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Siebentes bis Zehntes Bändchen
XXIII.
Philosophie des Herzens und des Geistes

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Für einen Mann, der gefährlichere gesehen hatte, war die Stellung von d’Artagnan Colbert gegenüber nur eine komische. D’Artagnan versagte sich also die Freude nicht, auf Kosten des Herrn Intendanten von der Rue Neuve des Petits-Champs bis zur Rue des Lombards zu lachen.

Das ist ein langer Weg, D’Artagnan lachte also lang.

Er lachte noch, als er Planchet erblickte, der auch vor der Thüre seines Hauses lachte.

Denn seit der Rückkehr seines Patrons, seit dem Empfang der englischen Guineen, brachte Planchet den größten Theil seines Lebens damit zu, daß er that, was d’Artagnan nur von der Rue Neuve des Petits-Champs bis nach der Rue des Lombards gethan hatte.

»Ihr kommt also, mein lieber Herr?« sagte Planchet zu d’Artagnan.

»Nein, mein Freund erwiederte der Musketier, »ich reise so schnell als möglich ab: nämlich ich speise zu Nacht, lege mich zu Bette, schlafe fünf Stunden und schwinge mich bei Tagesanbruch in Sattel. Hat man meinem Pferd anderthalb Rationen gegeben?«

»Ei! mein lieber Herr, Ihr wißt wohl, daß Euer Pferd der Juwel des Hauses ist, daß meine Ladenbursche es den ganzen Tag küssen und ihm meinen Zucker, meine Haselnüsse und meine Zwiebacke zu fressen geben. Ihr fragt mich, ob es seine Ration Hafer bekommen habe? fragt mich vielmehr, ob man ihm nicht zu fressen gegeben, daß es zehnmal hätte zerbersten sollen.«

»Gut, Planchet, gut: dann gehe ich zu dem über, was mich betrifft. Das Abendbrod?«

»Es ist bereit: ein dampfender Braten, weißer Wein, Krebse und frische Kirschen. Das ist etwas Neues, Herr.«

»Du bist ein liebenswürdiger Mensch, Planchet: laß uns zu Nacht speisen, und dann gehe ich zu Bette.«

Während des Abendbrods bemerkte d’Artagnan, daß Planchet sich häufig die Stirne rieb als wollte er das Herausgehen eines Gedankens erleichtern, der enge in seinem Gehirn eingeschlossen. Er schaute freundlich diesen würdigen Genossen seiner früheren Kreuz- und Querzüge an, stieß mit seinem Glas an das Glas von Planchet und sagte:

»Laß hören, Freund Planchet, laß hören, was Dich mir mitzutheilen so viel Anstrengung kostet; Mordioux! frisch heraus mit der Sprache.«

»Hört also,« erwiederte Planchet, »Ihr kommt mir vor, als ginget Ihr auf irgend ein Unternehmen aus,«

»Ich sage nicht nein.«

»Ihr hättet also einen neuen Gedanken gehabt?«

»Das ist möglich, Planchet.«

»Es ist also ein neues Kapital zu wagen? Ich betheilige mich mit fünfzigtausend Livres bei dem Gedanken, den Ihr ausbeuten wollt.«

Und während Planchet so sprach, rieb er seine Hände an einander mit der Raschheit, welche eine große Freude veranlaßt.

»Planchet, dabei ist nur ein Unglück,« sagte d’Artagnan.

»Welches?«

»Die Idee gehört nicht mir . . . Ich kann nichts darauf verwenden.«

Diese Worte entrissen dem Herzen von Planchet einen schweren Seufzer. Der Geiz ist ein glühender Rathgeber, er entführt seinen Mann, wie Satan Jesus auf den Berg führte, und wenn er einmal einem Unglücklichen alle Reiche der Erde gezeigt hat, kann er sich ruhig niederlegen, da er weiß, daß er seinen Gefährten, den Neid, zurückläßt, um das Herz zupacken.

Planchet hatte den leicht erworbenen Reichthum gekostet und sollte in seinen Wünschen nicht mehr stille stehen; doch da er trotz seiner Habgier ein gutes Herz war, da er d’Artagnan anbetete, so konnte er nicht umhin, taufend Ermahnungen gegen ihn auszusprechen, von denen die eine immer liebevoller war, als die andere.

Es wär ihm auch gar nicht unangenehm gewesen, einen Brocken von dem Geheimniß zu ergattern, das sein Herr so gut verbarg. List, Minen, Rathschläge und Fallen, Alles war vergeblich; d’Artagnan war zu keiner Vertraulichkeit zu bewegen.

So verging der Abend. Nach dem Essen beschäftigte d’Artagnan sein Mantelsack; er machte einen Gang in den Stall, streichelte sein Pferd und untersuchte seine Hufeisen und seine Beine; dann, nachdem er sein Geld noch einmal gezählt, legte er sich zu Bette, wo er, da er weder von einer Unruhe, noch von Gewissensbissen heimgesucht war, fünf Minuten, nachdem er seine Lampe ausgeblasen hatte, die Augenlider schloß und schlief wie in seinem zwanzigsten Jahre.

Viele Ereignisse hätten ihn jedoch wach halten können. Die Gedanken brausten in seinem Gehirn, die Muthmaßungen übersprudelten, und d’Artagnan liebte es ungemein, die Nativität zu stellen; doch mit jenem unstörbaren Phlegma, das mehr als das Genie für das Glück der Leute der Thätigkeit wirkt, verschob er jede Ueberlegung auf den andern Tag, aus Furcht, wie er sich selbst sagte, er könnte zu dieser Zeit nicht frisch genug sein.

Der Tag kam. Die Rue des Lombards hatte ihren Antheil an Aurora mit den rosigen Fingern, und d’Artagnan erhob sich wie das Frühroth.

Er weckte Niemand auf, ging die Treppe hinab, ohne eine Stufe krachen zu machen, ohne ein einziges Geschnarche vom Speicher bis zum Keller zu stören, sattelte sein Pferd, verschloß wieder Stall und Laden, und ritt im Schritt zu seiner Expedition in der Bretagne weg.

Er hatte sehr Recht gehabt, daß er am Tage vorher nicht an alle die politischen und diplomatischen Angelegenheiten dachte, die seinen Geist in Anspruch nahmen, denn am Morgen in der Kühle und in der sanften Dämmerung fühlte er seine Ideen rein und fruchtbar sich entwickeln.

Vor Allem ritt er vor dem Hause von Fouquet vorüber und warf in eine an der Thüre des Oberintendanten angebrachte gähnende Lade die Anweisung, die er am Tage zuvor nur mit großer Mühe den gekrümmten Fingern des Intendanten zu entreißen vermocht hatte.

Unter einen Umschlag mit der Adresse von Fouquet gelegt, war die Anweisung selbst von Planchet nicht errathen worden, während Planchet, was Enträthselung betrifft, Kalchas oder Apollo gleichkam.

D’Artagnan überschickte also Fouquet die Quittung, ohne daß er sich selbst gefährdete oder sich fortan Vorwürfe zu machen hatte.

Nachdem diese bequeme Wiedererstattung geschehen war, sagte er zu sich:,

»Nun wollen wir viel Morgenluft» viel Sorglosigkeit und Gesundheit einschlürfen; lassen wir das Pferd Zephyr athmen, das seine Flanken aufbläht, als ob es eine Hemisphäre einziehen müßte, und bringen wir unsere Combinationen auf eine sehr vernünftige Weise in Ordnung.

»Es ist Zeit,« fuhr d’Artagnan fort, »es ist Zeit, einen Feldzugsplan zu machen, und nach der Methode von Herrn von Turenne, der einen dicken Kopf voll vor. allen möglichen guten Ansichten hat, geziemt es sich, ehe man seinen Feldzugsplan macht, ein ähnliches Portrait von den feindlichen Generalen zu entwerfen, mit denen man es zu thun hat.

»Vor Allem zeigt sich Herr Fouquet. Wie ist es mit Herrn Fouquet?

»Herr Fouquet,« antwortete d’Artagnan sich selbst, »Herr Fouquet ist ein schöner und bei den Frauen beliebter Mann, ein sehr artiger bei den Dichtern beliebter Mann, ein geistreicher von den Lumpenkerlen verfluchter Mann. Ich bin weder Frau, noch Dichter, noch Lumpenkerl; ich liebe weder Herrn Fouquet, noch hasse ich ihn, ich befinde mich also ganz und gar in der Lage, in der sich Herr von Turenne befand, als er die Schlacht auf den Dünen gewinnen sollte. Er haßte die Spanier nicht, aber er, schlug sie total.

»Nein; Mordioux! es gibt noch ein besseres Beispiel; ich bin in der Lage, in der sich derselbe Herr von Turenne befand, als er sich gegenüber dem Prinzen von Condé in Jargeau, Gien und dem Faubourg Saint-Antoine hatte. Er haßte den Herrn Prinzen allerdings nicht, aber er gehorchte dem König. Der Herr Prinz ist ein äußerst angenehmer Mann, doch der König ist der König; Turenne stieß einen schweren Seufzer aus, nannte Condé »mein Vetter,« und vernichtete seine Armee.

»Was will nun der König? Das geht mich nichts an.

»Was will nun Herr Colbert? Oh! das ist etwas Anderes, Herr Colbert will Alles, was Herr Fouquet nicht will.

»Was will denn Herr Fouquet? Oh! oh! das ist ernst. Herr Fouquet will ganz genau Alles, was der König will.«

Nachdem dieses Selbstgespräch beendigt war, lachte d’Artagnan wieder und ließ seine Gerte pfeifen. Er war schon weit auf der Landstraße, machte die Vögel auf den Hecken scheu, horchte auf die Louisd’or, welche bei jedem Stoß in seiner ledernen Tasche tanzten, und, gestehen wir es, wenn sich d’Artagnan in solchen Lagen befand, war die Weichheit nicht sein vorherrschendes Laster. Er glich dann Herrn von Turenne, als dieser die Spanier nicht liebte.

Der Musketier konnte sich indessen nicht erwehren, den Frieden des Reiches zu beklagen, den die Streitigkeiten der Großen abermals gefährden sollten. Er erinnerte sich, wie mächtig, unterstützt und gewaffnet Fouquet war. Er addirte einerseits die achtzehn Millionen von Ludwig XIV., andererseits die unendlichen Mittel des Oberintendanten, wog in seiner unbeugsamen, durch eine ewige Verachtung der Mittelmäßigkeiten verbürgten Unparteilichkeit den giftigen Groll von Herrn Fouquet ab, und sagte, als er seine Rechnung gemacht hatte:

»Ah! die Expedition ist nicht sehr gefährlich, und es wird mit meiner Reise sein, wie mit dem Stück, in das mich in London Herr Monk geführt hat, und das, so viel ich mich erinnere: Viel Lärmen um nichts, heißt.

Der Graf von Bragelonne

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