Читать книгу Durchschlag am Gotthard - Alexander Grass - Страница 25
Neuland im Tunnelbau
ОглавлениеDie Belüftung erschien zu jener Zeit als eines der wichtigsten Probleme bei den immer zahlreicher werdenden Autotunnelprojekten. Das galt insbesondere auch für den längsten Strassentunnel der Welt am Gotthard. Die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Autoabgasen waren eben erst bekannt geworden.13 Es wurde untersucht, welche Symptome sich bei Menschen bei welchen Konzentrationen des gefährlichen Kohlenmonoxids einstellten. EASF-Direktor Robert Ruckli stand in Kontakt mit den Betreibern italienischer Autobahntunnels, die bereits über Erfahrungen mit Schadstoffen in Strassentunnels verfügten, 14 und den Tunnels am Mont Blanc und am Grossen Sankt Bernhard wurde ein Besuch abgestattet.15 So wurde mit Ortsterminen und Briefwechseln das damals verfügbare Wissen aufwendig recherchiert.
Welche Mengen gesundheitsschädlicher Abgase würden Autos in den kommenden Jahrzehnten ausstossen? Die Antwort auf diese Frage war zusammen mit den Grenzwerten entscheidend für die Auslegung der Lüftung im Gotthard-Strassentunnel. In Kalifornien entstanden weltweit erste Vorschriften, mit denen der Ausstoss von Kohlenmonoxid um fast ein Drittel gesenkt wurde. Die Planer des Tunnels am Gotthard nahmen solche Grenzwerte vorweg und gingen davon aus, dass der europäische Fahrzeugbestand ab 1985 den kalifornischen Vorschriften entsprechen werde.16 Zugleich aber wurden die Grenzwerte für die Kohlenmonoxidkonzentration in der Tunnelluft festgelegt und verschärft. Der Hollandtunnel in New York wurde genauso wie viele ältere Tunnels auf 400 Parts per million (ppm) ausgelegt, also auf 400 Gasteile Kohlenmonoxid auf eine Million Luftteile. 1967 wurden die internationalen Grenzwerte für Gebirgstunnel auf 150 ppm herabgesetzt. In der Schweiz waren es 200 ppm17 – und im Mont-Blanc-Tunnel 100 ppm.
Kurz vor der Eröffnung des Mont-Blanc-Tunnels 1965 wurde festgestellt, dass die Lüftung nicht für 1000 Fahrzeuge pro Stunde ausreicht, sondern nur für 500. Die Lüftung war aus Kostengründen zu klein geplant worden. Am Gotthard wurden also zahlreiche Anordnungen von Lüftungssystemen und Tunnelquerschnitten untersucht.18 Je enger ein Lüftungskanal ist, desto höher ist der Energiebedarf für das Einblasen und Absaugen von Luft oder Abgasen. Bei vier Lüftungsschächten waren die Lüftungsabschnitte im Strassentunnel kürzer als bei zwei Schächten, die Ventilatoren brauchten in diesem Fall also weniger Energie als bei langen Abschnitten, dafür mussten mehr kostspielige Schächte gebohrt werden. In unverkleideten, rauen Zuluftstollen stieg der Energieverbrauch, bei glatten, im Bau aber teureren Stollenwänden sank er hingegen. Gesucht war das Optimum bei der Summe aus Anlage- und Betriebskosten.