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Siebentes bis Zehntes Bändchen
XI.
Eine Leidenschaft

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Am Tage seiner Ankunft kehrte Athos, als er aus dem Palast wegging, nach seinem Hotel in der Rue Saint-Honoré zurück.

Er fand hier den Vicomte von Bragelonne. der ihn in seinem Zimmer, mit Grimaud plaudernd, erwartete.

Es war nichts so Leichtes, mit dem alten Diener zu plaudern; nur zwei Menschen verstanden dieses Geheimniß: Athos und d’Artagnan. Dem Ersteren gelang es, weil Grimaud selbst ihn sprechen zu machen suchte, d’Artagnan im Gegentheil, weil er Grimaud plaudern zu machen wußte.

Raoul ließ sich eben die Reise nach England erzählen, und Grimaud hatte ihm dieselbe in allen ihren Einzelheiten mit einer gewissen Anzahl von Geberden und mit acht Worten, nicht mehr, nicht weniger, mitgetheilt. Zuerst bezeichnete er ihm mit einer wellenförmigen Bewegung der Hand, daß sein Herr und er über’s Meer gefahren waren.

»Einer Expedition wegen?« fragte Raoul.

Grimaud antwortete den Kopf senkend: »Ja.«

»Wobei der Herr Graf Gefahren preisgegeben war?« fragte Raoul.

Grimaud zuckte leicht die Achseln, als wollte er sagen:

»Nicht zu viel, nicht zu wenig.«

»Aber was für Gefahren?« fuhr Raoul fort.

Grimaud deutete auf einen Degen, er deutete aus das Feuer und auf eine Muskete, welche an der Wand hing.

»Der Herr Graf hatte dort also einen Feind?« rief Raoul.

»Monk,« antwortete Grimaud.

»In der That,« fuhr Raoul fort, »es ist seltsam, daß mich der Herr Graf beharrlich als einen Neuling betrachtet und nicht an der Ehre oder der Gefahr solcher Händel Theil nehmen läßt.«

Grimaud lächelte.

In diesem Augenblick kehrte Athos zurück. Der Wirth leuchtete ihm die Treppe herauf; Grimaud erkannte den Tritt seines Herrn und lief ihm entgegen, was das Gespräch kurz abschnitt.

Doch Raoul war einmal im Zuge, auf die Bahn des Fragens geführt, hielt er nicht inne; er nahm mit lebhafter, aber ehrfurchtsvoller Zärtlichkeit den Grafen bei beiden Händen und sagte:

»Wie kommt es, mein Herr, daß Ihr eine gefahrvolle Reise angetreten habt, ohne mir Lebewohl zu sagen, ohne von mir die Hilfe meines Degens zu verlangen, von mir, der ich für Euch eine Stütze sein sollte, seitdem ich Kraft besitze, von mir, den Ihr wie einen Mann erzogen habt? Ah! mein Herr, wollt Ihr mich der grausamen Prüfung aussetzen, Euch nie wiederzusehen?«

»Wer hat Euch denn gesagt, Raoul, meine Reise sei gefahrvoll gewesen?« entgegnete ihm der Graf, während er seinen Mantel und seinen Hut in die Hände von Grimaud niederlegte, welcher ihm den Degen losgeschnallt hatte.

»Ich,« sagte Grimaud,

»Und warum dies?« rief Athos mit strengem Tone.

Grimaud gerieth in Verlegenheit: Raoul kam ihm zuvor und erwiederte für ihn:

»Es ist natürlich, daß mir dieser gute Grimaud die Wahrheit über das sagt, was Euch betrifft. Von wem solltet Ihr geliebt, unterstützt werden, wenn nicht von mir?«

Athos erwiederte nichts. Er machte eine freundliche Geberde, auf welche sich Grimaud entfernte, und setzte sich dann in einen Lehnstuhl, während Raoul vor ihm stehen blieb.

»Immerhin ist es gewiß,« fuhr Raoul fort, »daß Eure Reise eine Expedition war, und daß Feuer und Schwert Euch bedroht haben.«

»Sprechen wir nicht mehr hiervon, Vicomte,« erwiederte Athos mit sanftem Tone; »es ist wahr, ich bin schnell aufgebrochen, doch der Dienst von König Karl II. heischte diese plötzliche Abreise. Für Eure Unruhe danke ich Euch, und ich weiß, daß ich auf Euch zählen kann . . . Es hat Euch in meiner Abwesenheit an nichts gemangelt, Vicomte?«

»Nein, Herr, ich danke.«

»Ich hatte Blaisois den Befehl gegeben. Euch hundert Pistolen, sobald Ihr Geld brauchtet, auszubezahlen.«

»Ich habe Blaisois nicht gesehen, Herr.«

»Ihr habt Euch also ohne Geld beholfen?«

»Es blieben mir dreißig Pistolen vom Verkauf der Pferde, die ich in meinem letzten Feldzuge mitnahm, und der Herr Prinz hatte die Güte, mich zweihundert Pistolen vor drei Monaten bei seinem Spiel gewinnen zu lassen.«

»Ihr spielt . . . ich liebe das nicht, Raoul.«

»Ich spiele nie; der Herr Prinz befahl mir eines Abends in Chantilly, als er einen Courier vom König erhielt, seine Karten zu halten, und ich gehorchte; den Gewinn der Partie mußte ich auf Geheiß des Herrn Prinzen für mich nehmen.«

»Ist dies eine Gewohnheit des Hauses?« fragte Athos, die Stirne faltend.

»Ja, Herr; jede Woche wendet der Herr Prinz bei der einen oder der andern Sache einem seiner Cavaliere einen ähnlichen Vortheil zu. Es sind fünfzig Cavaliere bei seiner Hoheit, und damals traf gerade mich die Reihe.«

»Gut! Ihr waret also in Spanien?«

»Ja, Herr, ich machte eine sehr schöne und sehr interessante Reise.«

»Ihr seid vor einem Monat zurückgekehrt?«

»Ja, Herr.«

»Und seit diesem Monat?«

»Seit diesem Monat . . . «

»Was habt Ihr gethan?«

»Meinen Dienst, Herr.«

»Ihr seid nicht bei mir in la Fère gewesen?«

Raoul erröthete. Athos schaute ihn mit seinem festen, ruhigen Auge an.

»Ihr hättet Unrecht, wenn Ihr mir nicht glauben würdet,« sagte Raoul, »ich erröthe, und fühle es wohl: es geschieht unwillkührlich. Die Frage, die Ihr an mich zu richten mir die Ehre erweist, ist der Art, daß sie große Gemüthsbewegung in mir veranlaßt. Ich erröthe, weil ich bewegt bin, nicht weil ich lüge.«

»Es ist mir bekannt, Raoul, daß Ihr nicht lügt.«

»Nein, Herr.«

»Ueberdies, mein Freund, hättet Ihr Unrecht; was ich Euch sagen wollte . . . «

»Ich weiß es wohl, Herr; Ihr wolltet mich fragen, ob ich nicht in Blois gewesen sei.«

»Ganz richtig.«

»Ich bin nicht dahin gegangen: ich habe sogar nicht einmal die Person gesehen, die Ihr meint.«

Die Stimme von Raoul zitterte, als er diese Worte sprach. Athos, der oberste Richter in allen Dingen des Zartgefühls, fügte sogleich bei:

»Raoul, Ihr antwortet mit einem peinlichen Gefühl; Ihr leidet.«

»Sehr, mein Herr; Ihr habt mir verboten, nach Blois zu gehen und Fräulein de la Vallière zu sehen.«

Hier hielt der junge Mann inne; dieser süße, so reizend auszusprechende Name zerriß sein Herz, während er seine Lippen liebkoste.

»Und ich habe wohl daran gethan, Raoul,« sprach Athos rasch. »Ich war weder ein barbarischer, noch ein ungerechter Vater; ich achte die wahre Liebe, aber ich denke für Euch an eine Zukunft . . . an eine unermeßliche Zukunft . . . . Eine neue Regierung wird wie eine Morgenröthe glänzen; der Krieg ruft den von ritterlichem Geist erfüllten König, Was dieser Heldenmüthige Eifer braucht, ist eine Schaar von Officieren, die mit Begeisterung den Streichen entgegenlaufen und, wenn sie fallen: Es lebe der König! rufen, statt: Gott befohlen, mein Weib! zu schreien. Ihr werdet das begreifen, Raoul. So roh und hart Euch auch mein Urtheil erscheinen mag, so beschwöre ich Euch doch, mir zu glauben und Eure Blicke von jenen ersten Jugendtagen abzuwenden, wo Ihr die Gewohnheit, zu lieben, annahmet, von jenen Tagen mit der Sorglosigkeit, die das Herz verweichlichen und es unfähig machen, jene starken, bitteren Getränke zu ertragen, die man den Ruhm und das Mißgeschick nennt. Ich wiederhole Euch, Raoul, erblickt in meinem Rath einzig und allein das Verlangen, Euch nützlich zu sein, einzig und allein den Ehrgeiz, Euch gedeihen zu sehen. Ich halte Euch für fähig, ein merkwürdiger Mann zu werden; geht allein, Ihr werdet besser und rascher gehen.«

»Ihr habt befohlen, mein Herr, und ich gehorche,« erwiederte Raoul.

»Befohlen!« rief Athos, »antwortet Ihr mir so? Ich habe befohlen! Oh! Ihr verdreht meine Worte, wie Ihr meine Absichten mißkennt: ich habe nicht befohlen, ich habe gebeten.«

»Nein, Herr, Ihr habt befohlen,« entgegnete Raoul hartnäckig.. »Doch hättet Ihr auch nur gebeten .. . Eure Bitte ist noch wirksamer, als ein Befehl. Ich habe Fräulein de la Vallière nicht wiedergesehen.«

»Aber Ihr leidet! Ihr leidet!« rief Athos.

Raoul antwortete nicht.

»Ich finde Euch bleich, ich finde Euch betrübt . . . Dieses Gefühl ist also sehr stark?«

»Es ist eine Leidenschaft,« erwiederte Raoul.

»Nein . . . eine Gewohnheit.«

»Herr, Ihr wißt, daß ich viele Reisen gemacht habe, daß ich zwei Jahre fern von hier gewesen bin . . . jede Gewohnheit kann sich, glaube ich, in zwei Jahren lösen . . . Nun, bei meiner Rückkehr liebte ich, nicht mehr, das ist unmöglich, aber eben so sehr. Fräulein de la Vallière ist für mich die vorzugsweise Gefährtin; doch Ihr seid für mich Gott auf Erden, . . . Euch werde ich Alles opfern.«

»Ihr hättet Unrecht,« sagte Athos; »ich habe kein Recht mehr auf Euch. Das Alter hat Euch emancipirt. Ihr bedürft nicht einmal mehr meiner Einwilligung. Uebrigens werde ich, nach Allem, was Ihr mir gesagt, die Einwilligung nicht verweigern. Heirathet also Fräulein de la Vallière, wenn Ihr wollt.«

Raoul machte eine Bewegung und erwiederte dann plötzlich:

»Ihr seid sehr gut, mein Herr, und Eure Erlaubniß erfüllt mich mit Dankbarkeit; doch ich werde sie nicht annehmen.«

»Ihr schlagt es nun aus!«

»Ja, Herr.«

»Ich bin Euch dafür nicht erkenntlich, Raoul.«

»Aber Ihr habt im Grunde Eures Herzens etwas gegen diese Heirath . . . Ihr habt sie mir nicht gewählt.«

»Das ist wahr.«

»Dies genügt, daß ich nicht darauf beharre, und ich werde warten.«

»Nehmt Euch in Acht, Raoul, was Ihr sprecht, ist ernst.«

»Ich weiß es wohl, Herr, ich werde warten, sage ich Euch.«

»Obschon ich sterbe?« fragte Athos sehr bewegt.

»Oh! Herr!« rief Raoul, mit Thränen in der Stimme, »ist es möglich, daß Ihr mir so das Herz zerreißt, mir, der ich Euch keinen Grund zur Klage gegeben habe?«

»Liebes Kind, es ist wahr,« sagte Athos, indem er heftig die Lippen zusammenpreßte, um die Erschütterung zu bewältigen, der er bald nicht mehr Meister geworden wäre; »ich begreife nur nicht, worauf Ihr warten wollt . . . Wollt Ihr warten, bis Ihr nicht mehr liebt?«

»Ah! was das betrifft, nein; ich werde darauf warten, daß Ihr anderer Meinung werdet.«

»Ich will eine Probe machen, Raoul, ich will sehen, ob Fräulein de la Vallière wartet, wie Ihr.«

»Ich hoffe es, Herr.«

»Aber nehmt Euch in Acht, Raoul; wenn sie nicht warten würde? Ah! Ihr seid so jung, so vertrauensvoll, so redlich . . . Die Frauen sind so veränderlich.«

»Ihr habt mir nie Böses von den Frauen gesagt, Herr; Ihr habt Euch nie über sie zu beklagen gehabt; warum beklagt Ihr Euch über dieselben gegen mich in Beziehung auf Fräulein de la Vallière.«

»Es ist wahr,« sprach Athos, die Augen niederschlagend, »nie habe ich Euch Böses von den Frauen gesagt; nie habe ich mich über sie zu beklagen gehabt; nie hat Fräulein de la Vallière einen Verdacht begründet; aber wenn man vorhersieht, muß man bis zu den Ausnahmen, bis zu den Unwahrscheinlichkeiten gehen! Wenn, Fräulein de la Vallière nicht auf Euch warten würde, sage ich?«

»Wie so, Herr?«

»Wenn sie ihre Blicke nach einer andern Seite wenden würde?«

»Nach einem andern Mann, meint Ihr?« fragte Raoul bleich vor Angst.

»So ist es.«

»Nun, mein Herr,« erwiederte Raoul ganz einfach, »ich würde diesen Mann tödten, und so alle Männer, welche Fräulein de la Vallière wählen wollte, bis einer von ihnen mich getödtet, oder bis Fräulein de la Vallière mir ihr Herz zurückgegeben hätte.«

Athos bebte und sprach mit dumpfem Ton:

»Ich glaubte, Ihr hättet, mich so eben Euren Gott, Euer Gesetz auf dieser Welt genannt.«

»Oh!« versetzte Raoul zitternd, »würdet Ihr mir das Duell verbieten?«

»Wenn ich es Euch verböte?«

»So würdet Ihr mir zu hoffen verbieten, mein Herr, und Ihr würdet mir folglich nicht zu sterben verbieten.«

Athos schlug die Augen zum Vicomte auf. Er hatte diese Worte mit einem düstern Nachdruck ausgesprochen, den der düsterste Blick begleitete.

»Genug,« sagte Athos nach langem Stillschweigen, »genug über diesen traurigen Gegenstand, wobei wir Beide übertreiben. Lebt von Tag zu Tag, Raoul; thut Euren Dienst, liebt Fräulein de la Vallière, mit einem Wort, handelt wie ein Mann, da Ihr das Mannesalter habt; vergeßt nur nicht, daß ich Euch zärtlich liebe, und daß Ihr mich zu lieben behauptet.«

»Ah! Herr Graf,« rief Raoul, und drückte die Hand von Athos an sein Herz.

»Nun gut, liebes Kind, laßt mich allein, ich bedarf der Ruhe. Doch hört, Herr d’Artagnan ist mit mir von England zurückgekommen! Ihr seid ihm einen Besuch schuldig.«

»Ich werde ihm diesen Besuch mit großer Freude machen, denn ich liebe Herrn d’Artagnan so sehr!«

»Ihr habt Recht, er ist ein redlicher Mann und ein braver Cavalier.«

»Der Euch liebt!« rief Raoul,

»Ich bin dessen sicher . . . Wißt Ihr seine Adresse?«

»Ich finde ihn im Louvre, im Palais Royal, überall, wo der König ist. Commandirt er nicht die Musketiere?«

»Für den Augenblick nicht, Herr d’Artagnan ist im Urlaub . . . er ruht aus . . . Sucht ihn nicht auf den Posten von seinem Dienst; Ihr werdet Nachricht von ihm bei einem gewissen Herr Planchet bekommen.«

»Bei seinem ehemaligen Lackei?«

»Ganz richtig, er ist Gewürzkrämer geworden.«

»Ich weiß es; in der Rue des Lombards.«

»Dergleichen, oder Rue des Arcis.«

»Ich werde ihn finden.«

»Ihr sagt ihm tausend zärtliche Dinge von mir und bringt ihn vor meiner Abreise nach la Fère zu mir zum Mittagsbrod.«

»Ja, Herr.«

»Guten Abend, Raoul.«

»Ah! Herr, ich sehe einen Orden an Euch, von dem ich nichts wußte; empfangt meine Glückwünsche.«

»Das goldene Vließ! es ist wahr . . . eine Klapper, die nicht einmal mehr einen alten Knaben, wie ich bin, belustigt . . . Guten Abend Raoul.«

Der Graf von Bragelonne

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