; ist aber einmal der Concierge zu Bette gegangen, wie zu ihm dringen, ohne ein gewaltiges Geräusch? ist es einmal Tag geworden, wie unsere Schritte verbergen? Geht, geht, Monseigneur, geht selbst und sucht weder Engel noch Frau.«

»Mein lieber Pelisson, wir sind vor ihrer Thüre.«

»Vor der Thüre des Engels?«

»Ja wohl!«

»Das ist das Hotel von Frau von Bellière.«

»Stille!«

»Ah! mein Gott!« rief Pelisson.

»Was habt Ihr gegen sie zu sagen?« fragte Fouquet.

»Leider nichts! und das ist es, was mich in Verzweiflung bringt . . . Warum kann ich Euch nicht im Gegentheil genug Schlimmes von ihr sagen, um Euch zu verhindern, zu ihr hinaufzugehen!«

Doch schon hatte Fouquet zu halten befohlen; der Wagen war unbeweglich.

»Mich verhindern!« rief Fouquet; »keine Macht der Erde würde mich verhindern, Madame du Plessis-Bellière ein Compliment zu sagen; wer weiß übrigens, ob wir ihrer nicht bedürfen werden? Geht Ihr mit mir hinauf?«

»Nein, Monseigneur, nein.«

»Aber ich will nicht, daß Ihr auf mich wartet, Pelisson,« erwiederte Fouquet mit aufrichtiger Artigkeit.

»Ein Grund mehr, Monseigneur; wenn Ihr wißt, daß Ihr mich warten laßt, werdet Ihr minder lang oben bleiben . . . Nehmt Euch in Acht! Ihr seht einen Wagen im Hof: es ist Jemand bei ihr!«

Fouquet neigte sich gegen den Fußtritt der Carosse.

»Noch ein Wort,« rief Pelisson; »ich bitte, geht zu dieser Dame erst, wenn Ihr von der Conciergerie zurückkommt.«

»Ei! fünf Minuten, Pelisson,« erwiederte Fouquet und stieg gerade auf die Freitreppe des Hotels aus.

Pelisson blieb, die Stirne gefaltet, im Hintergrunde des Wagens.

Fouquet ging zur Marquise hinauf und sagte dem Bedienten seinen Namen, was einen achtungsvollen Eifer erregte, und dies bewies, daß die Gebieterin des Hauses ihre Leute daran gewöhnt hatte, diesen Mann zu ehren und zu lieben.

»Der Herr Oberintendant!» rief die Marquise, indem sie Fouquet sehr bleich entgegenging. »Welche Ehre! welche Ueberraschung!« sagte sie.

Dann ganz leise:

»Nehmt Euch in Acht! Marguerite Vanel ist bei mir.«

»Madame,« erwiederte Fouquet unruhig, »ich komme in dringenden Angelegenheiten . . . erlaubt nur ein einziges Wort.«

Und er trat in den Salon ein.

Madame Vanel war bleicher, bleifarbiger, als der Neid selbst, aufgestanden. Fouquet richtete vergebens eine der artigsten, der friedlichsten Begrüßungen an sie; sie antwortete darauf nur mit einem furchtbaren auf die Marquise und auf Fouquet geschleuderten Blick. Dieser spitzige Blick einer eifersüchtigen Frau ist ein Stilett, das die offene Stelle aller Panzer findet; Marguerite Vanel versetzte einen Schlag in das Herz der zwei Vertrauten. Sie machte eine Verbeugung vor ihrer Freundin, eine noch tiefere vor Fouquet, und nahm Abschied unter dem Vorwand einer großen Anzahl von Besuchen, die sie abzustatten habe, ohne daß die Marquise, äußerst verblüfft, ohne daß Fouquet, von einer Unruhe ergriffen, sie zurückzuhalten suchten.

Kaum war sie weggegangen, als Fouquet, der mit der Marquise allein blieb, auf seine Kniee niedersank, statt irgend ein Wort zu sagen.

»Ich erwartete Euch,« sprach die Marquise mit einem sanften Lächeln.

»O nein,« entgegnete er, »Ihr würdet diese Frau weggeschickt haben.«

»Sie ist erst vor einer Viertelstunde hier erschienen, und ich konnte nicht ahnen, daß sie diesen Abend kommen würde.«

»Ihr liebt mich also ein wenig, Marquise?«

»Es handelt sich nicht um dieses, mein Herr, sondern um Eure Gefahren; wie steht es mit Euern Angelegenheiten?«

»Ich werde noch diesen Abend meine Freunde den Gefängnissen des Palastes entziehen.«

»Wie dies?«

»Indem ich den Gouverneur erkaufe, verführe.«

»Er gehört zu meinen Freunden; kann ich Euch helfen, ohne Euch zu schaden?«

»Oh! Marquise, das wäre ein ausgezeichneter Dienst: doch wie soll ich Euch benutzen, ohne Euch zu gefährden? Nie aber dürften mein Leben, oder meine Macht, oder meine Freiheit erkauft werden, wenn dafür eine Thräne aus Euern Augen fallen, wenn mein Schmerz Eure Stirne verdunkeln sollte.«

»Oh! Herr, sagt mir nicht solche Worte, die mich berauschen; ich bin schuldig, daß ich Euch dienen wollte, ohne das Gewicht meines Schrittes zu berechnen. Ich liebe Euch in der That wie eine ergebene Freundin, und als Freundin bin ich Euch dankbar für Euer Zartgefühl; doch, ach! . . . nie werdet Ihr, in mir eine Geliebte finden.«

»Marquise! . . . « rief Fouquet mit verzweiflungsvollem Tone, »warum nicht?«

»Weil Ihr zu sehr geliebt seid,« antwortete ganz leise die junge Frau, »weil Ihr es von zu vielen Menschen seid, weil der Glanz des Ruhmes und des Glücks meine Augen blendet, während der düstere Schmerz sie anzieht, weil endlich ich, die ich Euch in Eurer prunkenden Herrlichkeit zurückgestoßen, die ich Euch kaum anschaute, als Ihr noch schimmertet, mich wie ein verirrtes Weib gleichsam in Eure Arme warf, als ich ein Unglück über Eurem Haupte schweben sah . . . Ihr begreift mich nun, Monseigneur . . . Werdet wieder glücklich, damit ich keusch an Herz und Geist werde; Euer Mißgeschick würde mich zu Grunde richten.«

»Oh! Madame,« sprach Fouquet mit einer Erschütterung, die er nie empfunden hatte, »müßte ich auf die letzte Stufe des menschlichen Elends hinabsinken, so werde ich doch von Eurem Munde das Wort hören, das Ihr mir verweigert, und an diesem Tag, Madame, werdet Ihr Euch in Eurer edlen Selbstsucht täuschen; Ihr werdet an diesem Tag den unglücklichsten der Menschen zu trösten glauben, während Ihr: Ich liebe Dich! dem Erhabensten, dem Freudigsten, dem Triumphirendsten dieser Welt gesagt habt!«

Er lag noch zu ihren Füßen, er küßte ihr die Hand, als Pelisson hastig eintrat und voll Aerger rief:

»Monseigneur, Madame! ich bitte, Madame, wollt mich entschuldigen . . . Monseigneur, Ihr seid seit einer halben Stunde hier . . . Oh! schaut mich nicht Beide so mit einer Miene des Vorwurf an . . . Madame, wer ist die Dame, welche so eben, als Monseigneur eintrat, von Euch wegging?«

»Madame Vanel,« antwortete Fouquet.

»Ah!« rief Pelisson, »ich war dessen sicher.«

»Nun, was denn?«

»Sie ist ganz bleich in ihren Wagen gestiegen.«

»Was liegt mir daran?« versetzte Fouquet.

»Ja, aber es liegt Euch an dem, was sie zu ihrem Kutscher gesagt hat.«

»Mein Gott, was denn!« rief die Marquise. »»Zu Herrn Colbert,«« sprach Pelisson mit heisere, Stimme.

»Großer Gott! geht! geht, Monseigneur!« sagte die Marquise, indem sie Fouquet aus dem Salon schob, während ihn Pelisson an der Hand fortzog.

»Oho!« rief der Oberintendant, »bin ich ein Kind, dem man vor einem Schatten bange macht?«

»Ihr seid ein Riese, den eine Schlange in die Ferse zu stechen sucht,« sagte die Marquise.

Pelisson zog Fouquet bis zum Wagen fort.

»Zum Palast! im Galopp!« rief Pelisson dem Kutscher zu.

Die Pferde jagten wie der Blitz fort; kein Hinderniß hemmte sie auch nur einen Augenblick in ihrem Lauf, Erst bei der Arcade Saint-Jean, als sie nach dem Grève-Platz ausmünden wollten, versperrte eine lange Reihe von Reitern den schmalen Weg und hielt den Wagen des Oberintendanten auf. Es war keine Möglichkeit, durch diese Barriere zu dringen; man mußte warten, bis die Bogenschützen der Schaarwache zu Pferde, denn sie waren es, mit dem schweren, rasch nach der Place Baudoyer hinauffahrenden Wagen, den sie geleiteten, vorübergezogen.

Fouquet und Pelisson schenkten diesem Ereigniß keine andere Aufmerksamkeit, als daß sie die Minute der Zögerung beklagten, die sie anzuhalten hatten, Sie fuhren fünf Minuten nachher bei dem Concierge des Palastes ein.

Dieser Officier ging im ersten Hof auf und ab. Bei dem Namen von Fouquet, den ihm Pelisson ins Ohr sagte, näherte sich der Gouverneur voll Viser, den Hut in der Hand und unter vielfältigen Verbeugungen, dem Wagen.

»Welch ein Glück für mich, Monseigneur!« rief er.

»Ein Wort, Herr Gouverneur. Wollt Ihr die Güte haben, in meinen Wagen zu steigen?«

Der Officier setzte sich Fouquet gegenüber in das schwere Gefährt.

»Mein Herr,« sprach Fouquet, »ich habe Euch um einen Dienst zu bitten.«

»Sprecht, Monseigneur.«

»Um einen Euch gefährdenden Dienst, mein Herr, der Euch aber für immer meine Protection und meine Freundschaft sichert.«

»Müßte ich mich für Euch ins Feuer stürzen, Monseigneur, ich würde es thun.«

»Gut,« sagte Fouquet, »was ich von Euch verlange, ist einfacher.«

»Wohl, Monseigneur, um was handelt es sich?«

»Mich in die Zimmer der Herren Lyodot und d’Emeris zu führen.«

»Will mir Monseigneur erklären, warum?«

»Ich werde es Euch in ihrer Gegenwart sagen, während ich Euch zugleich alle Mittel gebe, ihr Entweichen zu bemänteln.«

»Entweichen! Monseigneur weiß also nicht?«

»Was?«

»Die Herren Lyodot und d’Emeris sind nicht mehr hier.«

»Seit wann?« rief Fouquet zitternd.

»Seit einer Viertelstunde.«

»Wo sind sie denn?«

»In Vincennes, im Thurme.«

»Was hat sie von hier weggebracht?«

»Ein Befehl des Königs.«

»Wehe!« rief Fouquet sich vor die Stirne schlagend. »Wehe!«

Und ohne ein einziges Wort mehr zu dem Gouverneur zu sagen, der wieder ausstieg, warf er sich, die Verzweigung im Gemüth, den Tod auf dem Gesicht, in seinen Wagen zurück.

»Nun?« fragte Pelisson voll Angst.

»Nun! unsere Freunde sind verloren! Colbert bringt sie nach dem Thurm. Sie sind es, die wir unter der Arcade Saint-Jean gekreuzt haben.«

Wie vom Blitz getroffen, erwiederte Pelisson nichts. Mit einem Vorwurf hätte er seinen Herrn getödtet.

»Wohin fährt Monseigneur?« fragte der Bediente.

»In mein Haus in Paris; Ihr, Pelisson, kehrt nach Saint-Mandé zurück und bringt mir binnen einer Stunde den Abbé Fouquet. Geht!«

Der Graf von Bragelonne

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