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Rekordofferten

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Im definitiven Verzeichnis der Anbieter scheinen 36 Schweizer Firmen auf, acht aus Italien und einige wenige aus Frankreich, Deutschland und Österreich. Die vier schweizerischen Unternehmergruppen lagen bei allen Varianten auf den ersten vier Rängen. Das EDI hatte in seinem Vorprojekt noch Vortriebsleistungen angenommen, die auf Offerten für den San-Bernardino-Tunnel und auf Erfahrungen, die beim Bau des Mont-Blanc-Tunnels gemacht wurden, beruhten: In den «einfachen» Felsklassen eins bis drei rechnete das Bauprogramm mit 4 bis 8 Metern pro Tag, in den «schweren» Felsklassen vier bis sechs mit 0,5 bis 2,2 Metern pro Tag.25 Doch die von den Gotthardkonsortien gebotenen Vortriebsleistungen waren bis zu zwei Mal höher.

Die Losinger + Co AG hatte zwar bei der Ausschreibung zum Gotthard-Strassentunnel mit acht Partnerfirmen mitgeboten. Doch die von ihr offerierten Preise waren deutlich höher als jene, zu denen die Baulose letztendlich vergeben wurden. Duri Prader von den Losinger-Unternehmungen schlug am 14. Januar 1969 in einem Brief an das EASF Alarm.26 Nach der Mitarbeit bei den Vorprojekten sowie als Experte beim Projektwettbewerb fühle er sich diesem markantesten Einzelobjekt des Nationalstrassenbaus besonders verbunden. Seit einigen Jahren werde der Konkurrenzkampf im schweizerischen Tunnel- und Stollenbau aufs Schärfste geführt. Prader verglich Erfahrungszahlen vom Bau der Tunnels am Lopper und vor allem am San Bernardino mit jenen Zahlen, die in den Offerten – seiner Ansicht nach wider besseres Wissen – angeboten worden waren. So seien beim Felsausbruch am San Bernardino 1,7 Arbeitsstunden pro Kubikmeter aufgewendet worden. Am Gotthard wurde mit einer Stunde gerechnet. Bei den Leistungsangaben zu Materialtransport und Vortriebsleistung hätten die Konkurrenten auf reine Hoffnungen und Experimente gesetzt, schrieb Prader an das EASF. Die unwahrscheinlichen Erwartungen ohne soliden Rückhalt in der Praxis könnten zu Rückschlägen führen, schrieb Prader in einem zweiten Brief.27

Übertriebene Versprechungen waren damals im Schweizer Strassentunnelbau häufig. Eine minuziöse Aufstellung von Tunnelprojekten aus den Jahren 1959 bis 1968 zeigte, dass die bei Schweizer Strassentunnelbauwerken offerierten Vortriebsleistungen in drei von vier Fällen doppelt so hoch waren wie die effektiv erbrachten.28 Beim Gotthard-Strassentunnel waren die höchsten Offerten durchwegs ein Drittel oder gar um die Hälfte teurer als die günstigsten – üblich waren im Baugewerbe Preisunterschiede von fünf oder zehn Prozent. Auch die gebotenen Kubikmeterleistungen waren so unterschiedlich, dass Fragen hätten aufkommen müssen.

Mit beachtlichem Aufwand versuchte die Baukommission die Zahlen der offerierenden Firmen zu verifizieren. Auf einer Informationsreise liess sich eine Delegation in Schweden neuste Atlas-Copco-Geräte vorführen.29 Mit eigenen Feldversuchen im Stollen des Zementwerks in Balerna und im Tunnel Arisdorf ermittelte die Bauleitung zudem die Effizienz von Pneuschaufelbaggern.30 Am 22. Mai 1969 erstattete sie Bericht, und in ihrem Antrag für den Zuschlag der Bauarbeiten versuchte sie sich noch einmal abzusichern. «Generell ist festzustellen, dass alle Submittenten ihren Angeboten sehr hohe Vortriebsleistungen zugrunde gelegt haben. Diese optimistischen Annahmen haben sich in verhältnismässig niedrigen Ausbruchpreisen ausgewirkt.»31 Die Baulose im Norden und im Süden sollten an zwei verschiedene Unternehmensgruppen vergeben werden.

Am 2. Juni 1969 folgte der Antrag des EDI an den Bundesrat und dieser bestätigte ihn am 16. Juni: Es solle das Strassentunnelprojekt der Ingenieurgemeinschaft Lombardi, Gellera und Elektrowatt mit vier Lüftungsschächten gebaut werden, und es solle zusätzlich ein Sicherheitsstollen erstellt werden.32 Der Bundesrat beschloss einen Rahmenkredit von insgesamt 306 Millionen Franken. Das 6807 Meter lange Baulos Nord vergab er zum Offertpreis von 75,4 Millionen Franken an die Arbeitsgemeinschaft Gotthard Nord; das war das Konsortium mit der federführenden Conrad Zschokke AG in Zürich. Das Baulos Süd mit seinen 9515 Metern Länge vergab der Bundesrat für 95,9 Millionen Franken an das Consorzio Gottardo Sud mit der Zürcher Walo Bertschinger AG an der Spitze.

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