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Zu tiefe Verkehrsprognosen
ОглавлениеVor den Toren des Tessins war die Autobahn zwischen Mailand und Como schon seit 1924 in Betrieb. Der erste Abschnitt der Autostrada del Sole von Mailand bis Neapel, dieses Symbol für Aufschwung und nationale Einigung in Italien, wurde 1958 eröffnet. Umso schmerzlicher wurde der Rückstand im Tessiner Autobahnbau empfunden; er erschien als Stückwerk. 1970 wurde die Strecke von Chiasso bis Lugano Süd in Betrieb genommen, die Strecke bis zum Ceneri sowie die Umfahrung Bellinzonas waren im Bau. Andere Teilstücke sollten zu einer zweispurigen Autostrasse ausgebaut werden. Angesichts der konjunkturellen Überhitzung verschob der Bundesrat 1965 den Baubeginn in der Leventina. Der Bau der Ceneri-Strecke wurde 1984 fertiggestellt.
Trotz aller wissenschaftlichen Sorgfalt schätzte die Strassenplanungskommission das tatsächliche Verkehrsaufkommen viel zu tief ein. Die wichtigste Grösse bei den Prognosen war die Zahl der in der Schweiz immatrikulierten Motorfahrzeuge. Aus ihr wurde das Verkehrsaufkommen abgeleitet – je mehr Fahrzeuge, desto mehr Verkehr. Die Anzahl der Motorfahrzeuge ihrerseits ergab sich aus der Bevölkerungszahl und aus dem Motorisierungsgrad, aus der Anzahl Motorfahrzeuge pro 1000 Einwohnern also. Dieser Motorisierungsgrad wiederum war abhängig vom Wohlstand der Bevölkerung. Doch der Motorisierungsgrad wuchs bei Weitem schneller als die Reallöhne es taten. 1950 betrug er 54 Prozent. 1960 war er drei Mal höher als 1950 – die Reallöhne indes waren im gleichen Zeitraum aber nur um 20 Prozent gestiegen. Auch in den kommenden Jahrzehnten wuchs der Motorisierungsgrad wesentlich schneller als das Einkommen. Die Planungskommission korrigierte zwar den Motorisierungsgrad nach den zu tief liegenden Prognosen aus früheren Jahren noch einmal nach oben und schätzte, dass es im Jahr 1980 in der Schweiz 800 000 Personenwagen geben werde. Tatsächlich wurden es fast drei Mal mehr, über 2,2 Millionen nämlich.34
Doch das Verkehrswachstum an den Alpenübergängen war noch stärker, denn zusammen mit dem wachsenden Wohlstand versprachen die Autofahrten in den Süden Freiheit, Abenteuer und Lebensfreude. Und ebenfalls stark unterschätzt worden war die Zunahme des internationalen Verkehrs. 1953 kamen 6 Prozent aller Automobile aus dem Ausland. 1960 waren es schon 30 Prozent. 2015 54 Prozent.35